Kapitel 4

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Eomér stieg auf sein Pferd, ohne mir vorher aufzuhelfen. Ein echter Rüpel. Ungelenkig mühte ich mich ab, auf mein Pferd zu kommen. Trotz meiner langen Beine war ich nicht beweglich und mit diesem elend langen Kleid wurde es nicht einfacher, doch irgendwie schaffte ich es.

Da mein Begleiter schon vorritt, wollte ich ihn einholen, doch Edda hielt mich auf.

„Lynea, vergiss nicht deine Pflichten als Heilerin! Ab morgen erwarte ich wieder deine volle Aufmerksamkeit! Eomér lenkte dich extrem ab. Ich war auch mal jung und weiß wie das ist, doch du hast eine Verpflichtung und Aufgaben.... Denk daran, ihm heute die Fäden zu ziehen!" Trotz der mahnenden Worte schmunzelte die Heilerin am Ende.

Sie überreichte mir die entsprechenden Materialien und machte dann erst den Weg frei. Dankbar lächelnd verabschiedete ich mich von meiner Ausbilderin und spornte mein Pferd an. Netterweise wartete Eomér am Tor. „Komm schon Lynea – wir haben noch was vor." Sobald wir die Stadtmauer hinter uns ließen, kamen unsere Albereien in Schwung und unsere Pferde in die Gänge.

Rohan war ein Land mit weiten Ebenen, so weit das Auge reichte – aber nicht alles war karg oder aus Fels. Es gab auch Wälder mit Flüssen und hinter jedem Hügel könnte sich ein tiefer, sauberer See verbergen. An eben so einem See richteten wir uns ein gemütliches Lager her.

Mein Magen knurrte, doch um nicht gierig zu wirken, hielt ich mich zurück und drängte nicht. Eomér breitete eine Decke aus und darüber ein weiches Fell. Sofort ließ ich mich darauf fallen – mein Begleiter folgte mir, nachdem er sein Hemd auszog. „Ich kann es kaum erwarten, die Fäden loszuwerden.

Wenigstens einer hat meine Funktion als Heilerin am heutigen Abend nicht vergessen. Vorsichtig strich ich über die frische Narbe.

„Du hast ganze Arbeit geleistet! Nicht schlecht für eine Fräulein Gräfin." scherzte er. Nur zu gerne machte er sich über meinen Titel lustig. „Du bist ja nur neidisch." antwortete ich oft. So auch heute. Und es ging los... die Witze und Sticheleien nahmen ihren Lauf.

„Pass bloß auf ... wer weiß, wie oft ich dich noch zusammenflicken muss." drohte ich im Spaß.

Fordernd hielt mein Patient mir den Arm hin. „Erlöst du mich endlich?"

Zielstrebig griff ich nach meinen Instrumenten und setzte mich dicht an ihm in Position. Eomér wirkte ein wenig angespannt. Mein Magen knurrte sehr laut. „Halt!" befahl der junge Mann mir.

„Mit leeren Magen sollte man nicht kämpfen und Patienten behandeln! Alte Eorlinga Weisheit." Er erhob sich, um unser Essen zu holen, was er sorgfältig verpackt in der Satteltasche lagerte. Er reichte mir ein Packet. Gierig nahm ich ihn das ab und wickelte mein Essen aus.

„Dem ist nichts entgegenzusetzen." kommentierte ich bewusst mampfend – was sich definitiv nicht für eine Hochgeborene ziemte. Der junge Mann lachte – so sehr, dass er um Luft rang.

Sein muskulöser Oberkörper bebte und er krümmte sich vor Lachen. Es steckte mich regelrecht an. Bemüht, nicht an meinem Essen zu ersticken, schluckte ich es hinunter und konnte mitlachen. Wie gerne würde ich diesen Moment festhalten. Eomér wird nicht mehr so viel Zeit mit mir verbringen, wenn er sein Training wieder aufnimmt. Mein Blick hielt ihn fest - diesen Moment, so besonders und selten, würde er mir vielleicht mal durch schwierige Zeiten helfen ... .

