Kapitel 03: Ein typischer Montag

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Ihr wisst schon, dass ihr total verrückt seid, oder? Ihr habt gestern die 400 Reads geknackt - für die ersten 3 Kapitel. So viel Wahnsinn muss belohnt werden. ;) Und ja, ich weiß, das Kapitel ist nicht besonders lang. Ich gelobe Besserung xD (Kapitel 4 wird wieder länger. Dafür könnte es auch eine Ente, ein Lied und Spuren von El beinhalten.) Eigentlich sollte ich auch schon im Auto sitzen. Aber ich denke, es wird mir verziehen ;)

Montagmorgen. Aufstehen oder Kündigen? Es war immer das gleiche. Abgesehen davon, dass es nicht viel zu kündigen gab. Ich arbeitete zwar als Reporter, war aber Freelancer, musste also selbst dafür sorgen, dass meine Artikel irgendwo unterkamen und ich nicht verhungern musste. Der Vorteil: Ich konnte mir die Themen selbst aussuchen. Nachteil: Ich musste jemanden finden, der die Story auch interessant genug fand, um sie drucken zu wollen. An möglichst prominenter Stelle, schön weit vorne, und nicht neben den Todesanzeigen. Wer las seinen Namen schon gerne neben einer Liste von Toten?

Am Frühstückstisch dachte ich über das Gespräch mit Elena nach. Den Artikel über ihre Ausstellung. Die Idee war gar nicht schlecht. El hatte sich als Künstlerin schon einen gewissen Namen gemacht, war aber frisch und neu genug, um für ein bisschen Aufregung in der Szene zu sorgen. Sie war kein großer Fan von Interviews; ein Exklusivbericht würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für einige offene Türen sorgen. Außerdem hatte ich bereits den einen oder anderen Feuilleton-Artikel geschrieben, wusste also auch schon, wo ich anklopfen musste. Deshalb hatte ich fast den gesamten Sonntag mit Vorbereitungen verbracht. Ich hatte mir eine Aufstellung aller Informationen gemacht, die für die Leser interessant sein könnten, eine zeitliche Erzählabfolge für den Artikel und Notizen, wovon ich gegebenenfalls Fotos brauchte. Blieb nur die Frage, ob das Ganze in einer Zeitung, oder einem Magazin landete, und wie groß die Fläche dafür war. Danach musste ich das literarische Gerippe mit Leben füllen. Aber zunächst hieß es abwarten, wer sich für den Artikel interessieren würde. Ich hatte ein paar Anfragen per Email rausgeschickt. Bis die Rückantworten kamen, blieb nicht viel zu tun, also recherchierte ich ein wenig für mein neues Buchprojekt.

Die Epoche für das erste Abenteuer von Mr. Gruffelpuff hatten mein betrunkenes Ich und das von El schon vorgegeben. Piraten. Die gingen ja irgendwie immer. Abenteurer, Freibeuter der Meere. Ich war mir nicht sicher, ob eine gründliche Recherche genügend Verwertbares von dieser spannenden Epoche übrig lassen würde, aber ich hegte zumindest eine gewisse Hoffnung in das Thema. Auf jeden Fall wäre ein Besuch in der Bibliothek von Nowhere City fällig. Man konnte über diese Stadt wirklich sagen, was man wollte. Sie war ein stinkendes Loch in der Landkarte, eine pervertierte, schattenhafte Karikatur ihrer selbst, zumindest, was ihre Vergangenheit betraf. Die Anfangstage, als sie voller Verheißungen und Versprechen war. Als ein goldener Schimmer von Hoffnung auf ihr lag. Diese Tage waren lange vorbei. Die Realität hatte die Stadt härter getroffen, als manch anderen Ort. Es gab ganze Stadtteile, die aufgegeben und sich selbst überlassen worden waren; der Süden von Nowhere City lag fest in der Hand mafiöser Familienbetriebe. Sie war Schauplatz zahlreicher spektakulärer Zwischenfälle geworden. Der letzte größere lag mittlerweile zwei Jahre zurück, die Viertel rund um den Hafen hatten sich aber noch nicht davon erholt. Dabei waren eigentlich nur zwei Menschen getötet worden. Ein Mann und eine Frau. Trotzdem hatten die beiden eine ziemlich große Lücke hinterlassen. Naja, die Stadt hatte wirklich sehr viel Schatten zu bieten; auf der anderen Seite verfügte sie nach wie vor über eine der besten und umfangreichsten Bibliotheken des Landes. Immerhin. Aber ich hatte ja Zeit. Mehr als genug.

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Nach ein paar Stunden Recherche war ich erstaunt, wie viel es über die Geschichte der Piraterie zu lernen gab. Das Thema war schon ein ganzes Eck älter, als ich gedacht hätte. Aber gut, ich wollte auch niemanden mit den Freibeutern aus dem Mittelmeerraum der Antike langweilen, also konzentrierte ich mich auf die bekannteren Teile der Geschichte. Namen wie Francis Drake oder Blackbeard kannte jedes Kind, Orte wie Tortuga und Port Royal auf Jamaika waren mehr als einmal durch die romantisierte Mangel Hollywoods gedreht worden, lieferten mir also eine perfekte Ausgangsbasis für das erste Abenteuer von Mr. Gruffelpuff. Gut, auf den Teil mit der Matelotage würde ich wohl verzichten, aber das würde die Geschichte schon verschmerzen. Und wirklich ALLES mussten die Kinder dann ja auch nicht direkt von mir erfahren. Ich ließ mir alles relevante fotokopieren, und machte mich auf den Weg nachhause. Zwar hätte ich die Quellen auch einfach mit meinem Smartphone abfotografieren können, aber ich mochte echtes Papier einfach viel lieber, als den ganzen Digitalkram. Außerdem machte es wenig Spaß, ein Smartphone an meine Pinnwand zu hängen. Und ohne Pinnwand wirkte alles so... unprofessionell.

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Ich saß an meinem Schreibtisch und starrte auf das erwartungsvolle Blinken des Cursors auf dem Bildschirm meines Laptops. Rechts von mir hing die Pinnwand mit meinen gesammelten Erkenntnissen über karibische Piraten an der Wand; Ich hatte die Fakten mittlerweile aber auch im Kopf. Vor meiner Tastatur stand ein Glas Whiskey, daneben die dazugehörige Flasche. Ich wollte mich keinesfalls nüchtern an dieses Experiment wagen. Da ich aber keine Ahnung hatte, was passieren würde, hatte ich eine Sicherungskopie meiner bisherigen schriftstellerischen Ergüsse über Mr. Gruffelpuffs Abenteuer erstellt und vorsichtshalber auf einem externen Datenträger gespeichert, den ich im Anschluss weggeräumt hatte. Während ich mich in die ersten fünfzig Seiten einlas, brachte ich meine Leber auf Betriebstemperatur. Dann überließ ich die Arbeit meinen Fingern und dem Teil meines Gehirns, der offensichtlich eine gewisse Affinität für Kinderbücher hatte. Nebenbei schoss ich mich weiter ab, einfach nur, um auf Nummer sicher zu gehen. Und weil es mich ein bisschen nervös machte, dass irgendwo in meinem Kopf ein paar graue Zellen existierten, die zu kindertauglicher Literatur fähig waren. So ähnlich musste sich ein Psychopath fühlen, wenn er feststellte, dass er keinerlei Probleme damit hatte, andere Menschen zu verletzen, oder sogar zu töten. Eine Erkenntnis, die einen erschaudern ließ, gleichzeitig aber neugierig machte. Die zu Problemen führen konnte. Zu richtig großen Problemen, wenn man dieser Neugier nachgehen würde. Tapfer schrieb ich weiter, während ich dafür sorgte, das Ganze nicht annähernd nüchtern hinter mich bringen. Und irgendwann gingen mir dann die Lichter aus.

Ich träumte wirres Zeug. Es war Samstag Abend; El und ich saßen zusammen mit Freunden beim Italiener. Seltsamerweise stand unser Tisch an Deck eines Piratenschiffs, das in den Wellen schaukelte. Der Kellner hatte einen dichten schwarzen Vollbart, eine Augenklappe und seine rechte Hand fehlte. Irgendetwas an seinem Bart machte mich stutzig. Er bewegte sich, obwohl es fast windstill war. Ich zwang mich, wegzusehen, als hätte ich Angst davor, die Gesichtsbehaarung bestünde aus tausenden von kleinen, dünnen Tentakeln, die nach irgendetwas greifen wollten. Stattdessen beschäftigte ich mich nun mit der fehlenden Hand unseres Kellners, fragte mich ernsthaft, wie er mit dem Enterhaken, den er am Stumpf seines Arms befestigt hatte, unsere Bestellung aufnehmen konnte. Aber offensichtlich übernahm der Papagei, der auf seiner Schulter saß, das mit dem Merken. Kurz bevor unser Menü – und ich hatte absolut keine Ahnung, was ich eigentlich bestellt hatte – ankam, schrak ich hoch und fiel dabei fast von meinem Stuhl.

Meine Güte. Vielleicht war das mit dem Whiskey doch keine so gute Idee gewesen. Wobei... Ich fixierte den Bildschirm so lange mit meinem Blick, bis er aufhörte, sich zu drehen. Ich versuchte, ein klares Bild von der linken unteren Bildschirmecke zu kriegen. „Seite 92 von 92" stand da. Schon wieder gut vierzig Seiten? Ich speicherte die Datei ab, bevor ich langsam durchscrollte. Den Text musste ich mir eindeutig durchlesen, wenn ich wieder nüchtern war. Fest stand jedoch, dass die Seiten mit richtigen Wörtern gefüllt waren. Kein Buchstabensalat, weil mein Kopf auf der Tastatur gelegen hätte; einfach nur 92 Seiten mit (hoffentlich brauchbarer) Handlung. Ich klappte den Laptop zu und hangelte mich an der Wand entlang zu meinem Schlafzimmer, wo ich mich einfach auf das Bett fallen ließ. Während ich noch ein bisschen Karussell fuhr, fiel mir auf, dass die Decke immer noch nach El roch. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und seltsamen Gedanken im Kopf schlief ich schließlich ein.


Die unglaublichen Abenteuer des Mister GruffelpuffWhere stories live. Discover now