Kapitel 16

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"Du bist nicht alleine. Wir sind in deiner Nähe und werden eingreifen, sobald du uns das Zeichen gibst. Das verspreche ich dir im Namen von uns allen." hallten Dave's Worte in meinem Kopf wieder. Der ältere Italiener hatte sanft meine Hände gedrückt, bevor er mich mit Spencer allein gelassen hatte. "Rossi hat recht." hatte mein Freund leise begonnen, wobei sein Daumen behutsam über meine Wange gestrichen war. Für einen kurzen Moment hatte ich die Augen geschlossen, ehe ich ihn angsterfüllt angeschaut hatte. "Wir können, dass alles noch immer abbrechen, wenn du..." "Ich bin okay." war ich Spencer ins Wort gefallen und hatte ihm anschließend einen Kuss gegeben. "Geh jetzt. Ich bekomme das hin." hatte ich gesagt. Dies war nun gute zwanzig Minuten her. Zwanzig Minuten, die ich bereits auf Keith wartete. Nachdem Penelope sein Handy geortet hatte, ging alles furchtbar schnell. Hotch und Emily erzählten von ihrem Plan, der ihrer Meinung nach einwandfrei sei, und erklärten uns, was wir zu tun hatten. Seitdem waren 31 Stunden vergangen. 31 Stunden voller Nervosität. Das lange Warten war eine Qual für mich gewesen. Ich hatte daher damit gerechnet, dass es eine Erleichterung sein würde, wenn ich endlich im Auto sitzen und zu dem Treffpunkt fahren würde. Da hatte ich mich gewaltig getäuscht. Mein Herz pochte im Sekundentakt und hämmerte unweigerlich gegen meine Brust, sodass ich dachte, dass es jeden Augenblick herausspringen würde. Meine Hände, dessen Knöchel sich auf Grund des festen Griffes um das Lenkrad weiß verfärbt hatten, schwitzten. Mein Hals war trocken, was mich glauben ließ, dass ich kein Wort herausbringen würde, wenn Keith vor mir steht. Der Gedanke ihn nach so langer Zeit wiederzusehen trieb mir Tränen in die Augen, doch jetzt gab es kein zurück mehr. Es wurde gegen meine Fensterscheibe getrommelt. Nicht laut, dennoch genügte es, um mich zu erschrecken. Ich zuckte ängstlich zusammen und drehte den Kopf panisch nach links. Eisblaue Augen stachen aus der Dunkelheit hinaus. Augen, die ich unter 1000 erkennen und niemals vergessen würde. Keith stand direkt vor mir. Eine dünne Scheibe war alles, was uns voneinander trennte. Der Mann, der mein Leben vor zwei Jahren von ein auf den anderen Tag für immer zerstört hatte, grinste breit, während er um den Wagen lief. Zitternd entriegelte ich diesen. "Ich hatte schon Angst, du würdest dich nie melden." säuselte er und ließ sich in den Beifahrersitz fallen. "Wohin?" fragte ich monoton, den Blick auf den leeren Parkplatz, der sich vor mir befand, gerichtet. Keith holte sein Handy hervor und steckte dieses in den Halter, welcher auf der Armatur angebracht war. "Da kann es wohl jemand gar nicht abwarten mit mir allein zu sein." grinste er und gab die Adresse ein. "Keine Sorge. Es ist kein schäbiges Hotelzimmer, in das ich dich locke." "Halt die Klappe und lass mich einfach fahren." gab ich kühl wieder, wobei ich keine Ahnung hatte, woher ich den Mut nahm, um so mit ihm zu sprechen. "Oh Prinzesschen, einen schlechten Tag gehabt?" fragte Keith mit gespieltem Mitleid, während er seine Unterlippe nach vorne schob. "Gut, dass ich jetzt da bin." die Bemerkung ließ mich verbittert auflachen. "Aber natürlich." gab ich sarkastisch wieder und ich sah, wie Keith's Mundwinkel nach unten sanken, bevor er sich zu mir rüber lehnte. "Das hier." eine Pause, die wahrscheinlich für Spannung sorgen sollte, folgte. "Könnte die beste Nacht deines Lebens werden." beendete Keith den Satz, wobei