Kapitel 3

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Seit zwei Wochen nahm Runa an einer Lerngruppe teil. Einer der Professoren hatte sie für eine Gruppenarbeit eingeteilt. Als sie feststellten, dass sie noch zwei weitere Fächer zusammen besuchten, blieb diese Gruppe auch nach dieser Arbeit bestehen. 

Sie waren sechs Personen. Rouven, Harry, Jackson, Leyla, Sophie und Runa. 

Für den Anfang trafen sie sich zweimal die Woche in der Bibliothek. Es wurden kaum persönliche Informationen ausgetauscht, bloß wie gut man mit dem Lernen vorankam und auf welche Bereiche man sich später mal spezialisieren wollte. 

Runa gefiel das sehr, brauchte sie dadurch ihre Mauern der Einsamkeit nur minimal einzureißen. 

Doch ihr war auch bewusst, dass sich das irgendwann ändern würde. 

Und heute war das irgendwann gekommen. 

"Was macht ihr Freitagabend? Habt ihr Lust etwas trinken zu gehen?", fragte Rouven mit gedämpfter Stimme. Mit der Ruhe wurde es hier in der Bibliothek sehr ernst genommen. Es war, als würde die Bibliothekarin spüren, wenn man über privates sprach. 

Runa schloss ihren Notizblock und ging erst einmal in Deckung. Die anderen waren begeistert von dem Vorschlag, wollten in den Irish Pub gehe, der sich an einem kleinen Fluss befand, der mitten durch die Altstadt führte. 

"Was ist mir dir?", fragte Harry an sie gewandt. 

"Ich kann leider nicht", antwortete sie und rang sich ein Lächeln ab. Während sie ihre Sachen in ihrer Tasche verstaute, versuchte sie beiläufig zu erwähnen, dass sie in dem Casino arbeitete. Dort verbrachte sie jeden Freitag- und jeden zweiten Samstagabend. 

Sie wusste nicht, ob ihre Lerngruppe wusste, was andere über diesen Job erzählten. 

Mittlerweile kam ihr viel zu Ohren, auch dass eine Studentin mal so massiv belästigt wurde, dass sie das gesamte Studium abgebrochen hat. 

Bisher konnte Runa die Geschichten nicht nachvollziehen. Vielleicht war es nur Klatsch, der sich über die Jahre verbreitet und von Studenten immer dramatischer erzählt wurde. 

"Oh", murmelte Sophie, "darüber hört man doch so einiges" 

Alle Augen waren auf sie gerichtet - na toll. 

"Bisher kann ich nichts davon bestätigen", sagte sie achselzuckend, "ich hatte nicht wirklich eine Wahl, es war wortwörtlich der letzte Job, der noch angeboten wurde" 

"Wieso arbeitest du nicht in einer Pflegeeinrichtung oder einem Krankenhaus?", fragte Harry. "Wir müssen uns nicht nach der Organisation der Unijobs richten"  

"Ja, du könntest mit Leyla und mir mitkommen, wir können die Schichten im Krankenhaus legen, wie wir wollen", schlug Jackson vor. 

Runas Schultern spannten sich an. 

"Dafür muss man ein paar Vorkurse oder das freiwillige Jahr gemacht haben... ich habe keine Qualifikation", gestand sie und fühlte sich wie eine Verliererin. 

Sie wollte Ärztin werden und hatte bisher noch nichts in diese Richtung gemacht. Kein Praktikum, nichts. Das einzige, was sie vorweisen konnte, war eine ehrenamtliche Stelle als Helferin der Sanitäter bei einem Fest in ihrem Heimatort. Das würde sie hier aber sicher nicht erwähnen. 

Es war nicht so, als hätte sie sich das nicht von ganzem Herzen gewünscht, aber es ging nicht, nicht in ihrem alten Leben. 

Ihre Chancen, das Studium zu schaffen, waren damit wesentlich geringer als die der anderen. Doch das war ihr bewusst, schon bevor sie sich für das Studium beworben hatte. 

The Ordeal of Desire I Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt