Kapitel 23

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„Ich komme gleich." verkündete mein Liebster.

„Schau mich an." bat er mich leise und drehte mein Gesicht zu sich.

„Ich liebe dich und unser Kind! Ich werde alles darum geben, zu dir zurückzukommen und dich nach Edoras wieder mitzunehmen! Darf ich dich um etwas bitten?"

„Natürlich!"

„Wenn es ein Junge wird ... gib ihm den Namen Edmund und wenn es ein Mädchen wird: Melian. Bist du damit einverstanden?"

„Dein Wunsch wird erfüllt! Du hast dir Gedanken gemacht und wunderschöne Namen rausgesucht. Ich bin verzückt Eomér und wünschte es wären Zwillinge, damit beide Namen einen würdigen Träger bekommen." verzückt lächelte ich ihn an. Mir war zwar nicht nach Lachen zu Mute, doch ich musste alles in meiner Macht stehende tun, um ihn aufzuheitern. Eomér musste davon überzeugt sein, dass es mir gut ging ... ich stark wäre, obwohl ich schwach und so zerbrechlich war, wie noch nie in meinem Leben. Der Hauptmann zog in den Krieg und brauchte keine weinerliche Frau, die ihm Kummer und Sorgen bereitete. Zumindest das hatte ich hier in der weißen Stadt von Denethor gelernt.

Minas Thirith war wie ausgestorben. Die Straßen, sonst gefüllt mit munteren und heiteren Treiben – jetzt einem Friedhof gleich. Vor drei Tagen verabschiedete ich meinen Liebsten, vor vier Tagen meinen Ehemann. Wenn auch Boromir und mich keine Liebe verband, so doch eine tiefsitzende Freundschaft und er würde mir wahnsinnig fehlen, wäre er nicht mehr in meinem Leben. Diese Einsicht kam allerdings erst nach seinem Fortgang. Zwar ein Fortgang mit meinen allerbesten Wünschen und der Bitte er möge zurückkehren, doch hätte ich noch mehr Worte finden können, die meinen Dank ausgedrückt hätten und meine Wertschätzung für ihn.

Hoffentlich war die Chance nicht vertan. Bei Eomér's Abschied ging es mir noch elendiger als ohnehin schon. Die Schwangerschaft machte mir zu schaffen, als teilte das Kind den Kummer mit mir, sich vom Vater zu verabschieden.

Seine Wärme spürte ich von Tag zu Tag weniger, einzig seine liebvollen Abschiedsworte verblassten nicht.

Mein Blick hing oft gen Osten, wo Rauschwaden über Osgiliath standen. Rioa trauerte um ihre Heimat und Gemeinschaft. Viele ließen ihr Leben und nichts würde mehr so sein, wie es mal war – schon allein diese Tatsache reichte aus, um den Mut und das Durchhaltevermögen schrumpfen zu lassen.

Meine Freundin wich mir nicht mehr von der Seite, so hatte ich zumindest etwas Gesellschaft und wir konnten uns gegenseitig stärken.

Die Launen des Truchsesses waren unerträglich. Es verging kein Tag, wo er nicht über Faramir wetterte und ihm die ganze Schuld des Angriffs auflud. Ich hatte es aufgegeben, ihn zu besänftigen. Er war kein schlechter Mensch, allerdings schlecht zu sprechen auf seinen Zweitgeborenen und einfach verdammt stur.

Doch an diesem Tag war etwas anders. Berits vor den Toren bemerkten wir Unruhen. Stallburschen flitzen umher und machten Pferde fertig. Beim Betreten der Hallen sah man sogleich einen Truchsess, der sich in seiner etwas zu eng geratenen Rüstung stecken oder besser stopfen ließ.

Der Truchsess verlangte von mir, mich in meine schönsten Kleider zu schmeißen und mich ihm anzuschließen. Zu meinem Erstaunen ritten wir gen Osgiliath, oder von dem, was noch übrig war.

Die Pferde stiegen über einige tote Körper, sowohl der Soldaten als auch der Feinde. Mit klopfenden Herzen hoffte ich, nicht Boromir's Leib leblos am Boden zu finden. Lautes Grölen war zu vernehmen. Der Sieg wurde ausgiebig gefeiert. „Ein Hoch auf unseren Heermeister Boromir!"

Erleichtert atmete ich aus, als ich seine Stimme vernahm. Der Truchsess lächelte breit, wie ein Honigkuchenpferd. „Dein Mann ist ein wahrer Held." Sprach er zu mir.

An einer Traube von Männern angekommen, machte man mir den Weg frei und Faramir selbst half mir vom Pferd. Direkt dahinter kam sein Bruder stolz angeschritten. Boromir nahm meine Hand und führte mich zu der Truppe jubelnder Soldaten. „Männer! Das ist es, wofür wir kämpfen! Für unser Land, unsere Frauen und unsere Kinder!" demonstrativ legte er eine Hand auf meinen schwangeren Bauch. Vermutlich vom Jubel verleitet zog er mich in seine Arme und küsste mich leidenschaftlich. Etwas überrascht, ließ ich das geschehen – ich hatte keine andere Wahl. Es war tatsächlich ein schöner Kuss, kein ekliger Schmatzer, sondern ein liebevoller Kuss.

Als würde Boromir erst jetzt bewusst, was er tat, sah er mich erschrocken mit großen Augen an. „Verzeih!" flüsterte er. Beschwichtigend legte ich eine Hand auf seine Wange. „Schon gut! Ich bin nur froh, dass du wohl auf bist."

Erleichtert legte er seine Stirn an meine. „Es ist noch nicht vorbei.... Es hat erst begonnen."

„Boromir! Mein Goldjunge! Komm zu deinem Vater!" rief der Truchsess freudig in die Menge und winkte den Heeresführer zu sich.

Folgsam tat er, was sein Vater wünschte. Auch Faramir gesellte sich zu den beiden. Es brach eine Diskussion aus, die mit fuchtelnden Armen in meine Richtung bekräftigt wurde, sowohl von Faramir als auch Boromir. Da es scheinbar um mich ging, stellte ich mich dieser ausgewählten Runde hinzu.

„Was ist denn los?"

„Denethor schickt jemanden nach Bruchthal. Eine Versammlung aus allen Völkern Mittelerdes soll sich dort einfinden. Wir besprechen gerade, ob Boromir dorthin sollte oder er lieber bei seiner schwangeren Frau bleibt und man mich an seiner statt hinschickt... ." Faramir's gekränkter Unterton ließ vermuten, wie verletzte er war, dass sein Vater ihn in keinster Weise in Betracht zog.

Boromir sollte wirklich gehen... fort von mir, fort von Gondor. Es wäre nicht das erste Mal, dass er auf eine Mission geschickt wurde, doch das erste Mal, dass mich ein ungutes Gefühl beschlich.

„Geh nicht!" flehte ich leise, nur für ihn hörbar.

Sein verwunderter Gesichtsausdruck änderte sich zu Zuversicht. „Was wäre ich für ein Mann, wenn ich nicht alles tun würde, um meine Familie zu beschützen?! Ich gebe dir kein versprechen, was ich nicht halten kann. Doch ich gehe nicht ohne dir zu danken! Die Ehejahre mit dir waren wundervoll. Du warst meine beste Freundin und engste Vertraute. Dank dir bin ich der, der ich heute bin und dank dir hat meine ... unsere Tochter Erania eine wundervolle Mutter. Ich hoffe eines Tages wiederzukehren und mich für deine Güte zu revanchieren."

Seine Augen wurden wässrig, während mir in Sturzbächen die Tränen über die Wange liefen.

Es war vielleicht die letzte Gelegenheit ... : „Mein lieber Mann – ich flehe dich an, komm wieder zu deiner Tochter und zu mir! Ich kann und will mir eine Welt ohne dich nicht vorstellen. Wir brauchen dich – Boromir! Deine Worte klingen nach Abschied und ich habe dir noch so viel zu sagen, doch fürchte ich mich, dass es dann ein endgültiger Abschied ist. Ich habe dich lieb mein Freund!"

Von den Gefühlen geleitet, war ich es dieses Mal, die ihn sanft küsste und er derjenige, der es geschehen lässt.

„Ich habe dich auch lieb!"

Nur einen Wimpernschlag später saß er stolz und aufrecht mit einem zuversichtlichen Grinsen auf seinem Pferd. Ein letzter tiefer Blick in die Augen, ehe er in einer Staubwolke verschwand. 

Jugendliebe vergeht nicht (Eomér FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt