Kapitel 12

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Eine eisige Kälte zog sich über meinen kompletten Körper, obwohl ich innerlich zu verbrennen schien. Schweiß hatte sich auf meiner Stirn gebildet, während ich mich darum bemühte den Wagen zum Stehen zu bekommen, ohne eine Vollbremsung hinzulegen. Dies misslang mir allerdings, weshalb ich unsanft nach vorn geschleudert wurde, ehe mein Körper zurück in den Sitz gepresst wurde. "Fehler existieren um gemacht zu werden. Man lernt schließlich aus ihnen, so sagt man. Aber was ist, wenn man einen Fehler begeht, der einem Mensch sein Leben nimmt?" ein Gedanke, der mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen war. "Keith war mir nie gefolgt. Er hatte von Anfang an geplant jemanden zu verletzen, den ich liebe, um mich für sich zu haben." so lautete meine Theorie, die ich aufgestellt hatte, während ich den Weg, für den ich im Normalfall 10 Minuten gebraucht hätte, in 5 hinter mir gelassen hatte. Wie versteinert starrte ich nun in die Dunkelheit, welche durch die hellen Lichter eines Krankenwagens zum Teil weniger schaurig wirkte. Zumindest für jeden anderen Menschen. Denn für mich symbolisierte der Krankenwagen, dass all das kein Alptraum gewesen war. Die blauen Lichter ließen mich wissen, dass Keith hier war und nun vor nichts mehr zurückschrecken würde. "Der Kampf gegen ein Monster hatte begonnen." flüsterte ich und stieg mit weichen Knien aus dem Auto, ehe ich die Tür lautstark zufallen ließ. Nur quälend trugen mich meine Füße voran, sodass es mir wie eine Ewigkeit vorkam, bis ich vor dem Eingang des Wohnhauses stand. Die Tür zum Treppenhaus, welches im Dunkeln lag, stand sperrangelweit offen. Automatisch griff ich nach meiner Waffe, die ich im nächsten Augenblick in den Händen hielt und in das Nichts vor mich richtete. Bevor ich jedoch den ersten Schritt machen konnte, wurde das Treppenhaus plötzlich hell erleuchtet und lautes Gepolter drang von einem der oberen Stockwerke nach unten. Erschrocken löste ich mich aus meiner Schockstarre, in die ich kurzzeitig verfallen war, und folgte den Geräuschen, indem ich die Stufen nach oben rannte. Dabei achtete ich nicht auf meine Umgebung, was beinah ein fataler Fehler geworden wäre, da ich gerade so verhindern konnte mit zwei Sanitätern zusammenzustoßen. Diese schauten mit einem verunsicherten Blick auf meine Waffe, die ich langsam sinken ließ. Meine Aufmerksamkeit galt der Liege, welche die beiden Männer trugen, oder viel eher der Person, die auf dieser lag. "Mum." flüsterte ich und konnte bereits spüren, wie sich abermals Tränen in meinen Augen ansammelten. Abwesend griff ich nach ihrer Hand. "Ich muss Sie bitten aus dem Weg zu gehen." begann der jüngere der beiden Sanitäter zögerlich, woraufhin ich nickte, mich jedoch nicht rührte. "Die Frau muss umgehend behandelt werden." drängte der andere, wobei er mich unsanft zur Seite schubste und sich mit seinem Kollegen anschließend wieder in Bewegung setzte. "Was ist mit meinem Sohn?" brachte ich wimmernd hervor, nachdem ich den Männern nach draußen gefolgt war und nun völlig aufgelöst vor dem offenen Krankenwagen stand. "In der Wohnung war kein Kind." es waren wenige Worte, die dennoch eine solche Kraft besaßen, dass ich jeglichen Halt verlor und auf meine Knie sank. Alles um mich herum schien zu verschwimmen, während ein schrilles Piepen das einzige war, was meine Ohren wahrnehmen konnten. Ich zuckte nicht einmal zusammen als sich von hinten plötzlich zwei große Hände um meine Taille legten und mich wieder auf die Beine zogen. "In der Wohnung war kein Kind." immer wieder hallte die Aussage durch meinen schmerzenden Kopf, während mich die Person, von der ich festgehalten