("Mädchen-")Gespräche

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"Hey, hey, hey. Ähm Seth." rief ich den besten Freund von Len zurück, als dieser an mir vorbeirauschte. Er drehte sich fragend um.

"Oh Hi, Sarina." lächelte er überrascht.

"Hast du zufällig Aria gesehen? Ich suche sie." fragte ich und reckte den Hals, um über die zahlreichen Schülerköpfe zu blicken.

Seth räusperte sich verhalten.

"Naja, ja schon. Sie ist mit Paul in dem Klassenzimmer da hinten." Er zeigte auf eine geschlossene Tür am Ende des Ganges. "Aber ich würde die beiden jetzt lieber nicht stören."

Ich verdrehte die Augen und murmelte: "Pärchen."

"Vielleicht solltest du es später versuchen?" schlug Seth mir vor, doch ich winkte ab.

"Nein, es ist wichtig. Trotzdem danke."

Damit steuerte ich auf die Tür zu und riss sie, ohne anzuklopfen, weit auf.

"So, genug geturtelt." verkündete ich fröhlich. "Aria, ich brauche dich."

"Sarina!" Verlegen versuchte meine Freundin ihre zerzauste Mähne zu glätten.

"Komm schon, ich will zu Ruby. Ich wollte dich mitnehmen."

Fragend sah Aria zu Paul. Dieser nickte gleichgültig mit den Schultern zuckend.

"Geh schon."

"Danke." Sie gab ihrem Freund einen kurzen, scheuen Kuss auf den Mund und ignorierte dabei mein genervtes Seufzen.

"Fertig?" grinste ich, als sie sich neben mich gesellte.

"Ich warte nur auf dich." gab sie zuckersüß zurück und ich verdrehte kichernd die Augen.

"Na dann los."

◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆

Als wir bei Ruby ankamen, war meine beste Freundin in ein Buch vertieft.

Auf dem Nachttisch stapelten sich Genesungskarten, Süßigkeiten und Blumensträuße. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen.

"Hey." begann ich zögernd, als ich den Vorhang beiseite schob. Aria schlüpfte neben mir hindurch.

"Hey." antwortete Ruby vorsichtig und klappte das Buch zu. Ich ließ mich auf der Bettkante nieder. Auf der selben Stelle wie gestern.

Nachdem für kurze Zeit eine unbehagliche Stille herrschte, gab ich mir einen Ruck.
Ich holte tief Luft und begann ohne Umschweife.
"Okay, hör zu. Das was gestern passiert ist, hat rein gar nichts mit dir zu tun. Ich bin weder gefährlich, noch klapsenreif. Mit mir ist etwas seltsames geschehen und ich war deswegen verwirrt. Mir ist bewusst, dass du Fragen hast und eine Erklärung von mir möchtest. Ich werde dir Antworten geben. Aber selbst ich weiß nicht einmal die Hälfte davon, was eigentlich hinter dieser ganzen Sache steht."

Vorsichtig sah ich auf.

"Es ist dir bestimmt so vorgekommen, als hätte ich Angst vor dir... Doch dabei war ich diejenige, vor der ich mich gefürchtet habe"
Ich schloss kurz die Augen.
"Mir ist bis jetzt nicht klar, was es genau war oder wie es passieren konnte. Ich wollte nur, dass du weißt, dass es mir leid tut, so plötzlich geflüchtet zu sein, und dir mit meinem Verhalten so einen Schrecken eingejagt zu haben."

Ich wusste, dass sich in meinen Augen die Verzweiflung spiegelte.

Normalerweise legte ich viel Wert darauf, dass meine Mitmenschen so wenig wie möglich mitbekommen, was sich in meiner Gefühlswelt abspielte.
Aber jetzt wollte ich, dass meine Freundin sah, wie ernst es mir war.
"Sarina," sagte Ruby leise und beugte sich vor "gestern war ein seltsamer Tag. Natürlich habe ich mich gewundert, warum du plötzlich vor mir zurückgewichen bist, obwohl ich nichts gemacht habe. Und um ehrlich zu sein," sie legte ihren Kopf schief und grinste schwach "hatte ich ein wenig Angst, weil du wie in einer Schockstarre warst. Du hast mich mit so einem leeren Blick angestarrt. Zwar nur für ein paar Sekunden, aber das war echt unheimlich genug."

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