er seine Hand auf meinem Oberschenkel platzierte. Ich versuchte gegen das Ekelgefühl anzukämpfen, weshalb ich einfach weiter starr geradeaus blickte. "Erinnerst du dich an das letzte Mal." raunte er mir zu und ließ seine Hand weiter nach oben wandern. In meinem Kopf spielte sich die Vergewaltigung ab. Ich spürte die Schmerzen, den Lauf seiner Waffe an meiner Schläfe und seine rauen Lippen an meinem Ohr. Ein kalter Schauer lief mehr den Rücken hinunter. Ich schüttelte mich leicht. "Du erinnerst dich." bemerkte Keith mit einem selbstgefälligen Grinsen. Neben seiner Berührung, die meinen Körper von innen verbrennen ließ, spürte ich seinen Blick auf mir. "Halt an." wies er mich an. "Was? Nein." entgegnete ich mit einer kurzen Pause zwischen den beiden Wörtern, nachdem ich mich umgeschaut hatte. Wir waren auf irgendeiner verlassen Feldstraße gelandet, um uns herum das schwarze Nichts. "Hier halte ich nicht an." dachte ich stur und fuhr achtlos weiter. Das Tempo erhöhte ich hierbei. "Halt an, habe ich gesagt." zischte Keith, wobei er mir ins Steuer griff und mich somit völlig aus dem Konzept brachte. Ich verlor kurzzeitig die Kontrolle über den Wagen. Es waren bloß ein paar wenige Augenblicke, doch diese genügten, um das Auto ins schleudern zu bringen. Panisch drückte ich mit aller Kraft auf die Bremse. Die Reifen drehten völlig durch. Ein lautes Quietschen dröhnte mir in den Ohren, während der Wagen mit einer Vollbremsung zum Stehen kam und ich mit einer gewaltigen Wucht nach vorn geschleudert wurde. Mein Kopf knallte aufs Steuer, ehe ich in den Sitz gepresst wurde. Stille. Meine beschleunigte Atmung war alles, was zu hören war. Benommen fasste ich mir an die Stirn, die höllisch schmerzte. Ich blutete, wenn auch nicht stark. Mein Blick wanderte zu Keith. Dieser schien nicht besser als ich auszusehen. "Zufrieden?" fragte ich gereizt. "Du hättest einfach nur anhalten müssen!" fuhr er mich an und stieg aus dem Auto. Ich hätte losfahren können, mich in Sicherheit bringen. Stattdessen tat ich es ihm gleich. "Was willst du hier?!" fragte ich entnervt und zeigte demonstrativ um mich herum. "Du möchtest wissen, was ich hier will?" hakte Keith nach. Seine Stimme hatte einen herausfordernden Ton und es gefiel mir nicht, dass er mit großen Schritten auf mich zukam. Reflexartig trat ich zurück, doch weit kam ich nicht, da ich gegen den Wagen stieß. "Ich sage dir, was ich hier will." Keith baute sich vor mir auf. "Was siehst du?" wollte er wissen und drückte mich gegen die geschlossene Autotür. Ich sah mich abermals um, doch fiel mir nichts ins Auge. "Sag mir was du siehst!" wiederholte er wütend, wobei sein Griff um meine Taille stärker wurde. "Nichts." entgegnete ich kleinlaut. "Nichts?' hakte Keith nach und schüttelte den Kopf, ehe er mich abrupt losließ und sich mit dem Rücken zu mir drehte. "Weißt du was das hier ist?" wollte er wissen. Ich sah ihn fragend an. "Das hier ist Freiheit!" rief Keith und streckte dabei die Arme aus. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist auf engsten Raum mit zwei fremden Kerlen eingesperrt zu sein, die dich ständig und wann immer sie können schikanieren. Du hast ja keine Ahnung wie das Leben im Gefängnis ist und was es mit dir macht." fügte er hinzu, was mich bloß verbittert auflachen ließ. Seine eisblauen Augen funkelten mich wutentbrannt an, ehe er mich abermals gewaltvoll gegen den Wagen drückte. "Du hast dich selbst ins Gefängnis befördert!" zischte ich und versuchte ihn von mir wegzudrücken, doch gelang es mir nicht. Stattdessen traf seine