wurde, zu sich drehte. "Hey... schau... an..." ich hörte bloß Bruchteile dessen, was mir gesagt wurde. "Kümmer mich... Agent... ihr Freund..." der letzte Teil ließ mich hellhörig werden. Zwanghaft versuchte ich, meine Sicht zurückzuerlangen. Immer wieder schlug ich die Augen auf, um sie anschließend wieder fest zu schließen. "Case?" abermals öffnete ich meine Augen und schaute in ein vertrautes Gesicht. "Spence?" es war nicht meine Absicht, seinen Namen wie eine Frage klingen zu lassen, doch traute ich meinem Verstand nicht. Ich hatte das Gefühl, Realität und Einbildung nicht mehr voneinander trennen zu können. Mein Blick schien derweil durch Spencer hindurch zu gehen als ich vorsichtig über seine Wange strich. "Es wird alles gut werden." flüsterte er und nahm meine Hand behutsam in seine. Ich schüttelte den Kopf. "Aiden ist weg." hauchte ich und wollte mich von Spencer losreißen, doch ließ dieser es nicht zu. "Case!" ermahnte er mich stattdessen und schaute mich mit ernster Miene an. "Du glaubst nicht wirklich, dass ich dich loslassen werde, oder?" wollte mein Freund mit Blick auf unsere ineinander verschränkten Hände wissen. Ich gab ihm keine Antwort, sondern zog ihn einfach hinter mir her. Aiden war in diesem Augenblick mein einziger Gedanke. Die Ungewissheit was mit ihm geschehen sein könnte, ließ meine Lungen bei jedem Atemzug ein klein bisschen mehr schmerzen. Die Angst, dass Keith seine Drohung wahrgemacht haben könnte, brannte Bilder in mein Unterbewusstsein, während Spencer und ich vor der geöffneten Wohnungstür meiner Mutter zum Stehen kamen. Abwesend ließ ich seine Hand los und betrat mit zitternden Knien den nicht beleuchteten Flur. "Komm schon." hörte ich meinen Freund, der versuchte das Licht einzuschalten, murmeln. "Er hat die Sicherung manipuliert." meldete eine dunkle Stimme sich zu Wort, die keinem anderen als Derek gehörte. "Es tut mir leid, Case." bemerkte eine Frau, bei der es sich um JJ handelte. "Ich verstehe nicht, wie so etwas passieren konnte." sagte ich wie in Trance und blickte in das ebenso finstere Wohnzimmer. Wieder kam diese eisige Kälte zurück, welche mich noch stärker zittern ließ. "Wisst ihr schon, wie er in die Wohnung gekommen ist?" fragte Spencer, dem JJ eine Taschenlampe überreichte. "Wir vermuten, dass er sich irgendwie Zutritt verschafft hat ohne, dass deine Mum es mitbekommen hat. Er war also die ganze Zeit in der Wohnung und hat bloß auf den richtigen Moment für seinen Überfall gewartet." erklärte Derek. "Hört auf damit." zischte ich leise und hielt mir meinen pochenden Kopf. "Hört auf Rücksicht auf mich zu nehmen, indem ihr es vermeidet seinen Namen zu erwähnen!" entfuhr es mir wütend, bevor heiße Tränen über mein ohnehin schon glühendes Gesicht rollten. Ein weiteres Mal brach ich zusammen. Ein weiteres Mal sank ich auf meine Knie. Ein weiteres Mal fühlte ich mich schwach und hilflos. Ich wollte sprechen, den anderen sagen, wie sehr ich mich dafür hasse, dass ich einfach abgehauen bin. Ich wollte schreien und so meine Wut gegenüber Keith, aber vor allem mir selbst, herauslassen. Stattdessen waren Tränen das einzige, wodurch ich meine Gefühle zum Ausdruck brachte. Ich weinte lautlos, beinah völlig stumm. Meines Erachtens die schlimmste Art zu weinen. Dabei kam es mir jedes Mal so vor als würden mich meine Tränen von innen überfluten, auch wenn diese über meine Wangen hinunterliefen. Es fühlte sich nicht so an. "Case." flüsterte Spencer, der mich so aus meinen Gedanken riss. Ich schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, dass er verstehen würde, dass ich nicht reden konnte. "Es ist in Ordnung, Süße." fügte er leise hinzu und legte seine Arme behutsam um mich. Erschöpft schloss ich die Augen, während mein Kopf gegen Spencer's Brust ruhte. Auch sein Herzschlag lag weit über dem normalen, was man Außen nur hätte erahnen können. Er wirkte... gelassen und so als, würde er einen Überblick über alles haben. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich fühlte mich schlecht. "Nicht einmal in einer solchen Situation bekommst du es hin, die Fassung zu bewahren. Dein Sohn ist weg und dir fällt nichts Besseres ein als loszuflennen." bekam ich von meinem Unterbewusstsein zu hören, wodurch das schlechte Gewissen, welches ich bereits hatte, noch wuchs. Mit diesem auch der Wille etwas zu tun. "Vorsichtig, nicht so schnell." ermahnte Sencer mich liebevoll als ich plötzlich zu taumeln begann, nachdem ich zu schnell aufgestanden war. "Wir müssen Aiden finden." sagte ich, wobei ich entschlossen meine Tränen trocknete. "Keith hat ihn niemals mitgenommen, dafür war er viel zu genervt von Aiden's Geschrei. Das würde er sich selbst, also auf keinen Fall antun." plapperte ich drauflos und stürmte ins Wohnzimmer. "Er..." ich wurde von Derek unterbrochen. "Wir haben die Wohnung schon durchsucht, Casey. Aiden ist nicht hier." sagte er, woraufhin ich ihn fassungslos ansah. "Ich kann mir vorstellen, was das ganze mit dir macht und wie sehr du daran festhalten willst, dass es Aiden gut geht, aber..." "Es geht ihm gut!" fiel ich meinem ehemaligen Arbeitskollegen ins Wort. "Casey, du kannst die Tatsache, dass er Aiden nicht verschont hat..." "Hör auf Derek!" fuhr ich ihn gereizt an und riss ihm seine Taschenlampe aus der Hand. "Ich würde es spüren, wenn Aiden etwas zugestoßen wäre." fügte ich mit fester Überzeugung hinzu, bevor ich mich von Spencer und den andern beiden abwandte. "Mein Sohn ist am Leben, ich weiß es." dachte ich und setzte zögernd einen Fuß in das Gästezimmer meiner Mutter, in dem Spencer und ich bereits des öfteren übernachtet hatten und welches unverändert wirkte. Ich war froh darüber gewesen, dass der Strom nicht funktionierte und mir so ein Großteil des Wohnzimmers erspart geblieben war. Mir hatten die umgerissenen Bücherregale und der zerstörte Glastisch, an welchem das getrocknete Blut meiner Mutter klebte, gereicht. Nun stand ich ohne zu wissen, was ich tun sollte, vor Aiden's aufklappbarem Reisebett, in dem er eigentlich hätte liegen sollen, und starrte nachdenklich auf das kleine Kopfkissen mit den roten Flugzeugen. "Wir finden ihn." es war Spencer, der sich zu Wort meldete als er den Raum betrat. "Hat Derek recht?" fragte ich und kämpfte dabei gegen neue Tränen und das Beben meiner Lippen an. "Könnte es sein, dass Keith Aiden..." ich stoppte, da ich den Gedanken nicht laut aussprechen konnte. "Er lebt." entgegnete mein Freund entschlossen und schloss mich erneut in seine Arme. Ich überlegte nicht, sondern drückte meinen Körper bloß fester an ihn. Es war eine solche Hilflosigkeit, die mich paralysierte und mir jegliche Kraft zum Denken raubte. "Wir werden auch das hier schaffen, Case. Alles wird..." ein lauter Schrei unterbrach Spencer, den ich erschrocken ansah. Binnen weniger Sekunden lösten wir uns voneinander, ehe ich die Tür des Wandschranks aufriss. In diesem befand sich unser Sohn, welcher weinend in seinem Kindersitz lag. "Oh mein Gott." flüsterte ich und fiel stürmisch auf meine Knie, um dem Kleinen näher zu sein. "Mummy und Daddy sind hier." versuchte ich ihn zu beruhigen, während Spencer ebenfalls neben mir Platz nahm. "Wir sind hier." wiederholte ich leise und drückte Aiden behutsam an meine Brust. "Ich liebe euch." hauchte Spencer mir kaum hörbar zu, wobei er mich und den Kleinen in eine liebevolle Umarmung zog.

Crave you// criminal mindsOù les histoires vivent. Découvrez maintenant