Paranoia

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„Mehrere neu errichtete Kamerafallen fingen ein paar unscharfe Bilder des beschriebenen Monsters auf.“ Ein Bild erschien in der oberen Ecke. Die Qualität ließ zu wünschen übrig und das Bild war sehr verwackelt. Eigentlich sah man nur einen großen schwarzen Fleck, der mit etwas Fantasie auf vier Beinen stand und leuchtend rote Augen hatte. So viel mehr konnte man allerdings auch nicht erkennen. „Weitere Kamerafallen wurden wie die vor wenigen Tagen ausgeschaltet. Die Behörden haben noch nicht herausgefunden, wer oder was dafür verantwortlich ist. Auch die Kameras, die das Biest festhielten, brachen wenige Zeit später die Aufnahmen ab. Zwei Kameras sind ganz verschwunden. Ähnlich steht es um die ausgelegten Fallen. Diejenigen, die ausgelöst haben, zeigen keine Spuren davon, dass ein Tier sie ausgelöst hat. Darum rufen die Behörden nun dazu auf, den Wald nicht mehr zu betreten und bitten den- oder diejenigen, die für die fehlgeschlagenen Fallen und die ausgeschalteten Kameras verantwortlich sind, ihre Taten in Zukunft zu unterlassen. Des Weiteren haben unsere örtlichen Jäger einen möglichen Schlafplatz der Bestie gefunden. Auf der kleinen Lichtung wurden Tierkadaver gefunden, die von einem sehr großen Tier gefressen wurden. Es gibt keinen Zweifel mehr, dass ein monströser Wolf in unserem Wald lebt.“

Seufzend schaltete ich den Fernseher aus und rieb mir über meine Arme. Hoffentlich würden Aiden und die anderen den Rouge schnell unschädlich machen können. Bis jetzt war noch nichts passiert, aber es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis das Vieh einen der Jäger tötete oder sich in die Stadt verirrte. Plötzlich klingelte es an der Tür. Ich runzelte meine Stirn. Wer wollte denn bitte am frühen Morgen schon was von uns? Erneut klingelte es. „Leonie! Machst du bitte die Türe auf?“ „Ja!“, rief ich und eilte zur Tür. Prüfend schaute ich aus dem kleinen Fenster daneben und erkannte den dunklen Haarschopf sofort. Ich riss die Tür auf. „Was machst du denn hier?“ Aiden grinste mich schief an. „Ich dachte mir, ich hole dich ab. Sicher ist sicher. Und, naja, meine Mutter hat mir gedroht, dass ich sonst einen Monat selber kochen muss. Natürlich bin ich nicht deswegen hier. Ich wäre auch so gekommen.“ Ich konnte nicht anders als zu lachen. Aidens Wangen röteten sich. „Danke, das ist nett von dir“, kicherte ich. „Wer ist es denn?“, kam es von oben. „Aiden! Er holt mich ab“, antwortete ich meinen Vater. Schnell schnappte ich mir meinen Schlüssel, drückte mich an Aiden vorbei und holte mein Fahrrad. „Bis heute Abend.“ „Fahrt vorsichtig! Bis heute Abend.“

Der Weg zur Schule verging wie gestern, was meinen Nerven wirklich nicht guttat. Als wir gerade in die Stadt fuhren, sprang eine schwarze Katze aus dem Gebüsch neben mir. Aiden und ich erschreckten uns zu Tode. Ich fiel fast über meinen Lenker und konnte mich nur mit Müh und Not halten. Aiden sprang die Katze knurrend an, was diese fauchend das Weite suchen ließ. Keuchend schloss ich meine Augen. „Bitte findet endlich dieses Biest und erledigt es.“ „Glaub mir, nichts lieber als das.“ Völlig unerwartet drückte mich Aiden kurz an sich, doch die Umarmung hielt nur den Bruchteil einer Sekunde, dann löste er sich wieder von mir. Meine Nerven konnten sich auch nicht während der Schulzeit beruhigen, da es bei meinen Mitschülern nur ein Thema gab: Die wolfsähnliche Bestie. Natürlich ließ es sich unser Rektor nicht nehmen, noch einmal auf die Nachrichten hinzuweisen. Langsam nahm diese Sache extreme Züge an und ich wünschte mir die letzte Woche zurück, in der nur von einem Wolfsrudel im Wald die Rede gewesen war. Das hatten immerhin nicht allzu viele Menschen als wirklich schrecklich empfunden, zumal es auch kaum Beweise gab. Aber nun, mit den Bildern und allem.

Dieses Mal drückten Aiden und ich uns nicht vor dem Nachhauseweg. Ganz nach dem Motto ‚Augen zu und durch‘ fuhren wir sofort los und traten ordentlich in die Pedale. Am Liebsten hätte ich auch meine Augen zugemacht, aber das war beim Fahrradfahren eine denkbar schlechte Idee. Und dann knackte es plötzlich so unsagbar laut im Gebüsch, dass mir das Herz in die Hose rutschte. Aiden sprang von seinem Fahrrad. Ich drückte meine Bremsen durch und kam stolpernd zum Stehen. „Bleib hier“, wies mich der Junge an. Er rannte über die Straße und verschwand im Wald. „Lass mich nicht allein“, flüsterte ich, doch er war schon längst weg. Hektisch kramte ich in meiner Tasche nach dem Pfefferspray und hielt es abschussbereit vor mich. Beinahe hätte ich Aiden vollgesprüht, als er wieder aus dem Wald kam. Er blickte zu mir und schüttelte seinen Kopf. Erleichtert atmete ich aus und packte das Pfefferspray wieder weg. Entwarnung. Da war nichts. Wir waren einfach paranoid. Aber besser das als am Ende tot. Oder? Aiden stieg wieder auf sein Fahrrad und wir fuhren weiter.

Wie gestern brachte er mich noch bis nach Hause. Dort beschloss er, dass er die drei Stunden bis mein Vater wieder da war auch hier verbringen konnte und so machten wir zusammen unsere Hausaufgaben, bis mein Vater pünktlich von der Arbeit kam. Wieder wollte er Aiden nach Hause fahren und wieder lehnte dieser ab. „Bist du dir sicher?“, hakte mein Vater wohl schon zum fünften Mal nach, während wir Aiden dabei beobachteten, wie er sein Fahrrad aus unserer Garage holte. „Ja, wirklich. Aber vielen Dank“, winkte Aiden ab und verschwand kurz darauf. Seufzend schloss mein Vater die Tür. „Ich weiß ja, dass Jungs eingebildet sind, aber er könnte ruhig mal über seinen Schatten springen. Am Ende fällt ihn das Biest noch an.“ Bei der Aussage meines Vaters musste ich grinsen. „Soso. Jungs sind also eingebildet, ja?“ „Ach Quatschkopf.“ „Du hast damit angefangen.“ „Ich weiß, ich weiß. Schau mal in die Tüte, die ich mitgebracht habe. Heute sind zwei süße Stückchen übrig geblieben“, lenkte mein Vater ab und ich ließ ihn das Thema wechseln. Süßes war immer gut. Und als ich sah, dass es einer meiner Lieblingskuchen war, konnte ich nicht anders, als das Thema Jungs sein zu lassen. Oder was auch immer gerade unser Thema gewesen war.

My Love, My Life, My Mate (Werwolf FF)Where stories live. Discover now