Kapitel 24

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Der Kloß in meinem Hals wollte nicht kleiner werden, auch nach Tagen nicht. Ich arbeitete unermüdlich, um mich von meinen eigenen, sorgenvollen Gedanken abzulenken. Im Haus der Heilung gab es viel zu tun – Vorräte mussten angeschafft werden. Denn auch wenn keiner so recht wusste, was auf uns zukommt – so wussten wir, es würde Krieg geben.

Rioa zog bei mir ein, kümmerte sich mit um Erania und mich. Viel zu oft verausgabte ich mich bis zur absoluten Erschöpfung.

„Lynea, du brauchst mehr Ruhe!" mahnte sich mich immer wieder auf meinen stetig wachsenden Bauch deutend.

Immer mehr wurden über Unruhen und Überfälle in ganz Mittelerde berichtet. Die Unwissenheit plagte mich und so entschloss ich den Truchsess zur Rede zu stellen. Er musste mehr wissen als das allgemeine Volk. Die Gerüchte über ein Schmuckstück, was unheimlich viel Macht besaß, konnten nicht stimmen.

Denethor belehrte mich eines Besseren. Es ging um einen einzigen Ring, der so viel Macht besaß, dass er über Sieg und Niederlage entscheiden würde, wenn man ihn benutzte. Er beauftragte Boromir, eben dieses Artefakt aus alten Zeiten, nach Hause zu bringen. Er wollte, dass Gondor in Besitz dieser eigenartigen Waffe ist und somit das mächtigste Land in ganz Mittelerde sein würde.

Was für ein törichtes Unterfangen. „Ihr seid nicht in der Lage, mit so viel Macht umzugehen! Boromir wird das Richtige tun, da bin ich mir sicher. Deshalb wird der Ring niemals an deinem Finger stecken – Schwiegervater."

Mein loses Mundwerk handelte mir allerlei Ärger ein. Zornig über meine Worte, ließ er mich aus der Königshalle entfernen und ordnete die Wachen an, mich dort nicht mehr hineinzulassen. Erst mit meinem Kind auf dem Arm dürfte ich wieder, reumütig verständlich, unter seine Augen treten. Von da an war Faramir meine einzige zuverlässige Informationsquelle. Er erhielt nach einigen Wochen Kunde aus Bruchthal von einem Raben, den Boromir schickte.

'Der Ring soll zerstört werden. ' lautete es. Aber mein Mann war nicht gänzlich von diesem Beschluss überzeugt. Er schilderte von einer Gemeinschaft aus vier Hobbits, wovon einer als Ringträger auserkoren wurde, einen Zwerg, der sich ständig mit dem Elb stritt und einen weiteren Menschen -Aragorn. Bei diesem Namen starten Faramir und ich uns an. Waren die Gerüchte wahr und der rechtmäßige Thronfolger Gondors tauchte auf?

In den nächsten Zeilen bestätigte Boromir den Verdacht, dass es genau dieser Mann sei. Gleichzeitig ließ er seinen Unmut über ihn aus. Würde der verschollene Thronfolger als König hervorgehen, so hätte zwar Boromir als Nachfolger seines Vaters den Titel Truchsess, doch keinerlei Herrschaftsrecht über das Land, dass er so sehr liebte. Natürlich war das ein herber Schlag und stimmte ihn skeptisch und argwöhnisch. Jemand, der sich vor seinen Pflichten Jahrzehntelang gedrückt hatte, sollte nun ihm den Platz streitig machen.

Boromir's Brief endete damit, dass er versicherte alles im Sinne Gondor's zu tun. Was auch immer das bedeuten sollte.

Er ließ noch Grüße an mich ausrichten und wünschte mir Glück für die Geburt unseres vermeintlichen Kindes.

Einige Wochen später war es auch so weit. Das Kind wollte fast vier Wochen zu früh kommen. War das meine Schuld, weil ich mich nicht genug schonte? Schoss es mir immer wieder durch den Kopf.

Rioa blieb bei mir während heftige Wehen mich in die Knie zwangen. Ich lehnte alles ab, was mir geboten wurde. Kein Kraut, kein Trank, kein Heiler sollte mir zu nahe kommen. Selbst Rioa wurde von mir fortgeschickt. Sie sollte sich in der Zeit um Erania kümmern.

Meinem Körper wurde alles abverlangt und ich stand vor lauter Verzweiflung vor einem Zusammenbruch. Zwischenzeitlich glaubte ich, dass einer von uns beiden oder gar wir beide die Geburt nicht überstehen würden.

Dunkelheit herrschte über das ganze Land und mein Gemüt.

Faramir sah nach mir als erstes, nach seiner Ankunft aus Osgiliath, wo er die Feinde zurückdrängen sollte. Mein Anblick musste schaurig sein. Seit 4 Tagen lag ich in den Wehen und versuchte das Kind auf die Welt zu pressen. Auf dem kalten Steinboden kauernd, neben mir diverser Pfützen aus Urin, Blut und Erbrochenen, wusste ich nicht, woher ich die Kraft nehmen sollte, um die Geburt zu vollenden.

Er machte kurzen Prozess, hob mich auf seinen Arm und trug mich in die Hallen der Heilung.

„Ich habe meinen Bruder verloren, dich werde ich nicht auch noch verlieren!" murmelte er.

Das ließ mich wach werden und mit großen, ungläubigen Augen starrte ich ihn an. Er mied meinen Blick, doch seine Tränen der Trauer konnte er nicht verbergen.

Kraftlos murmelte ich immer wieder „Nein." , als könnte ich damit diese Tatsache ungeschehen machen.

Auf dem Weg zur Halle überquerte er den Hof mit dem weißen Baum. Lärm war aus der Ferne zu hören. Es klang fern, war aber doch so nah – dessen war ich mir bewusst. Was geschah alles in den letzte vier Tagen, seit ich mich von der Außenwelt abschottete?

Mein Bewusstsein trübte sich – alles wurde schwarz. Lediglich Stimmen machte ich aus, die mich verzweifelt baten, wach zu bleiben und zu pressen.

Was alle um mich herum nicht verstanden – ich konnte einfach nicht mehr. Die Option – aufgeben, schien so verlockend.

„Lynea!" rief eine kräftige, tiefe, mir unbekannte Stimme.

„Eomér lebt, er ist auf dem Weg zu dir!" sagte der Unbekannte so leise, dass vermutlich nur ich ihn verstand. Ein Lächeln zog sich auf meine spröden Lippen und meine schweren Lieder öffneten sich. Ein alter Mann mit weißem Bart blickte mich direkt an. Seine Eisblauen Augen sahen mich gütig an. Bestimmt legte er eine Hand auf meine Stirn. Gleißend weißes Licht durchflutete meine Körper und versorgte mich mit neuer Lebenskraft.

„Nun bringt euren Sohn auf die Welt." Befahl er sanft und zog sich zurück.

Glücklich über die Tatsache, dass mein Liebster noch lebte und ich einen Erben Rohans zur Welt bringen würde, presste ich ein letztes Mal und spürte, wie das kleine Geschöpf meinen Körper verließ.

Edmund war geboren und verkündete das über die Hallen der Heilung hinaus bis in den Thronsaal mit seinem kräftigen Geschrei.

Die Heilerinnen wickelten ihn in eine mir nur allzu bekannte Decke. Sie stammt aus Rohan und wurde dort von den Ammen genutzt, um die Neugeborenen einzuwickeln. Man bemerkte meinen Blick. „Ein Geschenk von Jolanda und Isolde." Teilte man mir freundlich mit.

Faramir saß neben mir, wie die ganze Zeit zuvor. Er wirkte trübselig und erfreut zugleich. Nachdem der Säugling seine erste Mahlzeit von mir bekam, kümmerte sich eine Amme um ihn, so dass ich gereinigt werden konnte. Gebadet in frischer Kleidung brachte man mich zum Truchsess. Wegen meines geschwächten Zustandes stütze mich der Bruder meines Mannes. „Lass mich dich tragen." Versuchte er mich zu überreden. „Lass mir meine Würde." Gab ich scherzhaft zurück. Milde lächelnd gab er nach.

„Erzähl es mir, bevor ich es von deinem Vater höre." Bat ich den jungen Krieger.

Stille. Es fiel ihm sehr schwer die Fassung zu bewahren.

„Man fand das zerborstene Horn von Boromir vor vier Tagen. Der Zauberer Gandalf und ein Hobbit tauchten hier auf, um uns vor dem bevorstehenden Krieg zu warnen. Der Hobbit – Pippin war dabei als Boromir starb. Er kämpfte alleine gegen dutzende Uruk-Hai um den Ringträger und die anderen beiden Hobbits zu schützen, was ihm durch sein Opfer gelang. Er starb als Held Lynea!"

Ich musste stehen bleiben. Meine Knie wurden weich und meine Sicht war von den zahlreichen Tränen verschleiert. Liebevoll nahm mich der neue Hauptmann in den Arm und tröstete mich, so wie ich ihn.

Jugendliebe vergeht nicht (Eomér FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt