Kapitel 01: Frustsaufen mit El

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Ok, 70 Reads und diverse Leselisten-Einträge, und das alles für einen Teaser? ^^ Ihr habt euch eindeutig Kapitel 1 verdient :D Viel Spaß damit!

Ich schloss meine Augen.

Es war einfach nur zum kotzen.

Gerade eben hatte ich die Absage des letzten Verlags für meinen Gedichtband gelesen. „Gut geschrieben, aber nicht mehr zeitgemäß", „spricht keine breite Masse an", „nicht das, was wir im Moment suchen"; das waren einige der Plattitüden, mit denen sich die Verlage von Literatur mit Tiefgang distanzierten. Aus ähnlichen Gründen war auch mein Krimi abgelehnt worden.

„Die Story hat echt potential, aber ganz ehrlich? Keine einzige Bettszene zwischen den beiden Hauptcharakteren? Wer liest sowas denn noch? Und stellen Sie sich vor, die Geschichte würde verfilmt. Da müsste ja das halbe Skript umgeschrieben werden."

Der Sachbearbeiter, mit dem ich telefoniert hatte, war mutig genug, mich zu fragen, ob ich nicht eine Geschichte mit mehr Sex schreiben könnte. Sowas würde sich im Moment ziemlich gut verkaufen. Das war modern. Oder vielleicht auch mit etwas Mystik.

„Wie wäre es mit einem Geister-Gewaltporno? Oder lieber etwas mit Zombies, die sich verlieben und vermehren können?" fragte ich im Gegenzug. Offenbar hatte er keinen Sinn für Ironie; die Ideen gefielen ihm. Er fragte nach Details. Ich legte auf, ohne noch ein Wort zu sagen.

Mein Gott, was war aus dieser Welt geworden? Wo waren die anspruchsvollen Leser hingekommen? Die Verlage, die den literarischen Hunger dieser scheinbar aussterbenden Art befriedigen wollten? Der dringende Wunsch, mich zu betrinken, schlich sich in meine Gedanken ein. Ach, was heißt betrinken? Ich brauchte eine epische Absturznacht. Saufen, bis der Frust ertränkt war, oder mir die Lichter ausgingen. Je nachdem, was zuerst kam. Das zweite war die wahrscheinlichere Variante, aber sie führte ja auch irgendwie zum Ziel. Vorübergehend. Egal. Ich wusste auch schon, wer mich zu dieser Absturznacht begleiten würde. El.

Eigentlich war ihr Name Elena. Elena Carter. Von ihren Freunden wurde sie aber „El" gerufen. Die genauen Ursprünge ihres Spitznamen waren irgendwann verschüttet gegangen. Vermutlich hatte das etwas mit einer ungesunden Menge alkoholischer Getränke zu tun. Dabei sah El auf den ersten Blick nicht so aus, als wäre sie besonders trinkfest.

Mit ihrem knapp einen Meter Siebzig war sie um fast einen Kopf kleiner als ich. Sie war schlank, hatte aber die richtigen Proportionen, um die meisten Kerle in ihrer Nähe nervös zu machen. Ihre dunkelblonden Haare trug sie am liebsten halblang. Ihr schelmisches Lächeln, ein echtes Markenzeichen von El, spiegelte sich auch in ihren smaragdgrünen Augen wider. Dabei war sie fast ein genau so großer Misanthrop wie ich. Aber irgendwie schaffte sie es, dem Ganzen ein bisschen mehr Humor abzugewinnen. Ihr Lächeln wirkte zumindest nie aufgesetzt

Ihr Kleidungsstil war, nun ja, „anders". Das meine ich nicht negativ. Der kurze schwarze Rock und das olivgrüne Tank Top, das sie an diesem Freitagabend zur Schau trug, standen ihr ausgezeichnet. Die Springerstiefel dazu? Nun, die waren wohl Geschmackssache. Aber sicher nicht der einzige Grund, warum die Leute sich nach ihr umdrehten.

Als ich das schäbige, alte Pub betrat, stand El bereits an der Bar und vernichtete ihr erstes Stout. Ich hoffte zumindest, dass es ihr erstes war.

„Trinkst du etwa schon wieder die halbe Bar unter den Tisch?"

Sie leerte ihr Glas, bevor sie sich zu mir umdrehte und ein breites Grinsen aufsetzte.

„Timothy Daniels, was sind das denn für Unterstellungen?"

Ich kam auf sie zu, wir umarmten uns und ich erntete dabei ein paar neidische Blicke aus halbdunklen Ecken. Nur sehr wenige Kerle durften so nahe an El ran. Die anderen, die es bereits versucht hatten: nun ja. Sie war nicht eben zimperlich, zu zeigen, wenn sie etwas nicht wollte. Und sie hatte einen ziemlich fiesen rechten Haken. Wenn derjenige nicht Pech hatte und sich einen Tritt zwischen die Beine einfing. Oder eine Ladung Pfefferspray. Es gab zahlreiche Geschichten von missglückten Versuchen, bei El zu landen. Ein paar Typen zuckten zusammen, wenn sie in der Nähe war. Ein Hauch von Angst lag in der Luft.

Die unglaublichen Abenteuer des Mister GruffelpuffWhere stories live. Discover now