Kapitel 11

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Ein lautes Klopfen riss mich aus meinem traumlosen Schlaf und ließ mich panisch hochfahren. Mein Kopf pochte, während ich mich verschlafen umschaute, um festzustellen, dass jemand von draußen lautstark gegen die Holztür hämmerte. Mit einem schmerzerfüllten Laut erhob ich mich von der harten Couch, wobei es sich anfühlte, als würde jeder Muskel meines Körpers gegen dieses Vorhaben ankämpfen und versuchte mich am Aufstehen zu hindern. Stark wankend begab ich mich zur Tür, an welcher ich mich stützend festhielt, nachdem ich sie geöffnet hatte. Zwei stechend grüne Augen blickten mir entgegen und drohten mich zu durchbohren. "In einer Stunde müssen Sie ausgecheckt haben." ich hörte die Stimme des Mannes, der mich starr ansah bloß gedämpft. "Haben Sie verstanden?" wiederholte er grimmig, woraufhin ich stumm nickte. Es verlangte mir meine ganze Konzentration ab, dem Mann zuzuhören, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren, da sich die Welt um mich herum viel zu schnell drehte. Einer der Gründe, weshalb ich ihm die Tür ohne ein Wort zu verlieren vor der Nase zuknallte und mich im Anschluss darauf, an dieser hinunter gleiten ließ. Ich legte den Hinterkopf erschöpft gegen das dunkelbraune Holz, welches eine angenehm kühle Temperatur hatte, und schloss meine Augen. Meine Gedanken waren nicht mehr die, die mich gestern Nacht wachgehalten und sich wie eine dunkle Wolke über mich gelegt hatten. Es gab keinen Selbsthass mehr, der mich dazubringen könnte, Dinge zu tun, die ich bereuen würde, wenn ich wieder zu mir komme. Der Wunsch mein Leben zu beenden, war nicht länger existent. Stattdessen wollte ich bloß noch eins. Klarheit. Ich wollte endlich wissen, wie es passieren konnte, dass ein Mörder aus dem Gefängnis ausbrechen kann, ohne dass es jemand bemerkt. Hellwach riss ich meine Augen auf. Das Gefühl der Schwäche war mit einem Mal verschwunden. "Das Gefängnis." flüsterte ich und erhob mich mit weichen Knien vom heruntergekommenem Teppichboden. Mit vorsichtigen Schritten machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer, wo mein Spiegelbild mich sogleich in Empfang nahm. Der Alkohol der vergangenen Nacht, hatte seine Spuren hinterlassen. Ich sah schlimm aus, schlimmer als die letzten Tage. Dennoch kam es mir vor, als würde ich endlich wieder in mein eigenes Gesicht schauen. In Augen, die nicht den puren Hass in sich trugen. Wo zuvor Vergeltung seinen Platz hatte, machte sich nun das Bedürfnis nach Gerechtigkeit breit. "Ich habe eine Stunde." erinnerte ich mich an die Worte des Mannes und sah im nächsten Moment skeptisch zur Duschkabine. Ein kalter Schauer jagte mir beim näheren betrachten über den Rücken. Ich warf einen zweiten Blick in den verschmierten Spiegel und wusste, dass es keinen Weg gab, um einer ausgiebigen Dusche zu entkommen. Während ich meine Klamotten auszog, sträubte sich alles in mir dagegen. "Denk dran, wie das warme Wasser das schmutzige Gefühl des Alkohols wegspülen wird." rief ich mir ins Gedächtnis und legte Handtücher, frische Klamotten und Waschzeug heraus, bevor ich meinen Körper schleppend in die kleine Kabine, dessen Vorhang ich schützend zu zog, bewegte und das Wasser aufdrehte. Dieses ließ mich vor Kälte leise aufschreien als schwere Tropfen auf meine Haut plätscherten. Mit geschlossenen Augen legte ich den Kopf