Kapitel 29

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Kaliya...

Immer wieder sagte Logan diesen Namen in seinen Gedanken. Es war beeindruckend, wie sehr ein Name die Sicht auf jemanden beeinflussen konnte.

Kaliya passte zu ihr, dem zierlichem Mädchen mit den braunen Locken und den leuchtenden Augen, welches mehr als einen Kopf kleiner war als er. Für einen kurzen Moment tauchte das Bild von ihr in seinem Kopf auf, als er sie das erste Mal im Casino gesehen hatte.

Doch dieses Bild verschwand, als er durch ihr Schluchzen zurück in die Realität befördert wurde. Ihre Schultern bebten und er trat einen Schritt zurück, fühlte es sich falsch an, so bedrohlich vor ihr zu stehen, wenn sie in diesem Zustand war.

"Die Antwort auf so eine Frage lautet eher selten: Weiß ich nicht", sagte er und steckte seine Hände zurück in seine Hosentasche.

Er würde sie nicht trösten, denn fürs Erste hatte sie sein Vertrauen verloren. Doch das beruhte vermutlich auf Gegenseitigkeit, hatte er sie schließlich in dieses Haus entführt und eingesperrt.

Mit ihrem Unterarm wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und gerade als sie zu einer Antwort ansetzte, öffnete jemand unsanft die Tür.

"Er will sie sehen", verkündete der Mann, würdigte sie keines Blickes.

Kaliya entging nicht, wie Logans Schultern sich erneut anspannten. Er nickte ihm zu, bestätigte dass sie gleich runterkommen würden.

"Wer will mich sehen?", fragte sie heiser.

Sein Kopf drehte sich erneut in ihre Richtung. "Mein Vater" Die Worte klangen kalt und abgehakt aus seinem Mund, was ihr ungutes Gefühl bestätigte.

"Am besten antwortest du nur das nötigste und gib ihm bloß keine Widerworte. Wenn du ihn provozierst, kann ich nichts mehr für dich tun" Er wartete ihr stummes Nicken ab, dann lief er in Richtung Tür.

Kaliya folgte ihm nicht. Sie konnte nicht, ihre Beine hörten nicht auf sie. Ihr Körper war müde, ausgelaugt und bisher hatte sie keinen einzigen Moment, um diese Situation realisieren zu können.

"Muss ich dich zwingen?", fragte er warnend und sie schluckte schwer. Sie hatte schreckliche Angst vor seinem Vater, schien er offenbar sicher, dass sie es gewesen war, die seine Tochter ermordet hatte.

Und gerade konnte Kaliya ihn nicht von dem Gegenteil überzeugen.

"Run... Kaliya", Logan zog ihren Namen in die Länge, um die Warnung darin zu untermauern. Sie setzte sich langsam in Bewegung und als sie das Zimmer verließen, heftete sich einer der Männer an sie, der das Zimmer bewachen sollte.

Logans Vater erwartete sie bereits in seinem Büro, saß auf seinem Stuhl wie auf einem Thron, den Blick fest auf Kaliya gerichtet, die sich nicht traute, hochzuschauen. Sie spürte seinen Blick, er brannte sich förmlich in ihre Haut, hielt sie in ihrer ängstlichen Starre gefangen.

"Das ist sie also", stellte Mr. Black nach einer Weile fest, in der es vollkommen still gewesen war. Sein Tonfall war abschätzig und hasserfüllt, was sie ihm nicht verübeln konnte.

"Sag mir, Kind...", begann er, doch dann missfiel ihm ihre Haltung. "Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede" Sie gehorchte, richtete ihren Kopf nach vorne und sah den Mann an, der sie über alles hasste.

"Sag mir, wie es sein kann, dass so ein kleines, unbedeutendes Mädchen wie du dazu in der Lage ist, so grauenvolle Dinge zu tun"

Seine Worte schmerzten, trafen sie direkt ins Herz, doch sie reckte ihr Kinn in die Höhe und hielt seinem Blick stand, so wie ihr eigener Vater es ihr gelehrt hatte.

Dennoch antwortete sie nicht.

"Kaliya Belanova, richtig?" Sie nickte, dachte dabei nur daran, dass Logan das erste Mal ihren vollen Namen hörte. Am liebsten hätte sie ihren Blick abgewendet und ihm in seine dunklen Augen geblickt, um so herauszufinden, ob er es wusste.

"Ich will alles darüber wissen", forderte Mr. Black, "ich will jedes Detail, jeden Namen und alles, was zu diesem Fall in deinem Kopf ist"

"Ich weiß nichts", sagte sie kopfschüttelnd, wohlwissend dass ihn diese Antwort nicht zufrieden stellen würde.

Er lachte schnaubend auf. "Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass du einfach so davon kommst? Wir werden schon herausfinden, was du weißt"

Logan räusperte sich, zog die Aufmerksamkeit auf sich. "Ich werde es herausfinden, Vater", mischte er sich entschieden ein, die Hände zu Fäusten geballt und der Blick klar und standhaft.

In seinen Gedanken jedoch tobte ein Tornado. Er hatte ihren Nachnamen schon einmal gehört, jedoch konnte er sich an den Zusammenhang einfach nicht erinnern. Jedenfalls waren sie keine Rivalen seines Vaters gewesen...

Die Mundwinkel seines Vaters zuckten, musterte ihn noch für wenige Sekunden im Stillen. "Also schön", seufzte er dann, "bisher hast du hervorragende Arbeit geleistet. Ich gebe dir einen Vertrauensvorschuss. Sollte ich jedoch merken, dass du nicht vorankommst, dann werde ich mich einmischen"

Logan nickte und bedankte sich. "Ich werde sie nun wieder raufbringen"

Mit einer Geste in Richtung Tür willigte Mr. Black ein, drehte ihnen den Rücken zu und lief zu dem Kamin auf der anderen Seite des Zimmers.

Panik überkam Kaliya auf dem Weg zurück. Sie hegte keinen Zweifel, dass Mr. Black seine Worte wahr machen würde. Er würde ihr weh tun für das, was sie vermeintlich getan hatte.

Und doch war es Logan, der nun in dem Gästezimmer vor ihr stand und die Zügel in der Hand behielt. Der ihr klar machte, dass sie keine Spielchen spielten und dennoch schützend vor ihr stand - was sie nur noch mehr verwirrte.

"Danke", sagte sie und traute sich nicht, den Augenkontakt zu halten. "Wofür?", gab er irritiert von sich.

"Dafür, dass du... und nicht dein Vater", mehr bekam sie nicht heraus, wusste sie selbst nicht, wie sie diese Situation beschreiben sollte.

Logan jedoch reagierte ganz und gar nicht erfreut über ihren Versuch, sich bei ihm zu bedanken. "Glaub ja nicht, dass ich das für dich mache", knurrte er. "Ich will die Wahrheit von dir wissen, Kaliya" Er spuckte ihr diese Worte förmlich entgegen, ließ ihren Namen wie eine Beleidigung klingen.

"Du solltest wissen, dass ich meiner Familie nach dem Unfall geschworen habe, dass ich den Täter finden werde und dass es Rache geben wird"

Sie schluckte schwer.

"Wir werden uns morgen früh unterhalten", seufzte er und lief in Richtung Tür. "Du kannst dir heute Nacht überlegen, ob du mich weiter anlügen und es darauf ankommen lassen willst..."

Dann schloss er die Tür.

Erst als er auf dem Balkon weit abseits von allem ankam, schloss er für einen kurzen Moment die Augen, holte die Zigarettenschachtel aus seine Hosentasche.

Rob trat hinter ihm auf den Balkon. "Was für eine scheiße", kommentierte er und reichte Logan sein Feuerzeug. "Wie geht es Runa?"

"Kaliya", korrigierte er ihn und zog an seiner glühenden Zigarette. Irritiert sah sein bester Freund ihn an. "Sie heißt nicht Runa, sie heißt Kaliya Belanova"

Rob schnaubte, richtete seinen Blick in die dunkle Ferne. "Irgendwie sagt mir der Name etwas... Belanova"

So lange, wie sie die Zigaretten rauchten, blieb es still um sie. Jeder von ihnen jagte seinen eigenen Gedanken nach.

"Glaubst du, sie war es? Und wenn ja, was macht sie dann hier, so nah an eurer Familie?"

Logan hob die Schultern. "Ich habe keine verfickte Ahnung"

Aber er würde es herausfinden, für seine Familie und für sich selbst.

The Ordeal of Desire I Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt