Kapitel 22

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Weihnachten. 

Runa schlief aus, öffnete erst gegen elf das erste Mal ihre Augen. Eingekuschelt in ihre große, gemütliche Decke, die sie herrlich warm hielt, obwohl die Heizung in ihrem kleinen Studentenzimmer nicht gegen den Winter ankam. 

Froh über ihre neuesten Errungenschaften - ein Wasserkocher und eine Mikrowelle, die sie einem anderen Studenten über das Flohmarktportal der Uni-App abgekauft hatte - machte sie sich einen Tee und eine Buchstabensuppe zum Frühstück. 

Runa aß in ihrem Bett, schaute sich Kevin allein zu Haus an, als sie plötzlich ein warmer Schauer überkam. Ein Gefühl von Bewusstsein, als würde sie in diesem Moment erst in ihrem Zimmer und ihrem Körper ankommen. 

Sie sah sich langsam um, mit jedem Zentimeter wuchs ihr Lächeln. 

Zum erste Mal kam ihr Weihnachten ansatzweise so vor, wie sie es aus Berichten anderer oder Filmen kannte: Gemütlich, besinnlich, frei von Druck und Stress. 

Auch wenn sie alleine war und viele sie dafür bemitleiden würde, sie genoss die Ruhe, die Freiheit Suppe zum Frühstück zu essen in dem Bewusstsein, dass gleich noch ein Schokoladenweihnachtsmann folgen würde. 

Erst gegen 14 Uhr stand sie auf, genehmigte sich eine warme, ausgiebige Dusche. Das Wasser blieb warm, war sie wohl vielleicht nicht die einzige, aber eine der ganz wenigen, die noch auf dem Campus waren. 

Sie entschied sich dafür, einen langen Spaziergang durch die Stadt zu machen, als die Dämmerung einbrach. Sie wollte den Zauber spüren, wie ihre Nase kalt und rot wurde durch den kalten Wind, um anschließend zu Hause eine warme Schokolade zu trinken. 

Das einzige, was sie nicht tun konnte, war Plätzchen zu backen. Sie hätte ohnehin nicht gewusst, wie das funktionieren würde. 

Gerade als sie in der Altstadt ankam, schalteten sich die Lichter ein. Runa zog ihre Jacke fest um sich, betrachtete die Straße vor sich und gab ein zufriedenes Seufzen von sich. 

"So wunderschön", flüsterte sie zu sich selbst. 

"Finde ich auch", hörte sie eine dunkle, fiese Stimme hinter sich und drehte sich rasch um. Ihre Schultern angespannt, die Augen weit aufgerissen sah sie einen großen, dunkel gekleideten Mann nur wenige Schritte hinter sich. 

"Was...", doch weiter kam sie nicht, als der Mann einen Satz auf sie zumachte und ihr Handgelenk packte. "Guten Abend, Miss..."

Runa stolperte nach hinten, riss sich los, doch der Mann versuchte sie erneut zu packen. Es kam zu einem Gerangel. Runa versuchte ihm gegen das Schienbein zu treten und bei seinem Versuch, sie an den Haaren zu packen, hinterließ er einen Kratzer auf ihrer Wange. "Nein, nein, nein", dröhnte es in ihrem Kopf. Das Adrenalin schoss durch ihre Körper und sie biss die Zähne zusammen. 

Sie riss sich erneut los, legte all ihre Energie in den Moment, sich von ihm zu entfernen. 

"Du kannst nicht ewig davon rennen", schrie er ihr hinterher. Seine Stimme war leiser, als würde er ihr nicht folgen, doch Runa rannte weiter, nur zur Sicherheit. 

Sie blieb vor dem Casino stehen, hatte sie die Schlüssel für den Mitarbeitereingang und überlegte, sich dort einzuschließen. 

Doch als sie sich umdrehte, war niemand zu sehen. Sie blieb eine Weile dort stehen, wie lange wusste sie nicht. Ihre Atmung beruhigte sich kaum. Sie spürte das Pochen ihrer Wange, genau wie das Brennen ihrer Lunge. 

Sie brauchte eine Weile, um zu verstehen, was passiert war. 

Und erst als sie sich ein Taxi für den Weg zurück rief und darauf wartete, kamen ihr die Tränen. Sie hatten sie gefunden - und das viel schneller, als sie gehofft hatte. 

The Ordeal of Desire I Dark RomanceWhere stories live. Discover now