XXVII

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7 Tage später

,,Ich glaube heute darf ich zu ihr'', sagte Neron zu Dajan und den anderen beiden, während sie auf dem großen Feld trainierten.

,,Na endlich. Ich hatte schon Angst du würdest vor Erwartung platzen'', entgegnete Adan und warf seinem Freund ein Schmunzeln zu. Neron verpasste ihm einen Schlag gegen die Schulter und fuhr sich durch seine braunen Haare.

,,Aber zuerst muss ich zum König. Er wartet anscheinend auf mich'', sagte Neron, nickte seinen Freunden zum Abschied zu und machte sich schließlich auf den Weg zum Thronsaal. Er hatte in den letzten Tagen kein einziges Wort mit dem König gewechselt. Er wusste, dass Dajan, Adan und Enan Lysander erzählt hatten, was vorgefallen war. Und genau deswegen hatte er auch keinen Grund gesehen, mit ihm zu sprechen.

Um ehrlich zu sein, fühlte sich Neron nicht wohl bei dem Gedanken dem König gegenüber zu treten. Denn mittlerweile war er für Neron nicht mehr nur der König. Nein, mittlerweile war er der Vater des Mädchens, das er liebte. Und so ungerne er das auch zugab: Es verunsicherte ihn. Erst recht nach dem, was vorgefallen war.

Am Thronsaal angekommen, ließen ihn die Wachen am Eingang ohne nachzufragen hinein, so, als hätten sie ihn bereits erwartet. Mit langsamen Schritten und einem leisen Seufzen betrat Neron den Raum und blickte auf, um direkt auf den Blick des Königs zu treffen, der auf ihn gerichtet war.

,,Neron'', begrüßte ihn Lysander kurzangebunden.

,,König.'' Neron neigte sich etwas nach vorne, um ihm den nötigen Respekt zu zollen und trat daraufhin noch einige Schritte nach vorne, bis er direkt am Treppenansatz zum Thron stand.

,,Komm her'', sagte Lysander schließlich und wartete, bis Neron oben angekommen war. ,,Setz dich.'' Er zeigte auf den Platz neben sich - dort, wo normalerweise Zarida saß. Nach einem kurzen Zögern, setzte sich Neron schließlich hin und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf seinen Knien ab.

,,Wird die Königin nicht sauer sein, wenn sie das erfährt?'', fragte Neron mit hochgezogener Augenbraue. Doch zu seiner Überraschung lachte Lysander amüsiert auf.

,,Sie wird es nicht erfahren. Denn glaub mir mein Junge, Frauen sollten nicht alles wissen. Aber selbst wenn, wahrscheinlich würde sie dir den Thron sogar schenken, nach dem, was du getan hast'', sagte Lysander und betrachtete den Mann neben sich mit akribischem Blick.

,,Nach dem, was ich getan habe? Sie meinen, meinen eigenen Bruder getötet und Liyana in Lebensgefahr gebracht? Ja. Bestimmt ist die Königin überglücklich'', antwortete Neron und konnte seine sarkastische Ader einfach nicht unterdrücken.

,,Du hast denjenigen getötet, der für die Mordanschläge auf Liyana verantwortlich war. Und du hast sie aus der Lebensgefahr, in der sie steckte, herausgeholt. Das hast du getan. Also hör auf dir unnötig die Schuld für etwas zu geben, das du nicht getan hast.'' Die Aufrichtigkeit, die in der Stimme Lysanders mitschwang, überraschte Neron ein wenig. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er so auf die Ereignisse reagieren würde. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der König ihn nicht dafür verurteilen würde.

,,Ich muss zugeben, es freut mich, dass Sie das so sehen'', sagte Neron und lächelte leicht vor sich hin. Das war besser gelaufen, als er dachte.

,,Ich habe gehört, du möchtest heute zu meiner Tochter'', lenkte Lysander das Gespräch nun auf ein ganz anderes Thema. Ein Thema, das Neron nervös machte. Und er war jemand, der nie nervös war.

,,Ja, ich habe eine ganze Woche darauf gewartet.'' Lysander blieb einige Zeit still und dachte nach, wie er seine Wort weise wählen könnte.

,,Ist dir bewusst, dass der Mann an ihrer Seite eines Tages Königs werden wird?'', fragte er schließlich mit hochgezogener Augenbraue und beobachtete jede Reaktion Nerons. Dieser jedoch blieb vollkommen gelassen und ruhig.

,,Ja. Aber das ist nichts dagegen sie als Frau zu haben. Der Thron ist nichts gegen sie'', antwortete er und warf Lysander einen bedeutungsvollen Blick zu.

,,Du magst sie.'' Lysander fragte nicht, sonder stellte einfach nur fest.

,,Nein'', entgegnete Neron jedoch. ,,Ich liebe sie.'' Er flüsterte die Worte vor sich hin, wohlwissend, dass der König sie trotzdem hören können würde.

,,Das sind große Worte.''

,,Das sind wahre Worte.''

Lysander musste sich doch tatsächlich ein amüsiertes Schmunzeln verkneifen. Der Junge schien einfach zu wissen, was er antworten sollte um seine Gunst zu gewinnen. Doch am meisten, war es die Aufrichtigkeit, die Ehrlichkeit, die Lysander davon überzeugte, dass Neron ein Mann war, den er sehr gerne an der Seite seiner Tochter sehen würde.

Eigentlich hatte er es vom ersten Moment an gewusst. Schon damals, als er ihn das aller erste Mal gesehen hatte, in der verschmutzten, verstaubten Ecke der dunklen Zelle. Er hatt ihn an sich selbst erinnert. Und: Wer genau hatte es nochmal geschafft Königin Zaridas Herz für sich zu gewinnen?

,,Du weißt, dass ich dich umbringen muss, wenn du ihr wehtust.''

,,Ja.''

,,Gut.''

,,Das heißt, Sie sind damit einverstanden, dass ich Liyana von meinen Gefühlen erzähle?'', fragte Neron.

,,Oh, nein. Ich bin damit einverstanden, dass du sie zur Frau nimmst. Solange du wirklich nur die guten Absichten hast, von denen du sprichst.'' Nerons Augen weiteten sich und unwillkürlich musste er schlucken. Für eine Heirat war er noch nicht im geringsten bereit. Nicht mal annähernd.

,,Ganz ruhig, du musst sie ja nicht morgen heiraten. Aber eines Tages. Ich bin auch nur ein Vater, der seine Enkel sehen will, bevor er stirbt'', versuchte Lysander den geschockten, jungen Mann neben sich zu beruhigen und konnte sich ein leises Auflachen nicht verkneifen.

Als Neron aufstand, um sich endlich auf den Weg zu der Person zu machen, die ihm mehr bedeutete, als alles andere, wie ihm mit einem Mal klar wurde, hielt ihn Lysander noch ein letztes Mal auf.

,,Egal, was sie sagt: Ich weiß, dass sie Gefühle für dich hat. Gefühle, die sie für keinen anderen Mann hegt.'' Und mit diesen letzten Worten ließ Lysander seinen - vielleicht - zukünftigen Schwiegersohn zu Liyana gehen. 

LiyanaWhere stories live. Discover now