6. Daniel - Oberstdorf - Tag des Wettkampfes

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„Und noch eine letzte Frage, Daniel: Du hattest im Sommer ja noch gesundheitliche Probleme und bist jetzt einer der Favoriten auf den Sieg der Vierschanzentournee. Hast du erwartet, dass es so gut geht?", fragend sah ihn die Reporterin des deutschen Fernsehens an, die ihm an einem Stehtisch gegenüberstand.

Heute würde die Tournee nun offiziell starten, es war angerichtet. Wie jedes Jahr vor dem ersten Springen, gab es am Morgen noch die letzten Pressetermine, die wahrgenommen werden mussten oder durften, je nachdem wie man es sah. Daniel hatte schon einige TV-Sender abgeklappert. Das hier war seine vorletzte Station, bevor er sich noch zu Anders Jacobsen begeben würde, der ihn in seiner neuen Funktion als TV-Experte für das norwegische Fernsehen interviewen würde.

„Natürlich habe ich immer darauf gehofft, dass es sich so ausgehen würde. Ich hatte schon das Gefühl, dass die Sprünge nach der Verletzung auf einem hohen Niveau waren, aber natürlich weißt du das nie so genau, bis die Saison nicht angefangen hat. Deshalb bin ich bisher auch ziemlich zufrieden mit meiner Performance. Wir werden sehen, wohin mich das führt", beendete Daniel zufrieden seine Ausführungen.

„Dann danke, dass Sie bei uns gewesen sind und viel Erfolg bei der Tournee", verabschiedete sich die Reporterin und die Kameralichter schalteten sich aus.
Zufrieden machte Daniel sich suchend nach dem nächsten Zimmer, indem Anders sitzen sollte, auf den Weg und trat hinaus in den Flur. Man hatte extra das Tagungszentrum ihres Hotels abgesperrt, um den Athleten das Herumgerenne zu ersparen. Allerdings waren die Flure so verwinkelt, dass die meisten der Springer einen kleinen Lageplan als Recht nützlich empfunden hätten, wie er schon durch mehrere Gespräche mit anderen Athleten mitbekommen hatte. Ihm selbst ging es da ganz ähnlich.

Im Flur traf er wiederholt auf Kamil Stoch, der gerade im Begriff war, im Raum vor ihm zu verschwinden, jedoch kurz stoppte, als er Daniel bemerkte. „So sieht man sich wieder. Schon fertig?", wollte der Pole freundlich wissen und man sah ihm deutlich an, dass er das Ende des Marathons herbeisehnte.

Daniel ging es inzwischen ganz ähnlich. Nicht, dass er es nicht mochte, im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen, wenn es sich um den Sport handelte, aber nach dem dritten oder vierten Interview, wurde es auch ihm langsam zu anstrengend. „Die Welt ist halt doch ein Dorf. Eins noch. Und du?"

„Auch nur noch eins. Vielleicht sollten wir es demnächst wie die Slowenen machen, die ersparen sich den ganzen Stress mal wieder", bemerkte der Pole mit einem Lachen, bevor an die Tür klopfte und in das Zimmer vor ihm eintrat, wo er herzlich begrüßt wurde.

Auch Daniel war aufgefallen, dass von den Slowenen jede Spur fehlte. Sie waren zwar dafür bekannt, nicht allzu begierig auf Interviews zu sein, doch dass sie sich so zurückhielten, war selbst für sie ungewöhnlich. Er fragte sich, was die wohl schon wieder ausheckten.

Genaugenommen hatte er eine ganze beschissene fast schlaflose Nacht damit zugebracht sich zu überlegen, was in den Köpfen der Slowenen vorging. Besonders in denen der beiden Prevc- Brüder. Er war sich zu 95 Prozent sicher, dass weder Domen noch Peter etwas ahnten. Peter hatte er heute Morgen sogar noch am Frühstücksbuffet abgepasst, jedoch kaum eine Reaktion von ihm erhalten und an dem gemuffelten „Morgen" hatte er nun wirklich nichts Ungewöhnliches finden können.

Gerade als er an die Tür klopfen wollte, hinter der sich laut seinen Informationen Anders Jacobsen befinden sollte, wurde diese von innen aufgerissen. Ihm gegenüber stand ein Mann um die fünfzig mit Halbglatze und ordentlichem Bauchansatz.

„Daniel, schön, dass du es geschafft hast", rief Anders von drinnen über die Schulter des Mannes hinweg, der ihn durch seine dicke Hornbrille neugierig ansah. Offensichtlich hoch erfreut ihn zu sehen.

„Mr. Tande", nickte der Mann ihm zu. Daniel war sich sicher, dass er ihn kennen müsste. Er war ohne Zweifel einer der Reporter, wie ihm sein Ausweis verriet, der ein Stück aus der Manteltasche herausragte, doch gerade konnte er ihn nicht zuordnen.

„Mr...ähm Verzeihung. Wie ist ihr Name?", entschuldigend lächelte er ihn an.

„Thiessen. Paul Thiessen von RTV Slovenija", stellte er sich vor und reichte ihm die Hand, die Daniel ergriff. „Vielleicht kommen sie irgendwann mal bei uns vorbei, dann können wir uns besser kennenlernen."

