Kapitel 17

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Nathan Roawe

Diese Offenbarung hatte mich echt überrascht und ich war froh, dass sie sich mir geöffnet hatte, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mir mit Absicht etwas verschwieg.

Dieses Gefühl ließ auch den Rest des Tages nicht nach und ließ mich in der Nacht unruhig an die Decke starren.

Warum verheimlichte sie mir etwas? Und warum hatte sie sich mit dem Mörder ihrer Familie, Alexander Reacher getroffen?

Am nächsten Morgen wachte ich vollkommen übermüdet auf. Ich setzte mich in meinen Bett auf und mir wurde sofort schwindelig.

Mühsam ließ ich mich wieder in die Kissen fallen und zählte die Flecken an der Decke, bis meine Mutter den Raum betrat:

"Nathan, du siehst ja ganz blass aus. Geht es dir nicht gut?"

In meinen Gedanken baute sich ein Plan zusammen. Wenn sie es mir nicht sagen konnte, würde ich es eben selber herausfinden.

Ich konnte mir nicht leisten, dass so etwas zwischen uns stand.

"Ja, ich habe ein wenig Kopfschmerzen", antwortete ich und versuchte möglichst kränklich zu klingen.

Kopfschmerzen hatte ich tatsächlich, aber nur so leicht, dass ich locker zur Schule gehen konnte.

"In Ordnung, ich melde dich von den Schule ab", sagte meine Mom und verließ mein Zimmer.

Darauf hatte ich gewartet. Ich lief zu meinem Kleiderschrank und schlüpfte in eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt, dann öffnete ich mein Fenster und sprang in den Garten.

Dank meiner Werwolf-Gene hatte ich dabei noch nicht einmal Schmerzen.

Damit meine Eltern kein fehlendes Fahrzeug bemerkten trug ich mein Longboard aus dem Gartenschuppen und machte mich mit ihm auf den Weg zu Tiaras Haus.

Durch ein geöffnetes Küchenfenster kletterte ich in das Haus meiner Mate. Sorgfältig lauschte ich, doch konnte nichts außer den leisen Geräuschen einer Waschmaschine hören.

Nach kurzer Zeit fand ich einen Schrank mit Ordnern. Hier konnte ich Tiaras Geheimnis vielleicht herausfinden.

Ich zog einen schlichten schwarzen Ordner aus dem Schrank und blätterte durch die verschiedenen Rechnungen, jedoch erschien mir keine von ihnen verdächtig.

Also zog ich als nächstes einen schmalen Hefter mit einer goldenen Gravur aus dem Schrank.

Darin befanden sich einige verblichene Fotos. Auf den Rückseiten standen verschiedene Daten in Alpha Blakes Handschrift.

Fasziniert musterte ich ein Foto, dass eine junge Tiara abbildete, die begeistert in einem Sandkasten spielte.

Auf dem nächsten Bild erkannte ich Tiara und eine junge Frau die wahrscheinlich ihre Mutter war.
Die saßen im Graß einer Wiese und spielten zusammen ein Brettspiel.

Ich wollte den Hefter gerade wieder zurückstellen, als die Haustür aufgerissen wurde.

Tiara stand im Hauseingang und durchsuchte die Wohnung mit ihrem Blick, bis er an mir hängen blieb.

Wie erstarrt hatte ich in der Bewegung innegehalten und setzte zu einer Erklärung an: "Ich wollte nur-"

"Du wolltest was? In den Unterlagen deiner Mate herumstöbern", unterbrach sie mich wütend.

"Ich kann nicht zulassen, dass deine Geheimnisse uns auseinanderbringen", erwiderte ich in demselben Tonfall.

Sie verzog abfällig das Gesicht: "Das einzige, dass uns auseinander bringt ist, dass du deine Nase in Dinge hereinsteckst, die dich nichts angehen."

Wütend schnaubte ich: "Warum geht es mich nichts an? Du bist meine Mate. Natürlich gehen mich deine Geheimnisse etwas an, wenn sie dich bedrohen."

"Meine Geheimnisse bedrohen mich nicht", schimpfte sie.

"Ach ja? Wie zum Beispiel das Geheimnis, dass du dich mit dem Mörder deiner Familie getroffen hast?"

Erst als die Worte meinen Mund verlassen hatten bemerkte ich meinen Fehler. Entsetzt weiteten sich meine Augen.

Für einen Moment ließ sie die Maske aus Gleichgültigkeit und Kälte fallen, doch ich wünschte, sie hätte es nicht getan. In ihrer Miene spiegelte sich Schmerz, Trauer und Wut wieder. Doch am Schlimmsten traf mich der Ausdruck von Verrat.

Sie fühlte sich verraten. Von mir. Ihrem Mate.

Geschockt taumelte sie zurück und keuchte auf: "Du hast gelauscht?"

Ich versuchte mich zu erklären: "Tiara, es ist nicht so wie-"

Sie unterbrach mich mit einem Schluchzen: "Du hast mir nachspioniert und durchwühlst meine Sachen. Vertraust du mir wirklich so wenig?
Warum verstehst du denn nicht, dass ich nicht bereit war es dir zu erzählen?"

Sie drehte sich um und rannte aus der geöffneten Tür. Und ich stand hier wie ein Vollidiot in ihrem Haus, statt ihr zu folgen.

Schnell rannte ich ebenfalls aus dem Haus und versuchte ihre Fährte aufzunehmen, doch der Wind hatte ihren Duft bereits davon geweht.

Frustriert nahm ich mein Longboard und machte mich auf den Weg nach Hause.

Ich versuchte mich zu beruhigen, doch meine Gedanken wanderten immer wieder zu Tiara.
Was hatte ich nur getan?

Dieser schmerzverzerrte Ausdruck auf ihrem Gesicht verfolgte mich.
Und jedes Mal, wenn ich ihn sah spürte ich, wie sich mein Herz zusammenzog.

Mit tiefen Atemzügen sog ich den Geruch des Waldes in mich auf.

Ich spürte wie der Schmerz in meinem Kopf zunahm und mir wieder schwindelig wurde.

Meine Beine begannen unkontrolliert zu zittern und meine Haut brannte an gesamten Körper.

Immer wieder wurde mir abwechselnd heiß und kalt, während sich ein Schweißfilm auf meiner Haut bildete.

Meine Knie gaben unter mir nach und ich fiel auf den harten Asphalt der einsamen Straße.

Immer wieder wurde ich von Krämpfen geschüttelt und konnte nur unscharf durch meine verschwommene Sicht erkennen, dass ein Wagen vor mir hielt.

Ich erkannte das Gesicht meines Vaters, der auf mich ein sprach. Dann spürte ich eine Berührung an meiner Stirn, bevor ich in tiefe Schwärze sank.

Als ich das nächste Mal aufwachte, lag ich in einem Krankenbett in einem leeren Krankenhauszimmer.

Mein ganzer Körper zitterte immer noch und mir war gleichzeitig heiß und kalt. Auch die dröhnenden Kopfschmerzen waren geblieben.

Meine Mutter stürmte in mein Zimmer: "Nathan, geht es dir gut?"

"Das fragst du mich jetzt nicht ernsthaft, oder", fragte ich skeptisch.

Bevor sie weiter auf mich einreden konnte, stellte ich die Frage, sie im Moment am wichtigsten war:
"Was ist mit mir geschehen?"

Die Miene meiner Mutter verfinsterte sich: "Du wurdest vom Titan-Rudel vergiftet. Sie bieten deinem Vater an, das Gegenmittel auszuhändigen. Im Gegenzug wollen sie die Kapitulation."

Ich senkte meinen Blick. Wir wussten beide, dass mein Vater niemals aufgeben würde, egal was auf dem Spiel stand.

Also hoffte ich eine andere Möglichkeit zu finden: "Hat das Krankenhaus kein Gegenmittel?"

Sie seufzte niedergeschlagen. Das war kein gutes Zeichen: "Nein, da wir nicht die genaue Dosierung kennen, können wir nichts machen."

Ich würde also sterben. Und dann auch noch an einem verdammten Gift.

"Wie lange habe ich noch", fragte ich traurig.

"Nicht mehr als drei Tage."

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Nathan: "Formuliere deine Kritik positiver."
Tiara: "Einer von uns beiden ist klüger als du."

Die Lage wird immer brenzliger! Gefällt es euch weiterhin oder habt ihr Verbesserungsvorschläge?

Liona

Die Rache der einsamen WölfinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt