XXVI

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Einige Minuten später waren Neron, Dajan und Enan wieder außerhalb des Gebäudes und auf dem Weg zum Königshaus. Es war noch ein Pferd übrig, aber da das zu wenig wäre für drei Menschen, liefen alle drei zu Fuß.

,,Du solltest losreiten, Neron. Sie braucht dich gerade mehr, als wir'', sagte Enan und warf seinem Freund einen mitfühlenden Blick zu. Keiner hatte auch nur ein Wort darüber verloren, dass Neron noch kurz zuvor seinen eigenen Bruder umgebracht hatte.

,,Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn sie nicht überlebt'', murmelte Neron und blieb plötzlich stehen. Er legte den Kopf in den Nacken und starrte nach oben in den Himmel, der im Armenviertel immer etwas dunkler erschien, als im Rest des Reiches.

,,Es tut mir so leid, aber ich konnte nicht anders. Es tut mir leid.'' Er wusste nicht bei wem genau er sich entschuldigte. Ob es die Götter waren, seine Eltern oder ob es Miro selbst war. ,,Es tut mir leid. Aber wenn ihr das hört, dann bitte, bitte, helft ihr. Lasst sie nicht sterben.'' Eine Hand legte sich auf seine Schultern.

,,Hey, sie wird es schaffen. So stur, wie sie ist, lässt sie das doch niemals so ungeklärt zurück'', sagte Dajan und lächelte seinen Freund schief an. Nach einem leisen Räuspern fügte er schließlich noch hinzu: ,,Und ich hoffe, diese Sache ändert nichts zwischen uns. Ich habe wirklich versucht sie zurück zu halten. Aber ich habe auch in ihren Augen gesehen, wie sehr sie dich sehen wollte. Es tut mir trotzdem leid. Ich wollte nicht, dass es soweit kommt.'' Neron richtete seinen Blick auf Dajan und sah ihn einfach nur stumm an.

Und dann umarmte er ihn. Denn er wusste, dass dieser Mann vor ihm, nie etwas schlechtes für ihn wollen würde. Und genau das machte ihn zu einem Bruder. Genau das machte ihn zu einem der wichtigsten Menschen in seinem Leben für Neron.

,,Wow, okay, es reicht. Das war genug Liebe für einen Tag'', unterbrach Enan die beiden in ihrem emotionalen Moment und lachte leise auf.

,,Danke'', flüsterte Neron und nickte Dajan zu.

Schließlich setzte sich Neron doch noch auf das Pferd, die Ungewissheit zu groß und quälend und ritt, die anderen beiden zurücklassend, zum Königshaus.

Denn er musste noch ein ganz bestimmtes Mädchen sehen und ihr einige Dinge sagen.

***

Adan stürmte ins Königshaus.

,,Hey! Ich brauche Hilfe! Die Prinzessin ist verletzt! Wir brauchen einen Arzt!'' Und nach diesen Worten brach absolutes Chaos aus. Überall rannten Menschen rum, versuchten irgendwie zu helfen, doch die meisten standen einfach nur im Weg. Nach einigen Minuten hatten sie es dann schließlich geschafft Liyana auf die Krankenstation zu bringen. Und das wichtigste dabei: Sie lebte noch. Es war nahezu ein Wunder hatte der Arzt gesagt, denn mit einer solchen Verletzung überlebte man normalerweise nicht so lange.

Mit einem vielsagenden Blick hatte er Adan angesehen und gesagt: ,,Es muss wohl was geben, das sie einfach nicht gehen lassen will.'' Und dann schloss er die Tür und ließ Adan mit Händen voll mit Blut der Prinzessin stehen.

Das erste, das Adan tat, war ausatmen. Tief einatmen und dann wieder ausatmen.

,,Es ist vorbei. Vorbei'', murmelte er vor sich hin, als könnte er es nicht glauben, dass es tatsächlich vorbei war. Er wusste nicht, was nach seinem Verschwinden noch alles passiert war, aber Nerons Gesichtsausdruck nach zu urteilen, konnte er es sich denken.

,,Wo ist sie?!'', ertönte es mit einem Mal hinter ihm. Und auch ohne sich umzudrehen, wusste Adan, dass es Lysander war, der nun neben ihm erschien.

,,Da drin. Der Arzt behandelt sie jetzt'', sagte Adan mit ruhiger Stimme und warf dem König einen kurzen Blick zu. Letzterer hatte einen Gesichtsausdruck, den Adan noch nie bei ihm gesehen hatte. Er war voller Sorge, Angst und Ungewissheit. Er sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.

,,Was zum Teufel ist vorgefallen? Wer hat ihr das angetan?'', murmelte Lysander und starrte weiterhin auf die geschlossene Tür vor ihm.

,,Derjenige, der ihr das angetan hat, lebt nicht mehr, König'', antwortete Adan, drehte sich um und wollte gehen, doch die Hand auf seiner Schulter hielt ihn davon ab.

,,Wo ist Neron? Wo sind die anderen beiden?'' Die Tatsache, dass Lysander zuerst nach Neron fragte, brachte Adan dazu ein Lächeln verkneifen zu müssen.

,,Sie sind hoffentlich auf dem Weg hierher. Ich denke, sie müssten bald hier sein'', antwortete er schließlich, wartete noch einen Moment und ging dann.

Lysander trat an die Wand neben der Tür heran, lehnte sich dagegen und ließ sich schließlich auf den Boden nieder. Seinen Kopf versank er in seinen Händen. Gott, er hatte gedacht, er hätte sie verloren. Er hätte das nicht verkraftet. Er hätte nicht verkraftet den größten Schatz seines Lebens zu verlieren, denn dieser war viel zu wertvoll für ihn. 

LiyanaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt