Kapitel 28

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Vor ihnen lag ein großer, verdunkelter Eingangsbereich. Runas Augen brauchten einen Moment, um sich an die Lichtverhältnisse gewöhnten, dann betrachtete sie die Bilder an den Wänden. Es waren Ölgemälde, Portraits von Personen, die vermutlich schon lange nicht mehr lebten.

In der Mitte des Raumes eine Treppe, die nach oben führte und oben in eine Ballustrade mündete. Doch der Eingangsbereich ging hinter der Treppe weiter - und genau dahin verschwand Logan für einen Moment.

Runa zuckte zusammen, als sie eine Gestalt im Augenwinkel ausmachte. Es war eine ältere Frau, die ein Spültuch in der Hand hielt und sie entsetzt ansah. Als sie ihren Blick löste, sah sie sich suchend um.

"Mary, wir reden gleich", hörte sie Logan, der hinter der Treppe hervorkam, gerade als einer der drei Typen, die sie im Wald gejagt hatten, eine Tür auf der anderen Seite öffnete. Sie war groß und schwer und dahinter verbarg sich eine weitere Treppe, die jedoch nach unten führte.

"Was tust du da?", fragte Logan und in seiner Stimme schwang seine tiefe Wut mit. Er ließ dem Mann keine Zeit, sich zu erklären, richtete seine Aufmerksamkeit demjenigen zu, der Runa festhielt.

"Bringt sie nach oben in eines der Gästezimmer"

Beide Männer warfen sich einen kurzen, irritierten Blick zu, dann nickte er und zog Runa mit sich die Treppe hinauf. Sie konnte hören, wie Logan den anderen beauftragte, besagtes Gästezimmer zu bewachen.

Das Gästezimmer war schön, wäre da nicht die Tatsache, dass sie unfreiwillig hier festgehalten wurde und nicht einmal wusste, warum. Besonders nicht, weil Logan nicht zu wissen schien, wer sie war.

Ihre Hände wurden befreit und während sie ihre Handgelenke massierte, sah sie sich genauer um. In dem Zimmer stand ein Himmelbett aus dunklem Holz, gegenüber ein Schrank, der vollkommen leer war. Zwei Fenster in Richtung Garten, der überwältigend schön aussah und ein Sessel, der in der Ecke davor stand. Das Zimmer war älter, knackste der Holzboden unter jedem ihrer Schritte. Eine weitere Tür führte zu einem angrenzenden Badezimmer inklusive Dusche - doch auch das war vollkommen leer, abgesehen von dem Stück Seife auf dem Waschbeckenrand.

Während Runa das Zimmer inspizierte, fühlte Logan sich im Erdgeschoss, als würde sein Kopf gleich platzen.

Nichts von all dem hier ergab irgendwie Sinn.

Er berichtete seinem Vater von ihrem Erfolg, doch dieser zog bloß die Augenbrauen zusammen. "Und warum genau befindet sie sich in einem unserer Gästezimmer?"

"Weil ich es gerne auf meine Art regeln würde", antwortete Logan und schluckte schwer. Wenn er ihn nun fragen würde, was "seine Art" wäre, hätte er keine Antwort darauf. Logan versuchte bloß Zeit zu gewinnen.

Sein Vater sah ihm prüfend in die Augen. Ein Blick, den er bereits seit seiner Kindheit gut kannte und viel zu oft ausgesetzt war. "Also schön", nickte er, wenn auch skeptisch. "Ich will sie später sehen"

Er wandte sich wieder den Papieren vor sich zu, was Logan bedeutete, aus seinem Arbeitszimmer zu verschwinden.

Die nächste Anlaufstelle war Mary, ihre Haushälterin, die bereits viel zu viel gesehen hatte. Dieses Gespräch zu führen empfand er als weitaus unangenehmer als das vorherige. Mary hatte ihn mit großgezogen, er hatte eine bessere Bindung zu ihr als zu seinen eigenen Eltern, so traurig es auch klang.

Sie hatte stets versucht, ihm in all dem Wahnsinn, in den schweren Zeiten beizustehen und das kleine bisschen Hoffnung, welches in seiner Brust lebte, immer zu beschützen.

Aufgewühlt lief sie durch die Küche, räumte Backbleche von einer Seite zur anderen und Logan war sich sicher, dass dies überhaupt keinen Nutzen hatte. Sie drehte sich um, sah ihm in die Augen und wendete sich ohne ein Wort wieder ab.

The Ordeal of Desire I Dark RomanceWhere stories live. Discover now