in den Nacken und versuchte der unangenehmen Temperatur standzuhalten ohne weitere Laute von mir zu geben. Ich hatte nicht vorgehabt viel Zeit unter Dusche zu verbringen, wodurch mir das kalte Wasser ziemlich gelegen kam. Den Kopf frei von irgendwelchen Gedanken, verteilte ich das Shampoo auf meinem zittertenden Körper und wusch mir anschließend die Haare, um endlich aus der kleinen Zelle, die eine Duschkabine darstellen sollte, herauszukommen. Ohne zu zögern wickelte ich mich in eines der herausgelegten Handtücher ein, wodurch mein Körper mit einem mal von einem wohligen, vertrautem Gefühl aufgewärmt wurde. "Vielleicht der Gedanke an Spencer." dachte ich mit einem beinah verlegenem Lächeln, wobei ich mit meinem Zeigefinger über den kaum beschlagenen Spiegel wischte und die Erinnerung an ihn nicht länger unterdrücken konnte. "Bist du dir sicher, dass du es allein schaffst?" hatte er geflüstert, während seine Lippen bloß einige Zentimeter von meinem Nacken entfernt gewesen waren, weshalb ich seinen warmen Atem hatte spüren können. "Mach es uns beiden nicht so schwer." hatte ich ihn leise gebeten und seine Hände langsam von meinen Hüften geschoben. Es war das erste Mal seit Aiden's Geburt, vor einem halben Jahr, gewesen, dass er in den Außeneinsatz musste und für einige Tage nicht bei uns sein würde. "Ich denke nur, dass es womöglich noch zu früh ist." hatte Spencer entgegnet und mich erneut an sich gedrückt als würde er mich nie wieder sehen. "Wir beide werden es schon hinbekommen." hatte ich versucht ihm zu versichern, ohne damit zu rechnen, was noch auf uns zu kommen würde. "Gib dem Kleinen einen Kuss von mir und sag ihm, dass er gefälligst auf mich warten soll, bevor er etwas neues lernt." hatte Spencer grinsend bemerkt, wobei er gewusst hatte, dass ihm der Abschied unglaublich schwer gefallen war und er mit dieser Bemerkung nur hatte verhindern wollen, mich in völliger Trauer zu verlassen. Es war ihm gelungen. Ich hatte mich lachend umgedreht und ihn ein letztes Mal geküsst, bevor er die Wohnung verlassen hatte. "Du hast niemanden im Stich gelassen." meldete die liebevolle Stimme meiner Mutter sich zu Wort, welche mich zugleich aus der Vergangenheit herausholte. Es war mir nicht neu, dass irgendwelche Stimmen durch meinen Kopf geistern, wobei jeder Mensch, der auch nur halbwegs bei Vernunft war, mich für diese Aussage wahrscheinlich für total verrückt erklärt hätte. Allerdings war ich weder verrückt, noch hatte ich komplett den Verstand verloren. Der Zuspruch meiner Mutter, auch wenn ich mir diesen bloß eingebildet hatte, half mir dabei, mich nicht abermals in das selbstzerstörende Verhalten, welchem ich normalerweise nachgegangen wäre, zu stürzen. "Du bist nicht allein." flüsterte ich und musste daran denken, wie oft mir diese Worte in letzter Zeit zu Ohren gekommen waren. Damals mochten sie gestimmt haben, doch nun tun sie es nicht mehr, denn ich war allein. Niemand wusste, wo ich mich aufhielt oder ob ich überhaupt zurückkommen würde. "Ich bin voll und ganz auf mich gestellt." zog ich meine vorherige Bemerkung zurück und hätte erwartet, dass mich diese Erkenntnis oder zumindest das Gefühl der Einsamkeit mich mit all seiner Kraft überwältigen würde. Doch dem war nicht so. Stattdessen hatte ich die Kontrolle über mein Handeln wiedererlangt.

Crave you// criminal mindsOù les histoires vivent. Découvrez maintenant