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Oliver konnte es nach fast zwei Wochen immer noch nicht glauben. Die Serviette mit der Handynummer hing an seinem Kühlschrank. Wieso hatte er sie nicht einfach weggeworfen?

Mark versuchte ihn die ganze Zeit aufzumuntern. „Wieso regst du dich so auf? Er wird bestimmt aufhören." Oliver schüttelte den Kopf. „Du kennst Dustin nicht. Er hat mit Sicherheit schon meinen Nachnamen und die Adresse recherchiert." „Du machst dir zu viele Sorgen. Wenn er hier auftaucht nehme ich ihn persönlich fest." Über den Witz konnte Oliver nur Lachen.

Die nächsten achtzig Tage hörte und sah Oliver nichts von Dustin oder einem Member des MC. Im Moment konzertierte sich der Kommissar auf seinen neuen Fall. Es handelte sich um eine Splittergruppe eines größeren Motorradclubs. In letzter Zeit häuften sich die Überfälle und Schlägereien in der Innenstadt. Der Polizeipräsident hatte Mark diesbezüglich schon zwei Mal in sein Büro zitiert. Deswegen wollte sein Vorgesetzter die Sache am Liebsten schon gestern abgestellt haben. Nun musste Oliver die Überwachungsvideos auswerten und die Männer den verschiedenen Gruppierungen zuordnen. Das war leichter gesagt als getan. Immerhin. Zehn Täter konnte er heute schon zweifelsfrei identifizieren und zur Fahndung ausschreiben.

Am Abend hockte er auf seinem Sofa und zappte sich durch die Kanäle. Es wollte ihm einfach nichts gefallen. Sein Blick fiel auf den Kühlschrank. Die Serviette leuchtete ihn förmlich an. Er schüttelte den Kopf und wechselte vom TV-Programm auf seine Konsole. Er eierte durch sein Fantasy-Rollenspiel. Die paar Monate im Undercover-Einsatz hatten seine Schnelligkeit bei seinen Tastkombinationen erheblich beeinträchtigt.

Nachdem er zum gefühlten hundertsten Mal gestorben war, warf er seinen Kopf frustriert in den Nacken. Als er wieder auf den Bildschirm glotzte, fiel ihm wieder das weiße Stück auf dem Kühlschrank in den Blickwinkel. Seufzend nahm er sein Privathandy vom Wohnzimmertisch und tippte die Nummer vom Kühlschrank ab. „Wieso tue ich das?"

Lange hörte er nur das Freizeichen. „Wer stört?", maulte Dustin zur Begrüßung. „Von wegen du vermisst mich." „Oliver?!" Schlagartig änderte sich die Stimmlage auf der anderen Seite der Leitung. „Natürlich vermisse ich dich. Aber wieso rufst du auch um Mitternacht an?" Oliver kontrollierte die Aussage. Sein Smart-TV zeigte die identische Uhrzeit an. „Tut mir leid. War eben noch am Zocken." Dust lachte heiter. „Und ich am Pennen." Auch Oliver musste lachen. „Fang bloß nicht an zu erzählen. Ich brauche keine unpassenden Bilder in meinem Kopf." Wieder ein helles Lachen.

Sie erzählten sich über Stunden die Geschichte vom toten Wolf. „Was hältst du davon, wenn wir eine Runde pennen und uns später im Coffeeshop treffen?" Oliver stimmte dem Vorschlag ohne zu zögern zu.


Der schmale GradWhere stories live. Discover now