„Was?" fragte mich mein Begleiter heiter.

„Ich präge mir das ein. Genau das! Dein Lachen ... Deine Freundschaft ... einfach alles." antwortete ich schmunzelnd.

Der junge Mann rückte näher zu mir und schaute tief in meine Augen.

„Du wirst solche Ausflüge mit mir noch oft erleben, wenn du das möchtest." sein Gesicht war mir sehr nah.

„Nichts sehnlicher als das." mit einem Lächeln besiegelte ich meine Worte.

Unschlüssig verharrte mein Begleiter in der Position. In Gedanken hoffte ich, dass er mich küssen würde. Oder sollte ich ihn küssen? Warum eigentlich nicht? Warum darauf warten, bis sich der sehnlichste Wunsch erfüllen würde?

Noch bevor ich meinen Gedanken zu Ende führte, entfernte sich Eomér mit gesenkten Blick. Peinliches Schweigen hüllte die Luft. Er saß immer noch nah bei mir, meinen Augenkontakt meidend. Behutsam fuhr ich mit den Fingern über seine verheilte Wunde. Er schaute ebenfalls auf die Narbe.

„Du hast gute Arbeit geleistet. Ich mag diese Narbe ... Sie erinnert mich immer an die beste Zeit, die ich hatte... Sie erinnert mich immer an dich!" Er sagte das so liebevoll und berührte mein Herz.

Meine Mundwinkel konnten sich einfach nicht mehr entspannen vor glückseligen Grinsen. Seine Hand legte sich unter meinem Kinn und hob meinen Kopf ein wenig hoch. Er sah genauso aus wie ich vermutlich – verliebt.

Nun endlich legte er seine Lippen auf meine. Etwas überrascht sog ich die Luft ein, was mich aber nicht daran hinderte, den ersten Kuss in meinem Leben vollends zu genießen. Lange tanzten unsere Zungen ein feuriges Spiel.

Sein Gesicht entfernte sich von meinem. „Es tut mir leid, wenn ich dich überrumpelt habe! Verzeih, das war ..."

Bevor er seinen Satz zu Ende sprach, unterbrach ich ihn.

„Das war wundervoll Eomér! Es gibt nichts zu verzeihen!"

Der Blick des jungen Krieger veränderte sich. Es war etwas unheimlich, ebenso wie der Kuss, der folgte. Als wolle er mich verschlingen, wurde es wilder, hemmungsloser, ungezügelter. Ich fühlte mich überrumpelt und brach die ungewollte Innigkeit ab.

„Eomér – stopp! Das geht mir zu schnell! Ich ...."

Enttäuscht ließ er von mir ab und entfernte sich.

Seine Gedanken rasten, das konnte ich sehen. Versucht ihn zu beruhigen, legte ich meine Hand erneut auf seinen Arm. Prompt zog er ihn weg.

„Nein! Mein Verhalten war schändlich und unverzeihlich! Ich werde gehen und dich nicht mehr mit meiner Anwesenheit belästigen!"

Schnell zog er sein Hemd an und wollte zum Pferd eilen!

„Eomér! Bleib stehen! Das sehe ich ganz anders! Würdest du mir bitte zuhören!"

Zerknirscht blieb er stehen und tat, was ich von ihm verlangte. Langsam ging ich auf ihn zu, stellte mich ihm gegenüber und legte meine Hand auf seine Wange. Unwirsch schob er sie weg und schaute mich nur abwartend mit einem harten Blick an.

„Eomér, ich ...." kurz verließ mich der Mut und ich geriet ins Stottern.

„Es tut mir leid Lynea ... ich bin nicht gut genug für dich! Ich empfinde nicht das gleiche für dich, wie du für mich!"

Mit diesen Worten stieg er in den Sattel und galoppierte davon.  

Jugendliebe vergeht nicht (Eomér FF)Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