„Freut mich sehr", antwortete Daniel und schob sich an Thiessen vorbei ins Zimmer. Das Angebot ignorierte er. Irgendwie hatte er das komische Gefühl, dass man bei Thiessen besser Abstand wahrte. Er hatte eine ganz komische Ausstrahlung, fand Daniel.
Irgendwie falsch.

„Ebenfalls. Genau wie die zahlreichen weiblichen Fans, die sich unten versammelt haben. Da haben sie ja eine wirklich ansehnliche Menge an weiblichen Verehrerinnen", bemerkte Thiessen nebenbei und blickte aus dem Fenster. Unten auf dem Parkplatz hatten sich tatsächlich eine ganze Menge Fans angesammelt, die gut gelaunt nach ihnen riefen, die Handykameras jeder Zeit bereit, ein Foto von ihnen zu schießen. „Oder gibt es in ihrem Leben schon eine Herzensdame?", fragte er nach und betrachtete ihn aus wachsamen Augen, denen mit Sicherheit nicht allzu viel entging und die Daniel verrieten, dass die Frage nach seiner potentiell existierenden Freundin ganz und gar nicht so zufällig gestellt worden war, wie es den Anschein erwecken sollte.

„Darüber möchte ich keine Auskunft geben", lehnte Daniel die Frage ab und fühlte sich in der Gegend von Thiessen von Minute zu Minute unwohler. Diese Frage war ihm schon öfter gestellt worden, aber nie hatte er dabei das Gefühl gehabt, dass die Antwort tatsächlich etwas zählte. Normalerweise gehörte das zum Smalltalk dazu, er lächelte dann immer kurz, sagte, dass er glücklich sei und damit war das Thema erledigt.

„Ach was, das bleibt doch unter uns", zwinkerte ihm der Reporter verschwörerisch zu und Daniel fragte sich, ob die Nummer schon jemals funktioniert hatte.

„Jetzt lass den Jungen schon von der Angel, Thiessen. Schließlich ist er hier, um meine Fragen zu beantworten", rettete Anders ihn, bevor Daniel zu einer Antwort ansetzen konnte, und dirigierte Thiessen höflich aber bestimmt langsam aus dem Raum.

„Stimmt. Ich vergesse das immer. Entschuldige, Berufskrankheit. Ich will euch nicht weiter aufhalten. Man sieht sich", verabschiedete dieser sich widerwillig und verschwand um die nächste Ecke.

„Komischer Kauz", starrte Daniel im hinterher, erleichtert, dass er ihn los war. Er fragte sich, ob seine Paranoia vielleicht gerade etwas überreagiert hatte. Nach den letzten Tagen wäre das wirklich kein Wunder. Aber er sollte damit aufhören, hinter jeder Ecke Gespenster zu vermuten. Das würde ihn irgendwann völlig verrückt machen.

„Bei dem würde ich aufpassen. So harmlos wie der aussieht, ist er lange nicht. Der steckt seine Nase überall dort rein, wo sie nichts zu suchen hat", sagte Anders als er die Tür schloss.

„Danke für die Warnung", erwiderte Daniel und setzte sich an den Tisch. Trotzdem glaubte er, dass er leicht überreagierte. War ja nicht so, dass es ihm seit neuestem auf der Stirn geschrieben stand, dass er schwul war. Thiessen konnte nichts wissen. Niemand konnte das, wenn er weiterhin versuchte, seine Normalität aufrechtzuerhalten.

„Okay, dann kommen wir mal zur Sache, kann mir vorstellen, dass du dann deine Ruhe willst", grinste Anders ihn wissend an und unterbrach Daniel in seinem immerwährenden Kampf mit sich selbst. Sie hatten sich schon immer gut verstanden, auch als Anders noch ein Teil des Teams gewesen war. Andererseits hatte es auch niemanden gegeben, der sich jemals nicht mit Anders verstanden hatte. Er war einfach ein sehr angenehmer Zeitgenosse.

Die Kamera wurde eingeschaltet und Daniel zum gefühlt hundertsten Mal heute herzlich begrüßt. Das Wasserglas vor sich, ignorierte er. Er hatte an diesem Morgen schon so viel Wasser getrunken, dass er sich inzwischen wie ein lebendig gewordenes Wasserfass fühlte.

„Daniel, nach dem schwierigen Sommer, den du hattest: Wie schätzt du den Saisonverlauf bisher ein?", begann Anders das Interview mit der ersten Frage.

„Ja, großartig. Was soll ich sagen. Eigentlich hätte es fast nicht besser laufen können. Es ist einfach großartig bis hier her", antwortete er und im Hintergrund hörte er lauter werdendes Kreischen. Offenbar wurden die Mädchen draußen für ihre Hartnäckigkeit gerade belohnt.

„Großartig war gestern auch dein Sprung, mit dem du die Quali gewonnen hast. Auch deine Trainingssprünge waren stark. Könnte man sagen, dass dir die Schanze hier in Oberstdorf liegt?", beugte sich Anders interessiert und ehrlich neugierig zu ihm herüber.

