Kapitel 14: Seelenverkauf zum Mitnehmen

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Ich sollte Recht behalten; die Auszubildende, die mich abholte, war gut zwei Köpfe kleiner als ich. Ihre blonden Haare waren zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammengebunden, sie hatte ein oder zwei Kilo zu viel auf den Rippen (aber das würde sich bestimmt noch verwachsen), was durch ihr etwas zu enges schwarzes Top eher ungünstig betont wurde und sie wirkte extrem gelangweilt. Bis sie die wirklich wichtigen Kunden abholen dürfte, würden wohl noch einige Jahre übers Land ziehen. Wenn ihr Gesichtsausdruck bis dahin nicht gestorben war. Viel fehlte ihm offensichtlich nicht mehr, soweit ich das beurteilen konnte.

"So schlimm?", versuchte ich ein Gespräch in Gang zu bringen.

"Wie, was?" Offensichtlich hatte ich sie aus ihrer Gedankenwelt gerissen. Wie unhöflich von mir.

"Das hier. Leute abholen. Babysitter spielen."

"Ach so. Nein. So schlimm auch wieder nicht." Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.

"Aber?"

"Ach, ich hab mir den Job hier ein klein wenig anders vorgestellt."

"Mehr Bücher, weniger sowas hier?"

"Richtig."

"Nur Geduld, das kommt schon noch. Auf die angenehmen Jobs muss man immer eine Weile warten."

"Wem sagen Sie das?!"

"Wann kommt das Lektorat dran?"

"In ein paar Wochen erst", seufzte sie.

"Ach, das schaffst du schon. Und hey, jedes Mal, wenn du jemanden abholen musst, brauchst du wenigstens keine Ablage machen."

Sie lachte kurz auf.

"Das stimmt natürlich. Aber ich nutze die Zeiträume zwischen den einzelnen Aufgaben, um zu schreiben."

"Das ist natürlich etwas anderes. Was schreibst du denn? Falls ich das fragen darf."

"Ich... äh, eine Romantikkomödie."

"Mit ausreichend tragischen Elementen?"

"Aber natürlich."

"Wie gehts mit dem Schreiben voran?"

"Ganz gut eigentlich. Ich hänge nur grad an den letzten paar Kapiteln."

"Was tust du, um dich zu inspirieren?"

"Ach, ich poste die Geschichte auf Wattpad und frage die Leserinnen regelmäßig, was sie denken, wie die Geschichte weitergeht. Hin und wieder sind echt gute Antworten dabei."

"Was ist Wattpad? Eine Art Schreibcommunity?"

"Sie kennen Wattpad nicht?" Ihr Blick zeugte von schierem Unglauben.

"Nein?"

Sie zog ihr Handy aus der Tasche und öffnete eine App.

"Das hier ist Wattpad. Man kann Geschichten hochladen, andere lesen und kommentieren sie und manchmal kommen sogar brauchbare Ratschläge für Korrekturen."

"Klingt interessant."

"Oh, es ist so viel mehr als das. Wussten Sie, dass verschiedene Verlage die Bücher auf Wattpad durchstöbern um nach potentiellen neuen Veröffentlichungen zu suchen?"

"Das macht duchaus Sinn."

"Sogar Eliza Hart hat auf Wattpad angefangen."

"Ernsthaft?"

"Ja, damals konnte man ihre ganzen Geschichten komplett gratis lesen. Jetzt kommen natürlich nur noch Leseproben und One Shots, aber das ist OK so. Ich freu mich ja, dass die beiden so erfolgreich sind."

Die unglaublichen Abenteuer des Mister GruffelpuffWhere stories live. Discover now