Kapitel 16: Heilpflanzen und Bienenschwärme

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Die Wände im Eingangsbereich waren komplett und in mehreren Schichten bemalt. Schriftzüge wechselten sich mit verschiedenen Bildern ab: Gesichter, Tiere, in Farbe oder schwarz-weiß, teils ziemlich realistisch, teils stark verfremdet abgebildet, lieferten einen deutlichen Kontrast zu bunten Writings. Schweinkram suchte man hier allerdings vergeblich. Die Motive wirkten aufeinander abgestimmt.

„Das nennt man ein Mural", vernahm ich eine raue, tiefenentspannte Stimme zu meiner Rechten.

Hinter einem Tresen, der aus kleinen alten Ziegelsteinen hochgezogen worden und oben mit einer stabilen Eichenholzplatte versehen worden war, stand ein Typ unbestimmten Alters, der die dicksten Rastalocken aller Zeiten zur Schau trug. Er lächelte ein breites und tiefenentspanntes Bob-Marley-Lächeln und bewegte sich im Takt eines Hip Hop Songs, der irgendwo im Hintergrund lief. Mit ziemlicher Sicherheit konnte er sich glücklich schätzen, dass kein Cop der Stadt dumm genug war, in diesem Viertel Drogenkontrollen durchzuführen. Er wartete geduldig, bis ich sämtliche Eindrücke in mich eingesaugt hatte und bereit für ihn war. Ich trat an den Tresen.

„Hi."

„Hi, man. Du musst Tim sein. Ich darf dich doch Tim nennen, oder?"

„Klar, kein Problem."

Seine Augen waren leicht gerötet. Wunderte mich nicht.

„Gut, man. El meinte, du wärst recht entspannt, was sowas betrifft."

„Da hat sie wohl Recht. Und du bist?"

„Oh, wie unhöflich. Ich bin Jamal."

Er dehnte das zweite a unnatürlich in die Länge. Ich bezweifelte allerdings, dass seine Eltern ihn Jamaaaaal genannt hatten. Wobei... Ich hatte schon seltsamere Namen gesehen.

„Ist El heute im Haus?"

„Klar, man. Sie wartet mit den Kids im Studio auf dich."

Er deutete auf einen breiten Durchgang, der sich links vom Tresen befand.

„Sehr gut. Dann will ich dich mal nicht weiter aufhalten bei..."

„Ja, man, danke. Viel Spaß da drin."

Ich folgte dem Beat, der mit jedem Schritt lauter wurde und befand mich schließlich in einem großen, rechteckigen Raum, der von einer Ansammlung von u-förmig aneinandergereihten Arbeitsflächen in seinem Zentrum beherrscht wurde. Im Hintergrund standen ein paar PCs an der Wand gegenüber vom Eingang. Die beiden Wände rechts und links von mir waren vollgestopft mit Regalen, die allerlei Bastelkram enthielten, soweit ich das auf die Schnelle überblicken konnte. Und direkt neben dem Eingang standen mehrere Whiteboards nebeneinander. Das alles wirkte erstaunlich aufgeräumt und organisiert, obwohl man das kreative Chaos, das diesen Raum erfüllte, förmlich spüren konnte. Um die Arbeitsflächen verteilt stand eine Horde Kids unterschiedlichen Alters. Zwischen ihnen, im Inneren des U stand El, über die Arbeitsfläche gebeugt mit dem Rücken zu mir gewandt. Sie trug ein schlichtes schwarzes Shirt und eine weit geschnittene dunkelblaue Jeans. Diesen Hintern würde ich aber unter tausenden und in sämtlichen Kleidungsvarianten wiedererkennen, dachte ich mit dem Anflug eines Lächelns, bevor ich den Gedanken wieder verscheuchte. Die Musik wurde leiser gedreht.

„Starrst du mir etwa schon wieder auf den Hintern?"

„Ich habe ein Auge für Kunstwerke."

Die Kids lachten und El drehte sich um.

„Schleimer."

Ich zuckte mit den Achseln, was die Kids wieder zum Lachen brachte.

„Alle hergehört: Das ist Tim. Auch wenn er nicht so aussieht: Er hat ein Kinderbuch geschrieben und braucht unsere Hilfe beim Cover."

Die unglaublichen Abenteuer des Mister GruffelpuffWhere stories live. Discover now