„Nun, das ist eine Schanze, die ich schon oft gesprungen bin. Ich habe das Gefühl, dass ich sie kenne. Die Anlage ist ein bisschen altmodischer als die anderen. Ich spüre den Unterschied, wenn ich springe. Du hast ein bisschen mehr Power. Aber wenn ich einen guten Tag habe, springe ich auf allen Arten von Schanzen gut", erklärte Daniel seinem Gegenüber, der ihm bestätigend zunickte. Das waren die Fragen, die Daniel mochte. Mit denen er arbeiten konnte. Zufrieden lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.

„Denkst du, du kannst es mit Domen aufnehmen?", wollte Anders wissen und Daniel verkrampfte sich jedoch sofort ein wenig bei der Frage und setzte sich wieder aufrechter hin. Wie eigentlich immer, wenn die Sprache auf ihn kam. Irgendwie überfiel ihn dann das Gefühl, dass die ganze Welt würde erraten können, was er für ihn empfand, wenn sie ihn nur genau ansahen oder genau zu hörten, wenn er über ihn sprach. Als wäre er ein offenes Buch für jeden. Und Thiessens Fragen nach seiner niemals existierenden Freundin taten irgendwie gerade ihr Übriges, genau wie die Ereignisse der letzten Tage. Er fragte sich, warum er von allen Dingen, die der slowenische Reporter hätte fragen können, ausgerechnet das von ihm hatte wissen wollen. Er konnte es nicht wissen, rief sich Daniel ins Gedächtnis, bevor er sich wieder auf das Gespräch konzentrierte.

„Natürlich hoffe ich das. Als Athlet will man immer an der Spitze stehen. Und natürlich versuche ich, ihn zu schlagen. Aber er ist wirklich sehr gut gesprungen in den vergangenen Wochen, deshalb wird es hart. Aber ich denke, auch Stoch und Kraft werden stark sein. Es wird definitiv hart heute", versuchte Daniel möglichst unauffällig das Gespräch vom Slowenen wegzulenken. Nach gestern konnten er und seine Gefühlswelt nun wirklich ein bisschen Frieden und Abstand vertragen. Auch wenn letzteres in weiter Ferne zu liegen schien. Spätestens heute Nachmittag beim Training würde er ihn wahrscheinlich wiedersehen.

„Das wird es ohne Zweifel. Kommen wir aber noch einmal auf Domen zurück. Er sieht ja wirklich völlig anders aus in der Luft. Sehr flach. Waghalsig. Was denkst du, wie macht er das?", interessiert lehnte sich Anders noch ein Stück weiter zu ihm vor und der Kameramann schwenkte seine Linse direkt zu ihm herüber. Er war jetzt sicher in der totalen Ansicht zu sehen, die jede Regung von ihm einfing, wenn er von seinem Konkurrenten sprach. Das lief alles wieder absolut perfekt...nicht.

Nervös räusperte sich Daniel, bevor er antwortete. Jedes Wort genau abwägend, bemühte er sich, um einen neutralen Gesichtsausdruck. „Ähm... ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber ich versuche es herauszufinden, denn es sieht wirklich cool aus und es scheint gut zu funktionieren. Zumindest bisher."

„Bisher ist wohl hier das entscheidende, gestern lief es jedenfalls nicht ganz so gut für ihn. Man hat den Eindruck, er schwächelt ein wenig", gab Anders in einem Tonfall zu bedenken, der signalisierte, dass er den Slowenen eigentlich schon halb abgeschrieben hatte.

„Aber ich bin mir sicher, dass Domen heute besser springen wird, als gestern", rutschte es Daniel ungewollt heraus und im nächsten Moment hätte er sich am liebsten die Zunge abgehackt. Das war nicht hilfreich!

„Abwarten. Eines kann man glaube ich, aber jetzt schon festhalten: Es wird spannend heute. Wir bedanken uns, dass du noch vorbeigekommen bist und wünschen dir für heute viel Erfolg", verabschiedete sich Anders vor der Kamera und die Lichter erloschen.

Daniel, der nach einem Blick auf die Uhr feststellte, dass er langsam losmusste, verabschiedete sich von Anders, der ihm nochmals viel Erfolg wünschte und rannte die Treppen runter in die Eingangshalle des Foyers.

Hier standen schon in jeder verfügbaren freien Ecke, die Ausrüstung der Springer, die jetzt nacheinander in die verschiedenen Autos geladen wurde, damit die Skitechniker sich an die Arbeit machen konnten und später nicht in Zeitnot gerieten. Zwischen all diesen Taschen rannten Betreuer, Springer oder Hotelpersonal wild hin und her wie bei einem Hindernislauf.

Daniel und die anderen des norwegischen Teams würden sich die Zeit bis zum Trainingssprung am Nachmittag noch ein wenig in der hiesigen Turnhalle vertreiben.
Doch dafür brauchte Daniel noch seine Sporttasche, die er heute Morgen bei der freundlichen brünetten Rezeptionistin abgegeben hatte.

„Da ist er ja, unser Überflieger", rief ihm Anders quer durch den Raum zu, als er ihn auf seinem Weg zur Rezeption entdeckte.

