Kapitel 12

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"Lasst uns gleich zum Klassenzimmer." Zustimmend nickten die beiden, aber da war es schon zu spät. Sam kam fuchsteufelswild auf uns zu und hatte uns kurz darauf auch erreicht. Sein Gesicht war mehr als nur demoliert. Sein linkes Auge schimmerte in allen möglichen Farben und war so angeschwollen, dass er es kaum aufbekam. Seine Nase hatte definitv auch etwas abbekommen, genau wie seine Lippen die aufgeplatzt waren. Auf seiner Stirn prangte ein großes Pflaster das von einem blauen Fleck umrandet wurde. Rafael hatte wohl ganze Arbeit geleistet. "Du miese Schlampe. Das bekommst du alles zurück. Genau wie dieser Wichser Salvatore. Ihr werdet dafür büßen, das weißt du!" Und schon wieder machte sich eine unglaubliche Panik in mir breit und die Ereignisse von Samstag drohten mich zu überrollen. Ich merkte, wie sich Tia neben mir anspannte. Ich kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie gleich anfangen würde ihn aufs übelste zu beschimpfen. Die Schüler um uns herum warfen uns verstohlene Blicke zu, hielten sich aber dennoch zurück.

Außer einer.

"Ich glaube mein Bruder hat dir noch nicht genug Scheiße aus dem Hirn geprügelt, oder? Solltest du es noch ein einziges mal wagen Roxana zu nahe zu kommen oder ihr gar zu drohen, hast du nicht nur ein Problem mit Rafael, sondern auch mit mir. Und wir wissen beide ganz genau, dass du nicht den Hauch einer Chance gegen mich hast." Ein Raunen ging durch die Masse als Luca sich zwischen Sam und mich stellte und auf ihn hinab blickte. "Ach glaubst du das wirklich?" "Ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Wenn du dich nicht auf der Stelle verpisst und dich ab sofort von ihr fernhälst, wirst du dir wünschen Rafa hätte dich zu Tode geprügelt. Haben wir uns verstanden?" Im Flur war es mucksmäuschenstill. Die Luft war zum zerreißen gespannt und jeder schien darauf zu warten, was als nächstes passierte. "Das ist noch nicht vorbei, Salvatore." Sam drehte sich um und eilte durch den langen Schulflur.

"Habt ihr nichts besseres zu tun?" Lucas laute Stimme durchbrach die Stille und alle gingen schnell wieder ihren Beschäftigungen nach. Kopfschüttelnd dreht Luca sich zu meinen Freundinnen und mir um und sah mich prüfend an. "Alles klar?" Ich nickte und lächelte schwach. "Mehr oder weniger. Danke." "Irgendwann wird es leichter, vertrau mir. Und ich meine es ernst. Wenn er dir nochmal zu nahe kommt, wird er ein Problem mit meinem Bruder und mir bekommen." Er lächelte mich nochmal an, bevor er zurück zu seinen Freunden ging, die auf ihn zu warten schienen.

Tia und Elly sahen mich mit offenen Mündern an. "Was war das?" "Unser Bad Boy schlecht hin hat dich gerade wirklich verteidigt?" "Das passt gar nicht zu ihm. Normalerweise redet er doch nur mit Mädchen wenn er sie ins Bett bekommen will." Ich schüttelte meinen Kopf und lief zu. "Luca ist wirklich in Ordnung." "Und das weißt du woher?" "Können wir bitte später darüber reden?" Tia nickte entschlossen. "Wir gehen nach der Schule zu Mom ins Cafe. Die heiße Schokolade und ein Cupcake eurer Wahl gehen auf mich." Dankbar sah ich sie an. Das gerade war schon definitiv genug Gesprächsstoff für die nächsten Tage. Da musste nicht auch noch rauskommen, dass ich eine Nacht bei den Salvatores geschlafen habe.

"Also hat Rafael Sam so verprügelt? Und wie kommt es eigentlich, dass er schon wieder in der Schule ist, wenn er ja gestern noch im Krankenhaus war?" Elly sah mich interessiert an als wir unser Klassenzimmer betraten und zu unseren Plätzen gingen. "Sein Vater schiebt immer total Stress wenn Sam mal nicht zur Schule gehen will. Ich glaube der müsste Tod auf dem Boden liegen damit er nicht zur Schule muss. Sein Vater kennte da keine Gnade." Ich zuckte mit den Schultern und kramte meine Sachen raus. Ich hatte nicht wirklich Lust darauf noch weiter über Sam nachzudenken. "Roxy, du weichst meiner ersten Frage aus. War das Rafael?" Das Mädel war echt hartnäckig. Genervt rollte ich die Augen. "Ja, das war Rafael. Reicht dir das jetzt an Informationen bis nachher?" Mehr oder weniger zufrieden nickte sie.

