Kapitel 06: Schwarz ist das neue Schwarz

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Es war ein seltsames Gefühl. Ich saß hier vor einem Buch, das ich offenbar komplett geschrieben hatte, an dessen Entstehungsprozess ich mich aber nur bruchstückhaft erinnern konnte. Und doch ergab die Geschichte in sich Sinn. Ich fand sie sogar erstaunlich gut. Sie erinnerte mich ein bisschen an die Abenteuerbücher, die ich als Kind verschlungen hatte, ohne dabei aber altbacken zu klingen.

Was kam als nächstes?

Sollte ich wirklich versuchen, die Geschichte zu veröffentlichen?

Wollte ich, dass Mr. Gruffelpuffs Abenteuer einen Verlag fand?

Der „stolze Papa" in mir wollte Mr. Gruffelpuff natürlich auch in Printform in Händen halten; mein innerer Kinderhasser war sich da nicht so sicher. Wollte ich meinen Namen wirklich auf ein Kinderbuch schreiben? Sollte ich ein Pseudonym verwenden? Fragen über Fragen stürmten auf mein leicht angetrunkenes Ich ein. Aber eigentlich erübrigten sie sich fast alle, wenn der nächste Schritt nicht klappen würde, nämlich dann, wenn überhaupt niemand die Geschichte publizieren wollte. Damit hatte ich ja bereits einige Erfahrung gesammelt. Aber direkt aufgeben wollte ich auch noch nicht. Also nutzte ich den restlichen Vormittag nicht nur dazu, auszunüchtern, sondern auch die Adressen derjenigen Verlage herauszusuchen, die unter Umständen interessiert sein könnten. Ich suchte mir die richtigen Ansprechpartner heraus und sandte ihnen jeweils eine E-Mail mit den ersten einhundert Seiten als Leseprobe. Falls alle Stricke reißen sollten, konnte ich zur Not ja immernoch per Book on Demand veröffentlichen. Aber das wollte ich eigentlich vermeiden, also hoffte ich das Beste, als ich gegen Mittag auf „Senden" drückte.

Danach zog ich mich um, und machte mich auf den Weg zu Els Ausstellung. Morgen wäre die große Eröffnungsfeier, aber ich durfte schon einen Tag vorher rein, um Impressionen und noch ein paar ungestörte Fotos für den Artikel zu sammeln. Ich war schon ziemlich gespannt auf das, was mich erwarten würde. El hatte sich natürlich in absolutes Schweigen gehüllt, damit ich mir vorab kein Bild darüber machen konnte, was ihre Ausstellung zeigen würde. Was natürlich das genaue Gegenteil bewirkte. Seit Wochen grübelte ich darüber nach. Aber das war wohl auch ihre Absicht gewesen. Keine Ahnung, ob das gut war. Aber egal. Ich kannte El und wusste, dass ich nicht weniger als beeindruckt sein würde.

***

Die Fassade der Lagerhalle hatte sich auf der Vorderseite deutlich verändert. Sie wirkte wie aus massivem Stein. Das langweilige Eingangstor war verschwunden. Der neue Eingang sah tatsächlich wie der Zugang zu einer riesigen Höhle aus, leicht unförmig und von Holzstreben gestützt aus dem Stein gehauen. Darüber, scheinbar auch in Stein gemeißelt, der Name der Location, The Cave. Ich hatte absolut keine Ahnung, was mich drinnen erwarten würde, aber meine Neugier war geweckt.

„Hör auf, zu starren und komm lieber rein. Oder willst du dir einen Sonnenbrand holen?"

Ich zuckte zusammen, als El plötzlich im Eingangsbereich erschien.

„Läuft das normalerweise nicht genau andersrum? Das Alphamännchen nimmt die Keule, brät sie dem Weibchen über und schleift sie dann an den Haaren in die Höhle?"

„Wenn du ein Alphamännchen oder kräftig genug wärst, mich mit einer Keule außer Gefecht zu setzen, dann schon."

„Zweifelst du etwa an meiner Männlichkeit?"

„Bei dir zweifle ich an vielem, am meisten aber an deiner Realitätswahrnehmung. Sicher, dass du keinen Sonnenstich hast?"

„Ziemlich. Trotzdem bin ich nicht abgeneigt, dein Angebot anzunehmen. Außer, du hast hier irgendwo eine Keule rumliegen."

„Als ob ich die bei dir bräuchte. Kommst du jetzt?"

Ich seufzte und gab mich geschlagen.

***

Die unglaublichen Abenteuer des Mister GruffelpuffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt