Die Schreckensgespenster

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Am nächsten Tag beeilte ich mich zur Kreuzung zu kommen in der Hoffnung, dass Aiden schon da war. Leider war an der Kreuzung niemand und so musste ich auf den Jungen warten. Meine Hand zuckte bei jedem Geräusch aus dem Wald zu meiner Schultasche. Ich konnte meine Beine nicht stillhalten und hibbelte mit ihnen auf und ab. Dann endlich sah ich Aiden auf dem Waldweg und atmete erleichtert aus. „Da bist du ja endlich!“, fuhr ich ihn trotzdem an, als er neben mir zum Stehen kam. Aiden zuckte etwas zurück, doch es war mir im Moment egal. „Was ist denn los?“ Hatte er mich das gerade wirklich gefragt? „Was los ist? In dem Wald soll sich ein Rudel Wölfe angesiedelt haben, das ist los! Hast du nicht die Nachrichten gesehen? Solche riesigen Pfotenabdrücke.“ Zur Verdeutlichung formte ich mit meinen Händen einen Kreis und auch das schien mir noch fast zu klein. „Das müssen richtige Monster sein! Da hab ich Angst“, gestand ich. Aiden räusperte sich und seine Hand fuhr in seinen Nacken. „Ach so, ja, die Nachrichten hab ich gesehen. Aber bisher haben wir im Dorf noch keinen Wolf gesehen. Und ich kann dir versichern, dass ich auf mich aufpassen kann. Und ich bin mir auch sicher, dass Wölfe keine Menschen angreifen. Sollten sie wirklich hier sein, kommen sie bestimmt nicht einmal aus dem Wald.“ „Meinst du?“ Unruhig blickte ich an Aiden vorbei in den Wald und er folgte meinem Blick. Dann wandte er sich wieder mir zu. „Ganz sicher. Bestimmt stellt sich in ein paar Tagen heraus, dass das alles nur ein dummer Streich war“, nickte Aiden. „Und jetzt komm. Ich will rechtzeitig zum Sportunterricht kommen.“ Seufzend nickte ich. In Aidens Gegenwart fühlte ich mich nicht ganz so angespannt und auch, wenn ich seinen Worten nicht wirklich Glauben schenken konnte, so beruhigten sie mich doch etwas.

Zusammen fuhren wir also weiter in Richtung Schule. Mein Blick ging automatisch immer wieder in Richtung Wald. Plötzlich blitzte etwas zwischen den Bäumen auf. Vor Schreck verzog ich meinen Lenker. Ein Schrei entkam mir. Dann landete ich auf dem Boden. „Leonie!“, rief Aiden. Ich stützte mich mit meinen Armen ab. Ich war auf meine rechte Seite gefallen. Mein Knie und mein Ellenbogen brannten. Stockend setzte ich mich auf. „Warte, ich helfe dir.“ Aiden zog das Fahrrad zwischen meinen Beinen weg und kniete sich neben mich. Stützend legte er einen Arm um meine Schultern. „Was ist denn passiert?“, wollte er wissen und begutachtete mein Knie. Es war stark aufgeschürft, genau wie mein Ellenbogen. Und beides brannte höllisch. „Ich dachte…. Da war was, im Wald. Ach, das ganze Wolfsgerede macht mich noch verrückt. Bestimmt war da gar nichts“, meinte ich. Aiden stockte und warf einen Blick in Richtung Wald. Unsicher folgte ich seinen Augen, konnte aber nichts erkennen. „Ich hab mir das bestimmt nur eingebildet. Ich bin schon ganz schön blöd“, versuchte ich die Situation zu lockern. „Quatsch, du bist nicht blöd. Vielleicht war da ja wirklich ein Tier“, meinte Aiden und legte seine Hände um meine Kniewunde. Plötzlich begann meine Haut zu kribbeln. Mein Atem stockte. Ich blickte hoch in Aidens konzentriertes Gesicht. Abrupt löste er sich wieder von mir und sprang auf. Das Kribbeln verschwand. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und schüttelte über mich selbst den Kopf. Eine Gehirnerschütterung hatte ich hoffentlich nicht.

Aiden rannte zu seinem Fahrrad, holte etwas aus seinem Rucksack und ließ sich damit wieder neben mich fallen. „Gut, dass meine Mutter mich dazu verdonnert hat immer ein Erste-Hilfe-Set bei mir zu haben“, grinste er mich kurz an und holte dann ein Taschentuch aus der kleinen Box hervor. „Ich desinfiziere das jetzt und dann kleb ich ein Pflaster drauf“, meinte er. Ich nickte und beobachtete ihn dabei, wie er etwas Desinfektionsmittel auf das Taschentuch tröpfelte und damit über mein Knie fuhr. Ich kniff die Augen zusammen und verkniff mir mehr schlecht als recht einen Schmerzenslaut. „Tut mir leid“, murmelte Aiden, wischte noch einmal vorsichtig über mein Knie und klebte dann ein großes Pflaster drauf. Dasselbe machte er auch bei meinem Ellenbogen und packte dann alles wieder zusammen. „Schon ok, es muss ja sein“, keuchte ich. Aiden stand auf und streckte mir eine Hand entgegen. Ich nahm sie an und er zog mich vorsichtig nach oben. Als ich mit meinem rechten Bein auftrat, schoss ein Schmerz durch meinen ganzen Körper. Wenigstens konnte ich den Ellenbogen einigermaßen ohne Schmerzen bewegen. „Kannst du fahren oder sollen wir laufen?“, fragte Aiden mich, während er das Erste-Hilfe-Set wieder verstaute. Ich humpelte leicht zu meinem Fahrrad und hievte es hoch. „Quatsch, wir müssen uns beeilen. Ich hab keine Lust schon wieder zu spät zu kommen“, winkte ich ab und hoffte, dass mein Knie auf dem Weg besser werden würde. „Ok“, antwortete Aiden, blickte mich aber mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Guck nicht so skeptisch, das geht schon“, sagte ich und warf noch einmal einen schnellen Blick in den Wald, aber was auch immer ich geglaubt hatte zu sehen, es war nicht mehr da.

My Love, My Life, My Mate (Werwolf FF)Where stories live. Discover now