Wir saßen relativ in der Mitte des Klassenzimmers weshalb ich ziemlich gut mitbekam, wie an allen Ecken und Enden getuschelt wurde. Die ganzen Mädchen aus meinem Kurs warfen mir immer wieder verstohlene Blicke zu und fragten sich, wie ich es geschafft hatte, dass mich Luca Salvatore höchstpersönlich verteidigt hatte. Und warum er mich ausgerecnet vor Sam beschützt hatte.

Und so zog es sich auch durch die ganzen anderen Stunden. Als ich Mittags die Cafeteria betreten hatte, hatte ich das Gefühl die ganze Schule wusste bereits von dem Vorfall heute Morgen bescheid. Jedes Augenpaar schien an mir zu kleben, als ich mich zusammen mit Tia und Elly in die Schlange stellte und auf mein Essen wartete. "Die haben auch nichts besseres zu tun als sich irgendwelche Gerüchte auszudenken, oder? In meinem Psychologie-Kurs hab ich aufgeschnappt, dass du anscheinend was mit Luca am laufen hattest, Sam das rausbekommen hat, Luca gedroht hat und daraufin Rafael ausgerastet ist." Kopfschüttelnd nahm ich mein Essen entgegen. "Die Leute hier haben zu viel Fantasie. Ist ja nicht so als hätte ich davor jemals richtig mit Luca geredet."

Zusammen setzten wir uns an den selben Tisch wie immer an dem auch schon die üblichen Leute saßen. Alle die hier saßen, gehörten keiner wirklichen Gruppe an. Keine Sportler, keine Bad Boys, keine Streber, niemand aus dem Orchester oder dem Schülerkomitee. Wir waren einfach ganz normale Schüler, die irgendwie versuchten die High School zu überleben. Irgendwann hatten wir uns in den Mittagspausen zusammengefunden und hatten uns angefreundet. Um ehrlich zu sein war ich froh darüber niemals zu Sam und seinen Freunden an den Tisch gesessen zu sein. Wenn man nicht zu den Sportlern gehörte war man sonst auf irgendeine andere Art und Weise beliebt. Die Freundschaften die dort gepflegt wurden könnten nicht oberflächlicher sein. Jeder war auf seinen Vorteil aus und sobald jemand einen Fehler machte, war man unten durch. Und auch wenn ich nie wirklich froh darüber war, dass Leo und Carter auch an diesem Tisch saßen, schienen sie sich dort wohl zu fühlen und das war immerhin das wichtigste.

"Roxy, dein Freund starrt die ganze Zeit hier rüber. Und...oh, jetzt steht er auf und kommt her." Während ich mich augenblicklich versteifte schaute Marcus, ein Junge aus meinem Spanischkurs, verwirrt zu Sam. Normalerweise kam er nie zu uns an den Tisch. Das war unter seinem Niveau, sagte er. Er meinte entweder ich würde in den Pausen zu ihm sitzen oder wir würden das Mittagessen getrennt verbringen. Anfangs war ich davon alles andere als begeistert, aber dann wurde es eine angenehme Pause von Sam.

"Roxana, mitkommen. Sofort." "Einen Scheiß wird sie." "Halt dich da raus, Tia. Roxana, du weißt, dass ich nicht gerne warte." Ich rührte mich keinen Millimeter, sah ihn nicht einmal an. Schmerzhaft packte er meinen Arm und versuchte mich hoch zu ziehen, wurde dann aber von mir weg gerissen. "Hab ich mich vorhin nicht klar genug ausgedrückt?" Luca hatte sich vor Sam gestellt und auch Rafael stand keine zwei Meter entfernt und sah Sam finster an.

"Schön, dass du jetzt anscheinend zwei private Bodyguards hast, Roxy. Aber eins sage ich dir. Es kommt der Tag an dem die beiden nicht bei dir sind und dann bist du dran."


Lesenacht #2


Rafael // ✔️Where stories live. Discover now