flache Handfläche meine Wange, die daraufhin stechend zu schmerzen begann. "Du hast keine Ahnung wer ich bin, Casey." flüsterte er dann mit bedrohlicher Stimme in mein Ohr, wodurch sich eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper zog und das, obwohl mir vor Panik unglaublich warm war. "Hunter Pierce." gab ich kaum hörbar hervor und sah ihm unsicher in die Augen. Ich wollte nicht, dass er meine Angst zu spüren bekam, allerdings war mir bewusst, dass es ihm lange klar sein musste. Meine starke Fassade ihm gegenüber bröckelte von Augenblick zu Augenblick ein kleines Stückchen mehr. Das Selbstbewusstsein, welches ich zu Anfang hatte, war endgültig verschwunden und ich konnte nicht sagen, ob es noch einmal wiederkommen würde. "Wie hast du mich genannt?" fragte Keith ungläubig. Ich gab ihm keine Antwort, was ihm nicht gefiel. "Ich will wissen, wie du mich genannt hast?!" fuhr er mich an und umfasste plötzlich meinen Hals. Ich begann panisch nach Luft zu schnappen, doch funktionierte dies nicht. Kein Ton bekam ich heraus, um ihn anzuflehen mich loszulassen. Erst nach ein paar weiteren Sekunden, die mir jedoch wie Stunden vorkamen, ließ er von mir ab. Ich holte tief Luft, wodurch meine Lungen brannten. "Nicht atmen zu können, wie viele Male musste ich dies bereits erleben?" ging es mir durch den Kopf und Erinnerungen schlichen sich nach und nach vor mein inneres Auge. Allerdings verschwanden jene genauso schnell, wie sie aufgetaucht waren. "Woher hast du den Namen?" wollte Keith mit drohender Stimme wissen. "Das Bild." begann ich zögerlich, wobei mein Blick zu Boden gerichtet war. Ich traute mich nicht ihm in die Augen zu sehen. "Das Bild von deiner Frau und deiner Tochter. Ich war in deiner Zelle und habe dort die Kiste mit den Briefen, die du an mich geschrieben hast, gefunden. Da habe ich auch das Bild her." erklärte ich unsicher. Keith's​ Blick war starr geradeaus gerichtet, wobei er seine Hände zu Fäusten ballte. "Die technische Analytikerin unseres Teams hat über die Gesichtserkennung erkennen können, um wen es sich bei dem kleinen Mädchen und der jungen Frau handelt. So sind wir auch auf Hunter Pierce gestoßen." fuhr ich leise fort und biss mir anschließend nervös auf die Unterlippe. "War deine Angst größer, nachdem du erfahren hast, wer ich bin?" fragte Keith grinsend. Ich schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. "Nein." antwortete ich und bemühte mich darum selbstbewusst zu klingen. "Du lügst." entgegnete Keith, wobei er mich abermals gegen den Wagen drückte. "Ich habe meine Frau und mein eigen Fleisch und Blut umgebracht. Warum sollte ich dich also verschonen?" "Du hattest bereits so viele Möglichkeiten mich zu töten, aber hast es nie getan. Du hättest mich innerlich töten können, indem du mir meinen Sohn nimmst, aber auch das konntest du nicht. Die Antwort auf deine Frage ist simpel." ich machte eine Pause. Keith schien sich ertappt zu fühlen. Er wusste, was ich sagen würde. "Du liebst mich... Nein. Du vergötterst mich und genau das verschont mich. Du könntest nicht mit dem Gedanken leben, dass ich durch deine Hände gestorben wäre. Du hast Aiden verschont, weil du ihn in deine kranke Fantasie miteinbezogen hast. Du hast deine eigene Familie ausgelöscht und willst sie nun ersetzen." sprach ich weiter. Keith schwieg. Hatte ich einen wunden Punkt getroffen? "Warum hast du deine Frau und deine Tochter getötet?" wollte ich zögernd wissen. Stille. "Ich hatte Keith sprachlos gemacht. Vielleicht weil er den Grund, weshalb er seine Familie umgebracht hatte, nicht kannte?" so viele Fragen schossen mir durch den Kopf. "Ich habe Ashley geliebt. Verstehst du? Sie war die Liebe meines Lebens, aber Kinder können vieles zerstören." begann Keith, der in Gedanken versunken schien. "Es wurde einfach langweilig." "Du hattest eine Affäre." schlussfolgerte ich, woraufhin er nickte. "Ich hatte viele, aber mir fehlte etwas. Eine Frau, die mich versteht und mich nicht wie ihren Handlanger behandelt." Keith schnaubte wütend. "Sie hat mich bloß noch benutzt. Es war ihr wichtig, was ihre Freundinnen und unsere Nachbarn von uns denken. Ich war ihr Schoßhündchen!" schrie er und schlug neben die Fensterscheibe des Autos, wodurch ich erschrocken zusammenzuckte. "Was war mit deiner Tochter? Sie war ein Kind." warf ich ihm vor. "Sophia." Keith schien sich an sie zu erinnern, bevor er zu sprechen anfing. "Es war ein Unfall. Ich liebte Sophia. Sie war mein Lichtblick, wenn ich von einem stressigen Tag nach Hause kam. Ich hatte nicht vor sie zu töten!" rief er erschüttert. Keith war ein Unmensch, dennoch verspürte ich Mitgefühl mit ihm. "Ich wollte meine Frau umbringen, aber nicht Sophia. Es war ein Unfall." redete er weiter und ich konnte nicht sagen, was mit mir geschah. "Dieser Mann ist ein Monster. Er hat nicht bloß seine eigene Familie ausgelöscht, sondern auch so viele Frauen auf dem Gewissen. Dass er seine Tochter vermisst und Schuldgefühle hat, dass er für ihren Tod verantwortlich ist, sollte nichts an der Tatsache ändern, was er mir angetan hat. Keith gehört ins Gefängnis... Oder verdient den Tod, damit er endlich an den Ort kommt, der für ihn bestimmt ist... Die Hölle." dachte ich und bemühte mich darum, ihn nicht vernichtend anzufunkeln. "Wie ist es passiert?" wollte ich stattdessen wissen. "Ich hatte alles bis ins kleinste Detail geplant. Sophia sollte bei einer Freundin sein, während ich mir für den Nachmittag ein Alibi verschafft hatte. Der Mord an Ashley wäre nie auf mich zurück zuführen, aber es ist schief gelaufen. Ich hätte einen Plan b gebraucht. Ich kam nach Hause, wo ich auf Ashley traf. Sie hatte nichts besseres zu tun als sich über irgendetwas aufzuregen. Ich hörte ihr eine Weile zu, bis ich es nicht mehr aushielt und die Waffe hervorholte. Ashley wollte wissen, was ich vor habe. Ich gab ihr keine Antwort. Drückte einfach ab. Die Kugel ging durch ihren Kopf und sie kippte um. In Windeseile​ bildete sich eine riesige Blutlache um ihren leblosen Körper. Ich fühlte mich endlich befriedigt." Keith stoppte und drehte sich mit dem Rücken zu mir. "Plötzlich ertönte Sophia's Schrei. Sie stand im Türrahmen. Ich hatte mich erschrocken und war auf den Auslöser der Waffe gekommen." "Du hast sie erschossen." beendete ich seine Erzählung. Abermals hatte ich Keith gegenüber Mitgefühl und es gefiel mir keineswegs. "Es war ein Unfall." wiederholte er wie in Trance, doch wollte ich nichts mehr von dem Ereignis wissen. So sehr mir der Verlust seiner Tochter auch leid tat, ich würde ihm nie verzeihen können. Er war alt genug, um sich im klaren darüber zu sein, was er tut. Selbst, wenn es "nur" bei dem Mord an seiner Frau geblieben wäre, hätte diese Tat ihm zu einem Monster gemacht. "Wir fahren weiter." entschied ich bestimmend und stieg ohne auf eine Antwort zu warten ins Auto. "Er wird für das, was er mir angetan hat, bezahlen." flüsterte ich, ehe Keith sich neben mir in den Sitz fallen ließ. "Nun bin ich diejenige, die dran ist, Rache zu nehmen." dachte ich und startete den Motor.

Crave you// criminal mindsWhere stories live. Discover now