Kapitel 2

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Drei weitere Studenten versammelten sich gemeinsam mit ihr vor dem Blatt, welches an einem weißen Board hing.

Das besagte Blatt war wesentlich kleiner, als sie gehofft hatte. Viele der Jobs waren in den Restaurants und Cafés. Auch wenn Runa nicht glaubte, dass sie sonderlich gut darin war, zu kellnern, hätte sie es zumindest probiert. Nur hatten sich für all diese Jobs bereits andere Studenten eingetragen.

Wäre sie doch bloß zuerst hergekommen anstatt zu frühstücken.

Bei einer Inventur in einem Supermarkt zu helfen klang anstrengend, aber machbar.

Genau in dem Moment, in dem sie ihren Stift aus ihrer Tasche holte, trug sich der braunhaarige Junge vor ihr ein. Mit offenem Mund sah sie zu, wie er - sein Name schien Jonas zu sein - ihr einen weiteren Job vor der Nase wegschnappte.

Nun waren sie nur noch zu dritt.

Während sie die Worte überflog, fiel ihr etwa mittig des Blattes eine Zeile auf, in der noch keine Unterschrift getätigt wurde.

Vielleicht hatte sich noch kein Student dort eingetragen, weil es ein ungewöhnlicher Nebenjob war: Geldwechsler im Casino Sierra.

In Gedanken fuhr sie die Worte mit dem Zeigefinger nach, als jemand hinter ihr schnaubte.

"Den Job will keiner haben, glaub mir", sagte einer der beiden Jungen.

Sie blickte sich um, sah ihn fragend an. "Wieso?"

Er nickte in Richtung Blatt. "Das Casino liegt auf der anderen Seite neben der Spießer-Uni. Wenn man dort arbeitet, bedient man die Eltern der Reichen - und die Studenten"

"Das würde ich mir für kein Geld der Welt geben", pflichtete der andere bei, "bisher soll niemand länger als zwei Monate dort ausgehalten haben"

In dem Moment, in dem sie darüber sprachen, wie ätzend dieser Job, wie berüchtigt er war, schrieben sie sich für die anderen zwei übrig gebliebenen Jobs ein.

Ehe sie sich versah, stand Runa allein vor diesem Blatt Papier, das sie verhöhnte. In der Mitte die einzig freie Zeile.

Zwar hatte sie einen gewissen Puffer, der sie über die ersten Monate bringen würde, doch die meisten Jobs wurden am Anfang des Semesters vergeben. Je länger es dauerte, desto geringer war die Chance, einen Job in der Nähe zu finden.

Mit einem lauten Seufzen öffnete sie ihren Stift und setzte ihn an. Sie laß sich noch einmal die Bezeichnung durch, schüttelte den Kopf und trug ihren Namen, ihre Studentennummer und ihre Telefonnummer ein.

Sie hoffte, sie würde diese Entscheidung nicht bereuen.

Die erste Woche verging wie im Flug und ohne eine Rückmeldung bezüglich des Nebenjobs.

Wie viele andere auch, hatte Runa sich für besonders viele Kurse eingeschrieben. So konnte sie nach zwei Wochen entscheiden, welche sie fortführen und bei welchen sie sich wieder abmelden würde.

Sie saß von morgens bis abends in den Hörsälen, zwischendurch nahm sie ihr Essen in der Mensa ein.

Überwiegend verbrachte sie Zeit allein, was vor allem ihre eigene Entscheidung war. In einigen Kursen bildeten sich bereits Gruppen, doch jedes Mal, wenn sie jemand fragte, ob sie mit ihnen essen gehen möchte, lehnte sie dankend ab.

Fürs Erste erschien es ihr das Richtige zu sein. Nur so lange, bis sie sich an ihr neues Leben gewöhnt hatte. An die Umgebung, an die Uni... daran keinen Kontakt zu ihrer Familie zu haben... eben an alles.

Am Wochenende saß sie mit Kopfhörern in der Bibliothek und sortierte ihre Notizen. Die, die unsauber geschrieben waren, übertrug sie noch einmal in sauber und ordentlich.

The Ordeal of Desire I Dark RomanceWhere stories live. Discover now