„Anders! Wo sind die anderen?", fragte Daniel ihn stirnrunzelnd. Er wollte nur ungern mit Anders allein sein. Er hatte Angst davor, dass er ihr Gespräch dort weiterführen würde, wo sie gestern aufgehört hatten. Einem Anders Fannemel konnte man so schnell nichts vormachen und er wusste einfach nicht, wie nah Anders schon an der Wahrheit dran war.

„Genießen den Fanrummel", grinste Anders und zeigte in Richtung der Glastür. Und tatsächlich, da stand der Rest seines Teams, gab Autogramme und ließ sich mit glücklich durcheinander kreischenden Fans Fotografieren.

„Wow, der ganze Aufstand nur wegen uns", kopfschüttelnd lief Daniel an Anders vorbei zur Rezeption.

„Was heißt nur wegen uns?! Immerhin sind wir die Bezwinger der Lüfte und sehen nebenbei auch noch ziemlich gut aus. Ich finde, man kann es den Mädels echt nicht verdenken", bemerkte der Norweger gönnerhaft und absolut überzeugt von sich selbst mit einem Grinsen, dass nur von seinen Ohren in Grenzen gehalten wurde. Dabei packte er Daniel an seinem Oberarm und hielt ihn davon ab, seinen Weg fortzusetzen.

„Naja, ist ja nicht so als hätten wir keine Ahnung... Christiano Ronaldo in unseren Reihen", rechtfertigte Daniel sich. Sie waren doch nur Skispringer. Normale Jungs von nebenan.

„Hey, wenn Skispringen einfach wäre, dann würde es Fußball heißen, tut es aber nicht und es ist schon ziemlich cool, so gut bei den Mädels anzukommen. Das musst du zugeben", zuckte Anders schlicht mit den Schultern und zog Daniel zum Ausgang.
„Nein, warte ich muss noch meine Tasche holen. Hey- ähm was soll das?", wollte Daniel widersprechen, doch Anders ignorierte ihn einfach.

„Wird Zeit, dass du mal wieder Kontakt zum anderen Geschlecht bekommst, sonst endest du irgendwann noch als Eunuche", sagte er und zog ihn unbarmherzig hinter sich her. Daniel musste bei Anders Geschwindigkeit aufpassen, dass er nicht sämtlich Taschen und Menschen in diesem Raum mit sich riss.

„Ich hab dir schon gesagt, dass ich-"

„Ach was! Ein bisschen Übung schadet nie", öffnete Anders die Eingangstüren des Hotels und stieß Daniel nach draußen. Sofort waren sie von einer Schar Mädchen umringt, die Daniel anstarrten, als wäre er der Messias persönlich. Von überall her riefen sie seinen Namen und zerrten an ihm herum.

Daniel, der den Fanrummel eigentlich genoss, war für einen Moment sprachlos. Dann konnte er sich ein Grinsen angesichts der bunten Truppe vor sich, nicht verkneifen. Er schrieb in den nächsten Minuten fleißig Autogramme und ließ sich unzählige Male mit den Mädchen ablichten. Irgendwie war er Anders doch dankbar. Immerhin waren es auch die Fans, die sie an der Schanze anspornten und die den Sport so überhaupt möglich machten.

Einige der Mädchen hatten sich den Namen ihres Favoriten groß über die Wangen geschrieben (sein Name war dabei besonders häufig zu lesen) oder sich Norwegerfahnen ins Gesicht gemalt. Er empfand es als Privileg so angehimmelt zu werden und wollte seine Fans, die hartnäckig auf ihn gewartet hatten, nicht enttäuschen. So nahm er einige Komplimente entgegen, schüttelte weiter Hände und bekam sogar ein einen Skihasen im Norwegerpulli als Glücksbringer geschenkt.

Aber auch ein paar Fans der anderen Nationen waren dabei. Besonders viel ihm eine Traube junger Mädchen auf, die mit slowenischen Fahnen und einem Plakat auf dem „We love Domen the king of the air" stand, ausgestattet waren und etwas abseits von ihm standen. Von den Slowenen jedoch, war weit und breit nichts zu sehen. Nicht, dass diese Tatsache Daniel großartig störte. Für Domen war es momentan eh besser, wenn er sich nur auf den Sport fokussieren würde.

„Hey, Daniel, viel Glück dir heute", wünschte ihm ein blondes Mädchen schüchtern, die sich vor ihn schob und seinen Blick wieder zurück auf das Geschehen vor sich lenkte.
„Danke", erwiderte Daniel und sah wie sie errötete, während er ihre Hand ergriff. Als er wieder losließ, hatte er einen Zettel in der Hand und das Mädchen vor ihm verschwand genauso schnell wieder, wie sie urplötzlich vor ihm gestanden hatte.

Hilflos starrte Daniel den Zettel an und steckte ihn ein. Er würde ihn später lesen. Im selben Augenblick klopfte ihm jemand auf die Schulter. Es war Anders, der ihm anerkennend ein Daumen hoch Zeichen zeigte. Den würde er heute wohl nicht so schnell wieder loswerden und Anders würde ihn garantiert den ganzen Tag damit nerven.

Er beschloss, lieber wieder ins Hotel zu gehen und endlich seine Sachen zu holen, damit er sich wieder dem Sport widmen konnte. Fürs erste hatte er genug Aufmerksamkeit genossen.

Doch als er sich umdrehte, stand eines der slowenischen Fangirls vor ihm, das ihn mit glänzenden Augen ansah. In der Hand hielt sie einen Brief, der mit reichlich Herzchen verziert war und auf dem in großen Lettern „Domen" stand. „Ähm, ich habe mich gefragt... also ob du vielleicht...ich meine...", stotterte sie verlegen und sah auf den Boden.

Daniel musste nicht lange überlegen, um zu wissen, was sie von ihm wollte. Sie war hübsch, musste der Norweger zugeben und schluckte. Er wollte eigentlich nicht der Bote des Liebesbriefes sein. Tausend Fragen schwirrten ihm durch den Kopf: Was würde der Slowene mit dem Brief tun? Würde er vielleicht antworten? Auf ihre Schwärmerei eingehen? Und so wie das Mädchen aussah, hatte sie gute Chancen bei Domen zu landen. Was absolut frustrierend und ungerecht war.

„Ich soll ihn Domen geben?", fragte er leicht abwesend und starrte den Brief an, als könnte er jeden Moment explodieren.

„Bitte?", brachte sie schüchtern über die Lippen, sah ihn flehend mit traurigem Hundeblick an und hielt ihm den Brief hin, der Daniels Blick gefangen hielt. Er wollte ihn nicht einmal anfassen. Domen sollte sich auf den Sport konzentrieren. Schließlich begann die Tournee heute, da konnte der Slowenen keine Ablenkung gebrauchen.

„Klar, leiten wir ihn weiter. Nicht wahr, Daniel? Ist doch kein Problem", mischte sich Anders ein, als Daniel nicht reagierte und nahm den Brief entgegen, den Daniel am liebsten anzünden würde. „Domen wird sich bestimmt freuen."

„Sicher", stimmte er tonlos zu und wandte sich ab, um wieder zurück ins Hotel zu gehen. Seine Stimmung war innerhalb der letzten Sekunde auf Arktisniveau gesunken.

„Was sollte das gerade eben?", holte Anders ihn ein, der sein eigenartiges Benehmen mitbekommen hatte.

„Ich weiß nicht, was du meinst", brummte Daniel und lief auf die Rezeption zu, wo seine Tasche verstaut lag und die er jetzt brauchte.

„Wieso hast du sie so angesehen, als würdest du ihr am liebsten die Pest wünschen?", ließ Anders nicht locker.

„Hab ich doch gar nicht", stritt Daniel ab und betätigte ungeduldig die Klingel, als er niemanden am Tresen entdecken konnte. Hatte er wirklich nicht!

„Sicher, hast du. Ich weiß nur nicht wieso?", stellte sich Anders an seine Seite und sah ihn an.

„Das hast du dir eingebildet", wehrte Daniel sich hartnäckig gegen die Fragen seines Teamkollegen und klingelte erneut. „Wo sind die denn?", suchend sah er sich nach dem Personal um. Als ob er das Mädchen gut genug kennen würde, um ihr die Pest an den Hals zu wünschen. Also wirklich! Da bräuchte es bei Daniel schon wesentlich mehr Anreiz. Und Anders war definitiv gerade mit allem Engagement dabei, ihm diesen zu liefern.

„Sicher nicht. Bist du etwa eifersüchtig?", fragte Anders unbeirrt weiter, wohlwissend, dass Daniel ihn vermutlich gerade in die Hölle wünschte.

„Ach, quatsch. Worauf denn?", widersprach Daniel vehement und lief auf eine Tür zu, hinter der er einen Personalraum vermutete. Vor ein paar Minuten hatte er doch noch jede Menge Hotelpersonal gesehen? Wo waren die denn zum Henker alle hin? Langsam wurde er ungeduldig.

„Auf Domen? Immerhin ist der Brief für ihn", wedelte Anders mit dem blöden Ding auch noch vor seiner Nase herum. Wo waren die Aktenvernichter, wenn man sie nur gerade mal brauchte?

„Wieso sollte ich darauf eifersüchtig sein?", fragte Daniel und bedachte den Brief mit einem weiteren abschätzigen Blick und vergaß für den Moment sogar, dass er an die Tür vor ihm hatte klopfen wollen.

„Keine Ahnung, vielleicht dachtest du, der ist für dich... Hey! Du fandest sie selbst toll!", rief Anders begeistert aus. „Dir ist aber schon klar, dass sie mindestens zehn Jahre jünger ist als du, oder?", setzte er stirnrunzelnd hinterher.

„Anders, ich stehe nicht auf sie! Können wir das Thema dann damit abhaken?", fragte Daniel genervt und erinnerte sich daran, dass er jemanden auftreiben musste, der ihm seine Tasche geben konnte. Etwas lauter als beabsichtigt hämmerte er gegen die Tür.

„Mr Tande, was kann ich für sie tun?", streckte die brünette Rezeptionistin kurze Zeit später ihren Kopf heraus.

„Ich hatte vor ein paar Stunden meine Tasche abgegeben", sagte er und musste gar nichts weiter erklären.

„Aber sicher. Einen kleinen Moment, ich hole sie gern", zwinkerte sie ihm kokett zu und verschwand in einem kleinen Raum neben der Rezeption.

„Die wäre doch eher was für dich", ertönte es hinter ihm und Daniel musste einmal tief durchatmen, um sich davon abzuhalten Anders anzuschreien. Was war nur los mit ihm? Wo war seine Gelassenheit von vor fünf Minuten nur hin?

„Wie oft denn noch!? Du bildest dir da was ein, Anders!", warf Daniel hilflos seine Arme in die Luft. Er war am Ende mit seinem Latein. Er hatte keine Ahnung, wie er Anders wieder abschütteln konnte.

„Dann würde es dir nichts ausmachen, wenn Domen ihr antworten würde?", grinste Anders ihn wissend an. Er wusste ganz genau, dass er eben eine wunde Ader seines Freundes getroffen hatte.

„Meinetwegen kann er sie heiraten", schnaubte er abschätzig. Allein die Vorstellung, verursachte bei ihm Gänsehaut.

„Ist ja schon gut", brummte er neben ihm, als die Rezeptionistin mit seiner Tasche wiederkam.

„Hier haben wir sie", strahlte sie ihn aus ihren braunen Augen an. „Kann ich sonst noch etwas für sie tun?"

„Nein, danke", lehnte Daniel schroffer ab. Klasse, jetzt ließ er seine schlechte Laune schon am Personal aus. Dabei war er eigentlich nicht so ein Mensch. Deshalb setzte er ein: „Aber nett das Sie fragen", hinzu, bevor er sich endgültig abwandte. Mit Anders auf den Fersen. Allein seine physische Anwesenheit reizte ihn. Er war sich sicher, dass der das Thema noch lange nicht fallen gelassen hatte, genauso wenig wie er es jetzt einfach ruhen lassen konnte. „Weißt du was? Ich werde es dir beweisen! Gib mir den Brief! Ich werde ihn gleich zu Domen bringen", fuhr Daniel schließlich nach einem Moment angespannten Schweigens zu Anders herum, der erschrocken zurückwich.

„Okay, wenn du unbedingt willst", grinsend überreichte Anders Daniel den Herzchenbrief. Anders hatte gewonnen. Ohne, dass Daniel etwas davon mitbekommen hatte.

„Kann es gar nicht abwarten", nahm Daniel den Brief mit spitzen Fingern entgegen und marschierte zielsicher in Richtung der Aufzüge davon. Die Slowenen wohnten irgendwo im vierten Stock, das wusste er inzwischen. Und das richtige Zimmer würde er bestimmt auch finden, er musste nur jemanden fragen.

Das war absolut lächerlich! Er würde Domen jetzt einfach diesen bescheuerten Brief geben und sich dann wieder auf den Sport konzentrieren. Er wusste nicht einmal genau, warum seine Gefühle überhaupt so einen Aufstand darum machten. Wobei, wenn er genau darüber nachdachte, dann hatte er schon so eine Ahnung, was ihn da umhertrieb. Er wusste doch, dass seine Schwäche für Domen nicht von Erfolg gekrönt sein würde, da konnte er sich genauso gut auch gleich damit abfinden. „Eifersucht! So was bescheuertes! Und dann auch noch auf dieses kleine Mädchen! Ernsthaft, Tande?! Noch tiefer geht es ja fast nicht mehr", grummelte er leise im Aufzug vor sich hin.

Als die Aufzugtüren sich öffneten, stürmte er in den Gang und sah sich um. Links von ihm war alles ruhig. Bis auf die Palme im Flur konnte er kein lebendes Wesen ausmachen. Rechts von ihm jedoch standen mehrere Türen sperrangelweit offen und lebhafte Gespräche drangen zu ihm herüber.

An der ersten offenen Tür hielt er an und klopfte. Die Sprunganzüge, die ihm im Eingangsbereih sofort ins Auge fielen, verrieten ihm, dass er hier gar nicht so falsch sein konnte. „Hallo?"

„Einfach reinkommen, ist offen!", rief jemand von drinnen. Als Daniel um die Ecke sah, blickte ihm überrascht Jernej Damjan entgegen. „Daniel, hey! Was gibt es denn?"

„Hey, sorry, wollte nicht stören. Weißt du, in welchem Zimmer Domen ist? Ich muss ihm was geben", erklärte er dem älteren Slowenen kurz sein Anliegen.

Der schien das nicht weiter seltsam zu finden. „Du störst nicht. Das ist Zimmer 409. Einfach klopfen. Der ist bestimmt auch gerade dabei, seine Sachen zusammenzupacken."

„Danke", verabschiedete sich Daniel und ging weiter zu Zimmer 409. Von drinnen drang eine Stimme nach draußen, die ein wenig abgehetzt klang. Schien fast so, als wäre Domen mal wieder spät dran.

Ein Lächeln schlich sich auf Daniels Gesicht, als er die Tür anstarrte und sich vorstellte, wie Domen drinnen hektisch hin und her lief und alles verfluchte, weil die Zeit unbarmherzig fortschritt.

Dann schob sich wieder der Anlass seines Besuches in den Vordergrund, der bleischwer in seiner Hand lag. Kurz spielte er mit dem Gedanken den Brief einfach in den Müll zu werfen. Dann wäre es so, als hätte es den Brief nie gegeben. Aber das hatte das Mädchen einfach nicht verdient. Sicherlich hatte sie Stunden an ihrem Schreibtisch gesessen und überlegt, was sie Domen schreiben sollte.

Er wusste selbst, wie schwer es war mit seinen Gefühlen umzugehen, die er niemandem mitteilen konnte. Wenigstens das sollte er ihr nicht nehmen. Dazu hatte er nicht das Recht und so ein Mensch, der so etwas tat, war er auch nicht. Wollte er nicht sein.
So stand er jetzt hier, vor Domens Zimmertür mit einem Liebesbrief in der Hand, der zwar nicht von ihm war, und trotzdem klopfte ihm sein Herz, dieses verräterische Ding, bis zum Hals.

Er schloss die Augen und klopfte. Er wartete gespannt, während die Stille ihn laut umfing. Dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit und Domen streckte seinen Kopf heraus. „WAS?! ... Oh, Daniel."

„Siehst etwas gestresst aus, Butterprinzessin. Mal wieder deinen Schuh verloren?", begrüßte Daniel ihn.

„Haha. Witzig. Wirklich. Wolltest du sonst noch was? Habe gerade nicht so viel Zeit, Opfer zu spielen", zischte Domen auf den Schlips getreten. Dabei blitzen seine Augen wütend und eine leichte Röte überzog seine Wangen, was Daniel einfach bezaubernd fand.

„Mach dich mal locker, Prinzessin... ich wollte dir nur was geben", versuchte Daniel sich an seinen eigentlichen Grund für seinen Besuch zurückzuerinnern. Den Brief hielt er jedoch weiterhin hinter seinem Rücken versteckt.

„Heute noch? Ich bin nämlich ein bisschen spät dran", drängelte Domen und sah ihn ungeduldig an.

„Äh...ja", schüttelte Daniel seinen Kopf. Er musste sich jetzt mal zusammenreißen! Er benahm sich ein bisschen wie dieses Mädchen mit dem Brief in der Hand. Schlimmer noch, er begann sich genauso zu fühlen. Dabei war das nicht mal seiner! „Das hier", hielt er Domen den Brief direkt vor die Nase.

„Für mich?! Hast du den extra für mich gebastelt?! Das ist ja soo süß!", rief Domen verzückt aus, während er Daniel ansah, als wäre er geisteskrank.

„Was? Nein! Ich würde doch nie.. ich meine, wieso sollte ich dir einen Brief schreiben?", stieß der Norweger in einem Tonfall aus, der signalisieren sollte, dass so etwas so abwegig war wie ein Orange im Stringtanga, obwohl er sich fühlte, als hätte Domen ihn auf frischer Tat ertappt.

„Das war ein Witz! Also: Was ist das?!", entgeistert starrte Domen abwechselnd zwischen dem Gegenstand in Daniels Hand und Daniel hin und her.

„Ein Brief", antwortete Daniel, angesichts dieser dummen Frage, damit beschäftigt sich von seinem Schock zu erholen.

„Ach was?! Wäre ich ja nie darauf gekommen. Ich meine: Was soll ich damit?", präzisierte Domen seine Frage und sah irgendwie angespannt aus, wie er da zwischen Daniel und dem Brief hin und her sah.

„Lesen?! Keine Ahnung. Ich hab nur versprochen, ihn dir zu geben", gab Daniel zurück und hielt ihm den Brief nun direkt vor das Gesicht. Er sollte ihn endlich nehmen, damit er ihn loswurde und nicht weiter wie ein verliebtes Mädchen mit einem Liebesbrief in der Hand im Gang stand. Dass ihm dabei nämlich die Wangen vor Verlegenheit brannten, würden er und auch Domen unmöglich noch länger ignorieren können.

„Dann danke dafür. Ist angekommen." Widerwillig nahm Domen ihn entgegen, musterte ihn kurz, bevor er ihn in den Papierkorb neben der Tür schmiss.

„Hey! Was machst du da?", rief Daniel, der sich entrüstet durch die Tür schlängelte und den Brief wieder aus dem Papierkorb holte.

„Ich hab weder Zeit noch Lust mir die Schwärmereien eines Mädchens anzutun. Die schreiben doch alle nur das Gleiche", sagte der Slowene verächtlich, während er sich von Daniel abwandte und seine Tasche weiter packte. „Kannst ihn ja behalten, wenn du willst, mir egal."

„Der ist aber nicht für mich, sondern für dich. Zeig dich wenigstens etwas dankbar", warf er den Brief auf Domens Tasche zurück und fragte sich gleichzeitig, warum zum Teufel er Partei für dieses Mädchen ergriff. Sollte er nicht froh sein, dass Domen sich nicht sonderlich für seine weiblichen Fans zu interessieren schien?

„Wofür? Dafür, dass sie mein Aussehen ach so toll finden? Dass sie unsere Horoskope verglichen haben, die perfekt zusammenpassen? Ehrlich jetzt? Das einzige, was für mich zählt, ist der Sport", stellte der Slowene klar und stand Daniel gegenüber, seine Sprungschuhe in der Hand, die er versuchte, in seinem zerfetzten Rucksack zu verstauen.

„Auch wenn dir das vielleicht nicht bewusst ist, aber es gehört ziemlich viel Mut dazu, einem Fremden sein Herz auszuschütten. Ich meine, sieh dir den Brief doch an, sie hat wahrscheinlich Stunden dran gesessen und ihn mit diesen grässlichen Herzen verziert. Jetzt sei nicht so kalt und lies ihn wenigstens. So viel Respekt solltest du deinen Fans schon entgegenbringen, auch wenn du es lächerlich findest!", legte Daniel ihm seine Sicht auf das Ganze dar. Ein wenig überraschte ihn Domens Einstellung schon. Sicher, er war an der Schanze nie der große Autogrammschreiber gewesen, aber er hatte zumindest immer den Eindruck gehabt, dass Domen das Gefühl im Innersten schon genoss, wenn die Mädels nach ihm schrien. Gleichzeitig konnte er nicht verhindern, dass ihm ein ganzes Gebirge vom Herzen rollte, da der Slowene nicht das kleinste bisschen Interesse zeigte.

„Gut! Wenn es dich glücklich macht, leg ihn auf den Tisch, dann lese ich den eben später. Vielleicht", gab er augenrollend nach.

Zufrieden wollte Daniel ihm den Brief auf den Tisch legen, als ihm das Chaos darauf auffiel. Leere und halbleere Flaschen standen zwischen halb vertrockneten Mandarinenschalen, die umsäumt waren von irgendwelchem Süßigkeitenpapier. Das ganze gab es auf dem Tisch garniert mit einem Paar Socken, einem Handyladekabel, dass sich elegant über den Tisch schlängelte und zwei Laptops, die halbaufgeklappt einen großen Teil der Restfläche einnahmen und mit irgendwelchen Zetteln bedeckt waren. „Das ist nicht besser, als der Papierkorb, Butterprinzessin."

„Das Genie beherrscht das Chaos", antwortete Domen schlicht, der inzwischen im Bad verschwunden war. Als er wiederkam, hatte er seinen Sprunghelm und die Brille in der Hand. Was zum Teufel hatten die im Bad verloren, fragte Daniel sich, zu dem nun auch weitere Details vordrangen. In diesem Zimmer herrschte die reinste Katastrophe. Hier war definitiv Hurrikan Katrina erst vor ein paar Minuten durchmarschiert, wie sonst ließ sich der eine Schuh auf dem Nachtschränkchen und die ganzen Klamotten auf dem Boden erklären?!

„Was ist eigentlich mit deinem Rucksack passiert, Butterprinzessin?", wollte Daniel interessiert wissen, als er Domen dabei beobachtete, wie er sich bemühte, auch seine Mütze noch in den Rucksack zu stopfen. Leider ohne Erfolg. Seufzend legte Daniel den Brief auf eines der Betten, überwand die Distanz zu dem Jüngeren und hielt ihm den Rucksack auf, damit er seine Sachen besser verstauen konnte. Dabei kamen sie sich näher, als Daniel lieb war.

„Antiaggressionstherapie?", antwortete Domen mit seltsam belegter Stimme und sah Daniel, der ebenfalls über den Rucksack gebeugt war, in die Augen.

„Wer war denn das eigentliche Opfer?", lachte Daniel angesichts dieser Antwort und fand Domen einfach unglaublich süß, wie er ihm so gegenüberstand und ihn irgendwie entschuldigend lächelnd ansah. In diesem Moment vergaß er einfach alles um sich herum und ließ sich von dieser seltsamen unbeschwerten Stimmung mitreißen.

„Das willst du nicht wissen, Lahmarsch", krächzte Domen und richtete sich langsam wieder auf. Dabei ließen sie sich jedoch nicht einen Augenblick aus den Augen. Stille senkte sich über die beiden, die von diesem Moment gefangengenommen wurden und sich nicht von der Stelle rührten.

Erst als es ungeduldig an der Tür klopfte, wurden sie gewaltsam aus ihrer Trance gerissen.

„Ähm... entschuldige...ich... ja. Die Tür...", verlegen drängelte sich Domen eilig an Daniel vorbei.

„Was?!", wollte Domen genervt wissen, als er die Tür aufriss.

„Nicht was! Hast du mal auf die Uhr gesehen?! Wir müssen los!", drängte Cene zur Eile, der sie gerade noch rechtzeitig gestört hatte.

„Bin ja schon da", antwortete Domen, kam zurück und schnappte sich seine Tasche, während Cene im Gang verschwand.

„Dann ähm... danke ich dir für deinen... ähm den Brief", verabschiedete sich Domen schnell und ließ Daniel einfach im Gang stehen, der Domen paralysiert hinterher starrte und es nicht fassen konnte, dass er sich innerhalb von nur wenigen Tagen gleich zweimal in so eine, für ihn verfängliche, Lage gebracht hatte.

Würde er es denn niemals lernen?!

Hello HurricaneWhere stories live. Discover now