Kapitel 21

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Nathan Roawe

Ich wachte mit dröhnenden Kopfschmerzen auf.
Wie lange war ich weg?

Ich richtete mich auf und wartete auf den Schwindel, doch er blieb weg. Auch der Schüttelfrost war fort und ich schwitzte nicht mehr.

Ein Arzt betrat meinen Raum: "Schön das sie wach sind! Das Gegenmittel hat wie gewünscht gewirkt und sie sollten sich in einigen Tagen wieder vollkommen gesund fühlen."

Hatte mein Vater doch dem Tausch zugestimmt?

"Wer hat das Gegenmittel gebracht", fragte ich irritiert.

"Ein Mann im Auftrag von Tony Blake", sagte der Arzt und erschauerte bei Tonys Namen.

Tony hatte mich also gerettet, doch wie war er an das Gegenmittel gekommen?

Ich wechselte das Thema: "War ein junges Mädchen zu Besuch?"

Der Arzt schüttelte den Kopf und erklärte mir, ich müsse noch einen Tag auf dem Gelände des Krankenhauses bleiben, dürfe aber mein Zimmer verlassen.

Ich stand aus dem Bett auf und streifte mir meine schwarze Jeansjacke über das weiße Krankenhausoberteil.

Dann verließ ich das Krankenhaus durch den Hintereingang um an die frische Luft zu gelangen.

Tiara hatte mich nicht besucht. Sie hatte definitiv gewusst, dass ich krank war. Sie wusste das ich sterben würde und wollte nicht einmal nach mir sehen.

Enttäuscht und verletzt machte ich mich auf den Weg um das Krankenhaus herum.

War ich ihr wirklich so wenig wert? War es ihr egal ob ich starb oder nicht?

Eigentlich sollte ich ihr alleine wegen der Mate-Verbindung wichtig sein, doch irgendetwas war anscheinend schiefgelaufen.

Sie interessierte sich nicht für mich und das verletzte mich zu tiefst.

Plötzlich fiel mir in dem Gebüsch am Rande des Krankenhauses etwas auf.
Mehrere Joints lagen auf dem Boden und anscheinend eine ziemlich teure Marke.

Es war die Marke die Tiara immer benutzte. Ich sah mich um und warf einen Blick durch das Fenster. Drinnen erkannte ich mein Zimmer.

Ungläubig sah ich auf die vielen Joints herunter. Es waren bestimmt fünfzig Stück oder so, also wie lange hatte sie hier gestanden und mich beobachtet.

Ein warmes Kribbeln durchlief meinen Körper, als ich daran dachte, dass sie die ganze Zeit über mich gewacht hatte.

Zufrieden machte ich mich auf den Weg zurück zu meinem Zimmer. Sie war da gewesen. Ich war ihr wichtig und das war alles, was zählte.

Am nächsten Morgen wurde ich früh entlassen und machte mich auf den Weg zu Tony um mich zu bedanken.

Vor Tonys Anwesen wurde ich sofort durchgewunken und betrat den Flur des Hauses.

Aus einem Arbeitszimmer drang lauter Lärm und das zersplittern von Holz.

Unschlüssig betrat ich den Raum und sah mich um. Der Schreibtisch lag zersplittert in allen Einzelteilen auf dem Boden. Ordner wurden aus den Regalen Gerissen und tiefe Löcher zierten die Wände.

In der Mitte des Raumes stand Tony mit schmerzverzerrter Miene.

"Hey, alles gut", fragte ich vorsichtig.

"Nichts ist gut", knurrte Tony.

"Ich wollte mich bei dir bedanken-", weiter kam ich nicht.

"Nimm den hier und verschwinde", brüllte Tony und warf mir einen kleinen Speicherstick zu.

Ich fing ihn auf und verließ eilig da Gebäude. Was hatte ich getan um ihn zu verärgern?

Zuhause rannte ich in mein Zimmer ohne meine Eltern zu beachten.
Ich fuhr meinen alten Computer hoch und schloss den Speicherstick an.

Mit einem unguten Gefühl öffnete ich die einzige Datei, die sich auf den Speicherstick befand.

Ein Video startete.

Tiara stand vor einer Halle mit fahlen Metallwänden und ging an ihr Telefon. Ihre Lippen bewegten sich, aber ich konnte nichts hören.

Ich betätigte den Lautstärkeregler. Tonys Stimme ertönte leise und blechern: "Du wirst sterben!"

Tiaras Miene wirkte immer noch entschlossen: "Damit Nathan leben kann. Ja, das ist der Plan."

Tony versuchte ihr noch zu widersprechen: "Tu das ni-"

Tiara steckte ihr Handy weg und ein grausames Lächeln spiegelte sich auf ihrem Gesicht.

Die Kameraansicht wechselte und nun sah man das Innere einer Halle. Die Tür öffnete sich und Tiara betrat den Raum: "Ihr hättet meinen Mate nicht vergiften sollen."

Der Erste des Titan-Rudels griff sie an, doch sie kämpfte gut. Immer mehr Gegner fielen zu Boden, bis sie schließlich den Raum verließ.

Kurze Zeit blieb alles still, doch einige andere Werwölfe kamen in den Raum und sammelten sich um ihre toten Rudelmitglieder.

Tiara betrat wieder den Raum und stürzte sich auf ihren ersten Gegner. In ihrem Maul glitzerte eine kleine Phiole mit einer gelblichen Flüssigkeit. Das Gegengift.

Der Kampf war blutig und grausam.
Viele Wölfe starben mit schmerzhaften Verletzungen, aber auch Tiara wurde oft verwundet.

Der letzte Wolf stieß ihr seine Krallen tief in die Brust, bevor sie in tötete. Ein siegreiche Heulen erfüllte die Lautsprecher.

Die Türen wurden aufgerissen und ein kleiner Werwolf kam herein. Tiara wies den Wolf an, mir das Gegenmittel zu geben.

Sobald er verschwunden war fiel sie auf die Knie. Mit einem wehmütigen Blick flüsterte sie: "Ich liebe dich, Nathan."

Dann schloss sie ihre Augen und ihr Kopf fiel zur Seite.

Tränen liefen meine Wangen hinunter und tropften auf die Tastatur.

Sie war tot.
Meine Mate war tot.

Ich suchte in meinem Inneren nach der Wärme unserer Mate-Verbindung, doch da war nichts. Nur stille Leere befand sich in meinem Inneren.

Ich starrte auf den Bildschirm, der nun schwarz geworden war. Sie war gestorben. Für mich hatte sie den Tod in Kauf genommen und ich hatte mich gefragt, ob ich ihr egal war.

Ein herzzerreißender Schrei zerriss die Stille und es dauerte einige Minuten, bis ich begriff, dass er von mir stammte.

Deswegen war Tony so wütend. Meine Hand ballte sich zu Faust und ich schlug auf den Schreibtisch.

Ich hoffte, dass der Schmerz meinen Verlust übertönen wurde, doch das tat er nicht.

Meine Tür wurde aufgerissen und meine Mutter stürmte herein: "Nathan was ist geschehen."

Tränen liefen mir über die Wangen. Und ein unkontrollierbares Schluchzen bahnte sich den Weg aus meinem Inneren.

"Soll ich deine Mate anrufen", fragte sie, doch das verschlimmerte meine Laune nur.

"Nathan, ich weiß das ihr euch gestritten habt, aber ihr werdet euch vertragen. Ihr seid Mates, füreinander geschaffene Mates. Sie wird das bald einsehen und zu dir zurückkommen."

Wütend funkelte ich sie an: "Mum, du verstehst nicht. Sie ist tot. Wegen mir."

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Nathan: "Natürlich spreche ich mit mir selbst. Ich brauche doch kompetente Beratung."

Ups, da hat seine Mom ihn ziemlich wütend gemacht. Hoffentlich erholt er sich von seinem Schock.

Liona

Die Rache der einsamen WölfinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt