Übernachtung bei den Werwölfen

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Am nächsten Morgen wachte ich relativ spät auf. Ich hatte die halbe Nacht nicht geschlafen. Die Angst, einen Albtraum zu bekommen, war zu groß. Und wieder zu meinem Vater gehen wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass er sich noch größere Sorgen um mich machte als sowieso schon. Deswegen hatte ich am Abend so lange wie möglich ferngesehen, bis mein Vater schließlich ins Bett gegangen war. Also hatte ich mich auch in mein Zimmer verzogen und anfangs wirklich versucht zu schlafen. Doch dann waren meine Gedanken zu dem Rouge abgedriftet und ich hatte das Schlafen sein lassen. Dementsprechend verpeilt war ich, als ich am Vormittag meine Sachen für die Übernachtung bei Aiden packte. Mein Vater hatte darauf genauso reagiert wie ich. Zuerst unsicher, dann hatte er allerdings den gleichen Gedanken wie Aiden. Konfrontation war schließlich oft die beste Therapie. Seufzend blickte ich in meinen Beutel, den ich mehr unterbewusst als bewusst gepackt hatte. Die Hälfte der Sachen konnte ich wieder raus tun, die waren nicht für das Wetter geeignet. Oder überhaupt für eine Übernachtung. Wenigstens hatte ich es auf die Reihe bekommen, meine Hygieneartikel einzupacken und dabei nichts zu vergessen. Schnell schnappte ich mir noch ein paar Klamotten und packte auch mein Handy ein, ehe ich nach unten lief.

Mein Vater saß am Wohnzimmertisch, den Laptop schon aufgebaut und seine üblichen Snacks bereitgelegt. „Wartest du auf mich?“ „Natürlich. Du kennst mich doch. Wenn ich einmal anfange mit schreiben, kann ich erst Stunden später wieder aufhören. Und immerhin muss ich dich ja noch zu Aiden fahren.“ Kurz meldete sich mein schlechtes Gewissen. Ich hielt meinen Vater von seiner wichtigen Arbeit ab. Dann beruhigte ich mich. Es würde keine 15 Minuten dauern bis er wieder hier war. Außerdem hätte er auch einfach nein sagen können, hätte er keine Zeit gehabt mich zu fahren. „Können wir dann?“, erkundigte sich mein Vater und ich nickte. Schnell holte er das Auto aus unserer zweiten Garage und wir fuhren los. Ohne Probleme meisterten wir auch den Schotterweg, was ich unserem Auto echt nicht zugetraut hätte. Kaum fuhren wir auf die Lichtung, bot sich mir ein erschreckend vertrautes Bild, obwohl ich es noch kaum gesehen hatte: Spielende Kinder in Menschen- oder Wolfsform und ein paar Erwachsene, die ein Auge auf die Kleinen hatten. „Schon verrückt“, murmelte mein Vater und stieg mit mir aus dem Auto aus. Direkt kam Aiden aus seinem Haus gelaufen und mit einem breiten Grinsen auf uns zu. „Na, Herr Redhead? Wie finden sie den Anblick?“, sagte er und umarmte mich kurz. Ich war zu langsam es zu erwidern. „Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen. Und bitte nenn mich Pascal.“ „Natürlich. Komm, Leonie. Ich zeig dir unser Gästezimmer. Vielleicht schlafen wir heute aber auch draußen.“

Ich nickte, verabschiedete mich mit einem Winken von meinem Vater und folgte Aiden. Wir betraten sein Haus. Josephine saß im Wohnzimmer auf dem Sofa und schaute gerade irgendwelche Nachrichten. Begrüßend nickte sie mir kurz zu. Ich winkte leicht. „Mein Vater ist in seinem Arbeitszimmer“, erklärte Aiden kurz und ging mit mir die Treppe hoch. Er öffnete eine Tür gegenüber von seinem Zimmer. „Das hier ist das Gästezimmer. Deine Sachen kannst du hier lassen. Aber wie schon gesagt, vielleicht übernachten wir auch draußen.“ Ich nickte erneut und warf die Tasche mit meinen Sachen aufs Bett. „Was machen wir jetzt?“, fragte ich Aiden. Der griff sich mit der Hand in den Nacken. „Ähm, ich hatte gedacht, also. Vielleicht hast du ja Lust… Und es würde dir auch bestimmt ein bisschen helfen… Beim Wolfstraining zuzuschauen?“ Erstaunlicherweise durchzuckte mich bei dieser Vorstellung keine Panik. Ich dachte ernsthaft darüber nach. So würde ich Aidens Freunde kennenlernen und auch die Möglichkeit haben, mich an die Wölfe zu gewöhnen. Aber wenn sie kämpfen würden, würde es mich bestimmt an den Rouge erinnern. Ich umgriff mit meiner linken Hand mein rechtes Handgelenk.

„Ok.“ „Wirklich?“ „Ja, wirklich“, murmelte ich. „Hey, Leonie. Sieh mich an.“ Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich auf den Boden starrte. Es wurde mir erst bewusst, als Aiden mein Kinn anhob und ich in seine grünen Augen blickte. „Sicher, dass du das willst? Ich will dich zu nichts zwingen. Wir können auch etwas anderes machen. Du musst keine Werwölfe sehen, wenn du denkst, dass du noch nicht bereit bist.“ Wie konnte ein Junge nur so verständnisvoll sein? Ich konnte nicht anders als ihn leicht anzulächeln. „Danke, aber ich denke ich schaffe das schon. Wenn es mir zu viel wird, sage ich dir sofort bescheid. Versprochen.“ Aiden nickte und nahm die Finger unter meinem Kinn weg. Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden. Aiden drehte sich jedoch zum Glück von mir weg und verließ das Zimmer. „Komm, ich zeige dir unseren Trainingsplatz. Naja, es ist mehr eine kleine Lichtung als ein wirklich ausgestatteter Trainingsplatz. Er ist ganz in der Nähe.“ Wir verließen Aidens Haus wieder und liefen darum herum. Schon entdeckte ich einen kleinen Trampelpfad, der in den Wald führte.

My Love, My Life, My Mate (Werwolf FF)Where stories live. Discover now