Kapitel 16

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Tiara Bluero

Am nächsten Morgen duschte ich mich schnell und ging gerade frisch angezogen in die Küche, als es bereits klingelte.

Nathan wartete vor der Tür auf mich. Zuerst schien er ziemlich fröhlich, doch als sein Blick auf einen Punkt hinter mir fiel blinzelte er verwirrt:

"Was macht ein blutender Mann, gefesselt auf einen Stuhl, mitten in deinem Wohnzimmer?"

Als hätte er darauf gewartet schrie der Mann los: "Hilfe! Bitte hilf mir!"

Ich drängte mich an Nathan vorbei und schloss die Haustür vor seiner Nase. Mit den Worten: "Er hat versucht mich zu entführen." stieg ich auf der Beifahrerseite seines Wagens ein.

Entsetzt drehte Nathan sich zu mir: "Er hat Was versucht? Wann?"

Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern: "Kurz nachdem wir uns gestern getrennt haben."

Ich hatte keinen Grund ihm die Wahrheit zu verschweigen, zumindest zu diesen Teilen. Da fielen mir die Worte seiner Mutter ein. Ich musste bald mit ihm reden, am besten heute.

Als wir vor der Schule aus seinem Wagen stiegen, starrten uns alle Schüler auf dem Schulhof an.

Nathan schien das gar nicht zu gefallen, denn er legte besitzergreifend einen Arm um meine Taille.

In unserem Klassenraum erwartete uns bereits unser Lehrer mit den Tests, die wir letzte Woche geschrieben hatten.

Entspannt ging der Lehrer durch die Reihen und teilte die Zettel aus, bis er bei mir ankam.

Er warf mir einen kurzen unsicheren Blick zu, dann ließ er meine Blätter so abrupt los als hätte er sich verbrannt.

Ich sah auf mein Ergebnis runter.

A+

Unschuldig lächelte ich den Lehrer an und bemerkte wie er erleichtert aufatmete.

Sicherlich war mein Ergebnis nicht aufgrund meine großartige Leistung, sondern durch den Respekt, den die Lehrer vor mir hatten, entstanden, doch das machte mir nichts aus.

Ich warf einen kurzen Blick auf Nathans Blatt.

C-

Er schien nicht sonderlich glücklich darüber, vermutlich würde sein Vater ihm Ärger geben.

Müde stützte er seinen Kopf auf den Händen ab und stieß einen frustrierten Seufzer aus.

Der Unterricht zog sich wie Kaugummi und ich konnte erst erleichtert wieder aufatmen, als ich aus dem Gebäude auf den Pausenhof trat.

Eine Stimme ließ Nathan und mich herumfahren:

"Bleib stehen, Schlampe!"

Wie in Zeitlupe drehte ich mich um und fixierte eine stark geschminkte blondhaarige Schülerin.

Um sie herum stand ein Kreis von etwa zehn weiteren Mitschülern, darunter auch Cathy.

"Was willst du", fragte ich und konnte nicht den leicht genervten Unterton verstecken.

"Du kannst nicht einfach mit deinen teuren Sportwagen vorfahren, dir den beliebtesten Jungen der Schule schnappen und tun als wärst du die Miss. Perfect", schrie mich das Mädchen wütend an.

"Und was sagt dir, dass mein Leben perfekt ist", fragte ich und war wirklich neugierig auf ihre Antwort.

"Du hast alles. Geld, gutes Aussehen, einen heißen Typen und bestimmt erfüllen dir deine lieben Eltern jeden Wunsch sobald du nur mit den Wimpern klimperst."

Ich wollte gerade widersprechen, als sie weiter fortfuhr:

"Es gibt auch Menschen die es schwerer haben.
Jonas kommt täglich mit blauen Flecken zu Schule, Sophies Eltern haben finanzielle Probleme und meine Eltern streiten sich, sobald sie einander sehen.

Nicht alle können in so einer Barbie-Welt leben wie du, Tiara. Manche von uns haben es schwerer.
Also tu nicht so als wärst du etwas Besseres."

Ohne ein weiteres Wort zog ich die Lederjacke aus, die meine Narben und Tattoos verdeckte. In dem Licht der Sonne erkannte man die Unebenheiten auf meiner Haut nur allzu deutlich.

Durch die Gruppe ging ein Raunen und viele wichen vor mir zurück.

"Ich frage noch einmal: Was sagt dir, dass mein Leben perfekt ist?"

Mit meiner scharfen Stimme hätte man Glas schneiden können und ich beobachtete mit Genugtuung wie einige erschrocken zusammen zuckten.

Dieses Mal erwiderte das Mädchen nichts, sondern starrte nur entsetzt auf meinen Oberkörper.

Ich drehte mich um und verschwand hinter das Schulgebäude. Ich musste mich wieder abreagieren, sonst würde das hier unschön enden.

Doch wie konnte sich diese Schlampe erlauben sich eine Meinung von meinem Leben zu bilden?
Sie hatte keine Ahnung!

Ich stürmte eine schmale Feuerleiter hoch auf das Flachdach des Schulgebäudes.

Die eine Seite des Gebäudes lag nahe eines Waldes, also setzte ich mich an den Rand des Daches und ließ meine Beine über den Abgrund baumeln.

Der frische Geruch nach Wald befreite mich ein wenig von den unterschiedlichen Gefühlen.

Ich genoss die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut und das zarte Zwitschern der Vögel.

Zuerst hörte ich seine Schritte auf der Feuerleiter, bevor ich ihn sah.

"Geht es dir gut", fragte er mich besorgt.

Als Antwort nickte ich nur und ließ meinen Blick wieder in die Ferne schweifen.

Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass er sich neben mich setzte und mir immer wieder unsichere Blicke zuwarf.

Es klingelte wieder zum Stundenbeginn, doch weder er noch ich machten Anstalten aufzustehen.

"Willst du mir erzählen was geschehen ist", fragte er zögerlich nach.

Ich atmete tief durch. Jetzt war der perfekte Zeitpunkt um ihm davon zu erzählen, denn er war mein Mate und er verdiente die Wahrheit.

"Mein Nachname ist Bluero", versuchte ich ruhig zu beginnen.

"Ich war die Tochter des Alphas. Eines Tages kam ein anderer Alpha, namens Alexander Reacher und entführte mich um Informationen über mein Rudel herauszubekommen.

Daher stammen auch die Narben.
Als er schließlich mich gegen meine Mutter tauschen wollte, hielt mein Vater es nicht mehr aus und ein Kampf entstand.

Dabei starb mein gesamtes Rudel und ich bin nun die Einzige, die diese Informationen noch besitzt."

Zwar verschwieg ich den Teil mit meiner Gabe, aber ich fühlte mich noch nicht bereit ihm von diesen Bereich meines Lebens zu erzählen.

"Das heißt du bist die letzte Überlebende des Bluero-Rudels?"

"Ja."

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Nathan: "Die sind alle bekloppt!"
Tiara: "Ich mag Bekloppte, sie erinnern mich immer an dich."

Endlich hat sie es ihm gesagt!

Liona

Die Rache der einsamen WölfinWhere stories live. Discover now