Eine magische Begegnung

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Meine Beine schwangen vor und zurück. Immer wieder vor und zurück. Der frische Wind wehte mir das lange Haar ins mein Gesicht und wieder nach hinten. Ich schloss die Augen und sog den Frühlingswind ein. Es war ein berauschendes Gefühl. Ich öffnete die Augen, als ich eine bekannte Stimme nach mir rufen hörte.

„Lily!“, schrie die Stimme. Ich seufzte.

„Lily, komm her!“, blaffte Petunia und kam hinter dem Holunderstrauch am Gartentor zum Vorschein. Ich schwang vor und zurück.

„Lily!“, rief sie erneut und stapfte auf mich zu.

„Tu gefälligst, was ich dir sage!“, schnappte sie und blieb einige Meter vor der Schaukel stehen. Verärgert stemmte sie die Hände in die Hüften.

„Hallo Tunia“, begrüßte ich sie fröhlich.

„Lily! Komm jetzt, wir essen!“, sagte sie laut. Ich grinste und bremste mich mit den Füßen ab.

„Schau mal, Tunia“, sagte ich begeistert und nahm mit der Schaukel Anlauf, bis ich auf meinen Zehenspitzen stand. Sie formte ihre Lippen zu einem „Oh“ und stolperte drei Schritte zurück, als sie mir zusah, wie ich mit voller Kraft nach vorne schwang. Ich schob meine Beine gegen den Windstrom und schwang wieder zurück.

„Lily, komm da sofort runter!“, kreischte Petunia und ging noch ein paar Meter in Deckung. Die Geschwindigkeit erhöhte sich rasant und als ich kurz davor war, mich mit der Schaukel zu überschlagen, sprang ich vom Sitz und flog regelrecht durch die Luft. Ich genoss den kurzen Moment und schloss die Augen, als die kühle Luft an mir vorbeizischte. Ach, wie gerne ich doch fliegen können würde Ich öffnete die Augen und setzte zur Landung an. Meine Füße kamen problemlos auf den Boden auf und ich richtete mich auf. Links von mir duftete es stark nach Holunderblüten.

„Komm, Tunia. Essen“, rief ich ihr vom Gartentor zu. Petunias Kopf wanderte von mir zur noch schwingenden Schaukel und wieder zurück. Ich grinste sie breit an. Sie fasste sich und warf mir einen missbilligenden Blick zu. Hitzig und schnellen Schrittes kam sie auf mich zu und während sie an mir vorbei ging, stieß sie mir mit ihrer spitzen Schulter in den Arm.

„Freak!“, murmelte sie, hob die Nase und stolzierte davon. Ich seufzte. Langsam und lustlos schlurfte ich hinter ihr her, während ich auf dem Weg nach Haus einen Kieselstein vor mir her kickte. Ich blieb stehen und sah mir den Stein genauer an. Er war wunderschön. Er war besonders glatt und ebenmäßig. Ich hob den Stein auf und griff nach einer meiner losen Haarsträhnen, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten. Abschätzend hielt ich den Stein gegen mein Haar. Es hatte genau den gleichen Rotton. Ich setzte meinen Weg zum Haus fort und balancierte den kleinen Kieselstein auf meiner Nasenspitze. Das war zu einfach. Wieder blieb ich stehen und überlegte mir neue Kunststückchen. Ich sammelte weitere Kieselsteine vom Boden auf und jonglierte sie beim Gehen.

„Da sieht toll aus“, sagte eine Stimme hinter mir. Ich erschrak und drehte mich zu der Stimme um, wobei mir ein Stein aus der Hand flog. Der Junge vor mir machte einen kleinen Satz nach vorn und fing den Stein auf, bevor er auf den Boden fiel. Er lächelte schüchtern und gab mir den Stein.

„Ich bin Severus“, sagte der Junge und strich sich eine schwarze Strähne aus dem Gesicht.

„Beobachtest du mich?“, fragte ich ihn argwöhnisch. Er machte große Augen und trat einen Schritt zurück.

„N-nein ... ich hab nur … ich hab dich gesehen, wie du diese Kunststücke gemacht hast“, sagte er und wurde rot. Ich zögerte.

„Ich bin Lily“, sagte ich dann. Severus sah auf. Er lächelte.

„Woher kommst du, ich hab dich hier noch nie gesehen?“, fragte ich.

„Ich bin vor Kurzem mit meinen Eltern hergezogen“, erklärte er. Ich nickte.

„Ich hab gesehen, wie du von der Schaukel gesprungen bist“, sagte er. Ich sah ihn unsicher an und spielte mit dem roten Stein in meiner Hand.

„So hoch und weit kann niemand springen“, sagte Severus. Ich zuckte mit den Schultern.

„Tja, meine Schwester sagt auch immer, dass ich nicht normal bin“, sagte ich ihm ehrlich.

„Lily, ich glaube auch, dass du nicht normal bist“, sagte er. Ich sah ihn verärgert an und drehte mich um, um zum Haus zu gehen. Er hielt mich am Arm fest.

„So war das gar nicht gemeint“, sagt er. „Ich glaube du bist etwas Besonderes“, fuhr er fort und wurde rot. Er sah in meine Hand.

„Dieser Stein hat die Farbe deiner Haare“, bemerkte er. Severus hob einen weiteren Kieselstein auf und schloss die Hand darum. Ich sah gespannt zu, was er tat. Er öffnete die Hand wieder und ich schnappte nach Luft. Der eben noch aschgraue Stein strahlte nun ein sattes, leuchtendes Grün aus. Severus legte den Stein in meine Hand.

„Nun hast du auch einen Stein in der Farbe deiner Augen“, sagte er und grinste. Ich sah ihn mit großen Augen an.

„Wie hast du das gemacht?“, fragte ich entgeistert.

„Das kannst du auch“, sagte Severus. Ich runzelte die Stirn.

„So etwas kann niemand. Das ist wie Zauberei“, sagte ich. Severus nickte.

„Das ist Zauberei“, bestätigte er. Ich gluckste.

„Sei nicht albern, Severus“, meinte ich.

„Lily, du bist eine Hexe. Ich bin ein Zauberer. Wir können Dinge tun, die sonst niemand kann“, erklärte er. Ich lachte unsicher.

„Du spinnst!“, murmelte ich und betrachtete den grünen Kieselstein.

„Ich spinne nicht! Meine Mum i inist auch eine Hexe. Wie du. Aber sie kann richtig zaubern“, beharrte er.

„Du lügst!“, motzte ich. Er warf mir einen zerknirschten Blick zu.

„Nein! Meine Mom ist eine Hexe. Als sie so alt war wie wir, hat sie einen Brief von der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei bekommen. Da hat sie gelernt, wie man richtig zaubert. Du wirst dieses Jahr auch einen Brief bekommen. Genau wie ich“, sagte er überzeugt. Ich ging einen Schritt zurück und sah ihn skeptisch an.

„Meinst du wirklich?“, fragte ich. Er nickte munter.

„Aber ich kann keine Hexe sein. Meine Eltern sind auch keine Zauberer“, sagte ich enttäuscht.

„Lily, du kommst aus einer Muggelfamilie. Das gibt es auch. Ich bin auch ein Zauberer, obwohl mein Vater keiner ist“, erklärte Severus mir.

„Bist du dir sicher?“, fragte ich.

„Ich verspreche dir, dass du in den nächsten Wochen einen Brief von Hogwarts bekommst. Du kannst den Brief ganz einfach am Siegel erkennen, er ist ...“

„Lily-Schatz“, rief eine Stimme. Ich drehte mich um.

„Lily. Komm, Liebling, wir wollen essen“, rief meine Mom vom Balkon unseres Hauses.

„Ist gut, Mom“, rief ich zurück. Mom verschwand wieder im Haus.

„Morgen um elf Uhr. An der Schaukel. Und du erzählst mir mehr von der Schule für Hexen und Zauberer“, rief ich Severus zu und rannte zum Haus.

The Story of Lily Potter (Harry Potter Prequel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt