Ich werde zur Spionin

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Die Zeit verging.

Und mit ihr der Sommer.

Eines Morgens schaute ich auf meinen Kalender und stellte fest, dass ich mittlerweile schon fast dreieinhalb Monate auf die Phoenix-Akademie ging. Meine ersten Prüfungen hatte ich bereits hinter mir (übrigens mit einem sehr annehmbaren Ergebnis) und verbrachte meine Nachmittage damit, die Spur der geheimnisvollen Hybriden weiterhin zu verfolgen (denkt bloß nicht, ich wäre darin erfolgreich).

Mrs. Roberts hatte einen Tag nach dem Angriff auf Sona, einen Schutzwall um das Gelände der Akademie errichtet, der jegliche WLAN-Verbindung verhinderte. Somit konnte ich mich vom Internet und seinen schlauen Webseiten verabschieden. Ich durchkämmte die Bibliothek von hinten nach vorne und wieder zurück, doch es gab keinerlei Hinweise.

Vor zwei Wochen war ich so frustriert, dass ich meine Zimmertür zu fest zuschlug und die Türklinke abbrach. Len musste die Tür aufstemmen und ich war kurz vorm hyperventilieren. Apropos Len, sein Verhalten ist merkwürdigerweise noch rätselhafter als vorher.

Ich habe manchmal noch den Eindruck, dass seine ehemalige Verletzung am Kopf (durch was auch immer) ihm einen kleinen Dachschaden zugefügt hat.

Er bringt mich durch sein undefinierbares, schon fast aufdringliches Verhalten so weit auf die Palme, dass ich manchmal eine ganze Weile nicht mehr mit ihm rede. Andererseits ist er auch an manchen Tagen so undurchschaubar und unnahbar, dass man, nur wenn man ihn kurz anspricht, entweder mit einem kühlen Blick abgewiesen oder mit einem geknurrten 'Hau ab!' quittiert wird.

Ich sage nur, extreme Stimmungsschwankungen.

Meine Stimmung war also beim Tiefpunkt angelangt und der braune Matsch, der eigentlich bunte Herbstblätter darstellen sollte und überall klebte, trug auch nicht wirklich zu meiner Aufmunterung bei. Zusätzlich war da noch die Frage, was die Zahlenfolge auf dem Zettel, den ich in dem verstaubten Buch gefunden hatte, bedeutete. Ich war noch einmal auf dem Dachboden gewesen.

Außer einer losen Holzplatte (auf der ich fast eingebrochen bin) und einem verrosteten Schlüssel (den ich gefunden habe, als mein Kopf mit einem zu tief hängendem Holzbalken Bekanntschaft machte), habe ich nichts neues entdeckt.

Und falls das jemanden interessiert, den Schlüssel habe ich in meine Hose gesteckt, die jetzt unten in der Waschmaschine vor sich hin schleudert (und ich habe keine Ahnung wie man diese Maschine anhält). Deswegen bleibt mir nur noch zu hoffen (und zu beten), dass dieser Spülgang nicht allzu lang dauert.

Gerade war ich, mit dem Wäschekorb unterm Arm, wieder auf dem Weg in mein Zimmer, als ich einen kurzen Umweg zum Wohnzimmer machte, um die angeklappte Terassentür, die ich heute Nachmittag geöffnet hatte, zu schließen. Ich bereute es.

"Len!" rief ich und verteilte mit einem Stolpern die gesamte (teils klamme, teils nasse) Wäsche über den am Boden liegenden, schläfrigen David. Der schreckte mit einem Schrei in die Höhe und suchte Zuflucht in Richtung Sofa.

"Oh, entschuldige David." Wütend blitzte ich meinen Artgenossen an. "Erklärst du mir bitte, was ihr hier macht?" Ich stemmte meine Hände in die Hüften und funkelte Len, der lässig dasaß herausfordernd an.

Eine kleine Beschreibung unseres Wohnzimmers; auf dem Beistelltisch vom Sofa waren Knabbereien und Getränke sämtlicher Art verteilt, ganz zu schweigen vom Boden. Überall lagen Kissen, DVD's und Schulhefte und -bücher herum und ein paar Möbel waren verschoben.

Ich wusste nicht, wie sie es geschafft hatten dieses ganze Chaos, ohne mich aufzuwecken, zu veranstalten, aber in diesem Moment war es mir auch relativ egal.

"Eine Lerngemeinschaft." War die schlichte Antwort.

"Wie bitte? Was?"

"Eine Lerngemei-"

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