Kapitel 12

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Gemeinsam – Arm in Arm schauten wir uns den Sonnenaufgang an. Seine Nähe war so wohltuend.

„Was ist damals passiert?" fragte ich mit trauriger Stimme. Alte Wunden wollte ich nicht aufreißen, doch die Gewissheit brauchte ich einfach für mein Seelenheil.

Eomér schnaubte und wand sich von mir ab. „Ich bereue mein Verhalten zutiefst!" er ließ eine Pause und schien seine Worte sorgfältig zu wählen.

„Zurecht wiest du mich zurück, als ich zu fordernd wurde. In dem Moment war ich fest überzeugt, nicht gut genug für dich zu sein! Doch du warst eindeutig verliebt in mich und würdest dich nicht freiwillig von mir fernhalten.... . Als junger Mann bekommt man ziemlich schnell in der Ausbildung eingetrichtert, wo sein Stand ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte mich Everard bereits angesprochen und gemahnt, dass du eine Gräfin bist! Ich schlug alle Warnung in den Wind, bis zu jenen Moment. Außerdem ... schämte ich mich und konnte die Rückweisung schwer ertragen, obwohl ich wusste, dass du recht hattest. Nun die anderen Mädchen gaben mir Aufmerksamkeit und Bestätigung, die mein Ego so sehr brauchte. Als sich die Nachricht herumsprach, dass du Boromir heiraten sollst, unternahm ich alles, um dich zu vergessen und den Schmerz nicht zu spüren. Nun der Erfolg blieb aus. Nach kurzer Zeit gab ich es auf, mich mit Frauen abzulenken. Ich konzentrierte mich wesentlich mehr auf meine Ausbildung. Sobald ich mir einen höheren Stand erarbeitet habe, werde ich dich zurückholen! Das schwor ich mir und bleibt nach wie vor mein Ziel!"

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, während er erzählte.

„Ich will in deiner Nähe sein und werde dich so oft es geht besuchen. Aber auf Dauer – will ich dich als meine Frau an meiner Seite wissen!"

Langsam näherte ich mich ihm und legte meine Arme um seinen Hals. Unfähig meine Gefühle in Worten auszudrücken, wollte ich ihn einfach nur küssen. Der schöne Mann ließ es geschehen und erwiderte den Kuss. „Ich liebe dich Eomér." flüsterte ich ihm zu. „Ja, ich weiß. Dein Herz gehörte schon immer mir." freute er sich schmunzelnd. „Und wie ich soeben erfuhr – deines mir." neckte ich ihn. „Das habe ich niemals so gesagt." antwortete er gespielt empört.

Frech grinsend lief ich langsam einmal um ihn herum. „Ich kann zwischen den Zeilen lesen." flüsterte ich in sein Ohr. Gerade wollte er mich in seine Arme zurückziehen, da rief jemand meinen Namen.

„Lynea!" Es war Faramir, der mich suchte. „Du hast mich gefunden." lachte ich erleichtert. „Das war gar nicht so einfach." Er neigte kurz sein Haupt zum Gruß. „Eomér – ich bin eingeweiht. Mein Bruder hat Lynea gestattet ... nun zu tun, was sie tun möchte." Der Eorlinga wartete ab, wo dieses Gespräch hinführte. „Ihr könntet uns nach Gondor begleiten, dort als Ausbilder in Stellung gehen und so immer bei Lynea." schlug der Bruder meines Mannes vor. Diese Möglichkeit stand bisher nicht zur Debatte und so machte ich mir ein wenig Hoffnung.

„Es tut mir leid, doch dieses Angebot kann ich nicht annehmen. Lynea ... ich werde hier als Eorlinga eine Stellung erlangen, die deines Standes würdig ist. Du gehörst hierher, genauso wie ich! Théodred und ich sind vom gleichen Blut und befreundet. ... Ich weiß nicht, wie lange das dauert und was genau die Zukunft bringt, doch sie liegt nicht in Gondor!"

„Ihr seid ein ehrenhafter Mann – Eomér ... Euer Unterfangen ist edel, doch ich fürchte, Euer Plan wird nicht aufgehen. Es liegt nicht in Boromirs Hand, Lynea frei zu geben. Unser Vater würde dem niemals zustimmen ... dennoch – niemand weiß, was die Zukunft bringt. Mein Rat – versucht das Beste aus dem Pakt zu machen – Ihr könnt euch nah sein, wenn auch mit Bedingungen."

Geknickt musste ich einsehen, dass diesen stolzen Sturkopf nichts so schnell umstimmen wird – auch ich nicht. Eben weil er es für mich tat. Die langen Gespräche und der mangelnde Schlaf trieb uns in die Betten. Lange konnte ich nicht schlafen, meine Gedanken kreisten um die Gespräche, die wir führten. Mein Geliebter war ernster und die Leichtigkeit, die ich früher so an ihm schätzte, schien verloren. Wer konnte ihm das verübeln? Die Situation war alles andere als spaßig und locker. Sein Verhalten war schlichtweg angemessen.

Am folgenden Tag wirkte er nachdenklich und schweigsam. Erst als Malea uns Gesellschaft leistete und auf andere Gedanken brachte, hellte sich seine Miene auf. „Lynea, nimm mich mit nach Gondor! Hier lerne ich eh keinen Mann kennen – solange Eomér über mich wacht wie ein Habicht über seine Beute."

Grinsend stieß ich meinen Tischnachbarn an. Mit gespielter Unschuldsmiene grinste er schief. „Was?! Kerle in dem Alter denken nur an das Eine ... Damit meine ich nicht die Ehre der Frau." Unter dem Tisch legte er seine Hand auf meinen Oberschenkel. Lauthals räusperte sich meine Cousine, was mich zusammenzucken ließ. „Ihr habt was am Laufen... das ist kein Geheimnis mehr!" „Woher willst du das wissen?" fragte ich schockiert. „Ich bin nicht blind! Außerdem ... Faramir hat mit mir gesprochen und ich habe ihn gefragt."

Eomér lachte laut los – spätestens jetzt war seine Stimmung ungetrübt. „Ihr seid eindeutig aus einer Familie – sie ist schlau. Aber nicht schlau genug, um sich in aller Heimlichkeit mit Halev zu treffen ... erzähl was geht da vor?"

Belustigt schaute ich zwischen den beiden hin und her und genoss das Schauspiel.

Von da an verbrachten Eomér und ich nahezu die gesamte Zeit. Zurückgezogen saßen wir einfach nur beisammen, redeten, lachten, küssten, schmiegten uns in der Geborgenheit aneinander und schwiegen, um uns weiter zu küssen. Stück für Stück gewannen wir die Vertrautheit und Leichtigkeit zurück. Es gab kleine Unterschiede, er machte Witze aber nicht auf meine Kosten. Außerdem suchte er meine Nähe und ließ meine Aufdringlichkeit zu. Ich konnte nicht genug von ihm bekommen. Das Bedürfnis nahm nicht ab, sondern zu. Küsse und Umarmungen waren wundervoll, doch ein anderes Feuer entflammte in mir.

Mir war bewusst, dass mein Liebster nicht von sich aus die Lust entfachen würde, aufgrund unserer Vergangenheit. Es lag an mir, auf ihn zuzugehen. Teilweise kostete mich dieser Gedanke schlaflose Nächte. Wollte er mich in dieser Form? Wollte ich das? Würde es schmerzen?

Mehrere Wochen verbrachte ich in Edoras, was reichte, um Eomérs Blicke und Mimik ohne weiteres deuten zu können. Wir verstanden uns blind. Seine harte Schale bröckelte zunehmend. Seine sanfte, liebevolle Art, die ich früher schon gewohnt war, kam immer mehr zu Tage. Als wäre er in meinen Gedanken, wusste er, was ich brauchte ... wonach ich mich sehnte. Ob er von meinen heimlichen Gelüsten etwas ahnte?

Faramir kehrte bereits nach Gondor zurück und gab mir ebenfalls zu verstehen, dass ich nicht zu lange meine Heimreise aufschieben sollte.

Jugendliebe vergeht nicht (Eomér FF)Where stories live. Discover now