38. Daniel - Bischofshofen - Tag des Wettkampfes

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 Tief sog Daniel frische Waldluft in seine Lungen. Lauschte dem fernen melodischen Gezwitscher der Vögel, dem sanften Wasserrauschen des kleinen Baches. Grillen zirpten und ab und an war ein lautes Knacken im Unterholz zu hören, das erahnen ließ, dass hier im Wald wesentlich mehr Tiere lebten, als man hören konnte. Vereinzelte Sonnenstrahlen kämpften sich durch dichtes Blatt- und Tannenwerk, sprenkelte die langsam an ihm vorbeiziehende Landschaft in den unterschiedlichsten Grün- und Gelbtönen. Versunken beobachtete Daniel, wie der graubraune mit Rinde und Tannennadeln bedeckte Boden unter seinen Füßen vorbeizog. Wich kleinen Ästen und heruntergefallenen Tannenzapfen aus, während er dem Rhythmus des Waldes verfiel.

Er genoss das Gefühl zu laufen. Sich lebendig zu fühlen. Und leicht. Noch vor einem Jahr hatte er geglaubt, dass es nie wieder so werden würde. Aber es war vorbei. Hier spielte seine Vergangenheit keine Rolle.

Angenehm kribbelte es in seinen Beinen. In seinem Bauch machte sich die erste Vorfreude auf den anstehenden Wettkampf breit. In der letzten Wintersaison hatte er seine ersten Weltcupeinsätze bekommen und auch wenn diese nicht ganz so verlaufen waren, wie er sich das gewünscht hatte, spürte er einfach, dass es bergauf ging.

Im Training lieferte er immer bessere Resultate. Er hatte Spaß an dem, was er tat. Unbeschwert konnte er die Wettkämpfe angehen. Die Zeit mit den anderen aus dem Team genießen. Mit einem leichten Lächeln im Gesicht, drosselte er langsam sein Tempo, als das Ende des Waldes in Sicht kam. Dumpf drang die Stimme des Stadionsprechers an seine Ohren, der den Zuschauern hier beim CoC in Kranj ordentlich einheizte.

„...irre! Ich hab noch nie jemanden so springen sehen!" –

„Ich weiß, was du meinst. Ich habs von unten gesehen und ganz ehrlich – Hey, Daniel –", unterbrach Dawid kurz sein Gespräch mit Macjei, als sie am Norweger vorbeiliefen. Freundlich grüßte Daniel zurück, bevor die Polen ihr Gespräch fortsetzten. „Von unten sah es so aus, als würde er jeden Moment abschmieren. Wie ist so etwas überhaupt ....glich?"

Langsam verklangen die Stimmen der beiden Polen hinter ihm. Neugierig fragte Daniel sich, von wem die beiden Polen da wohl gesprochen hatten, als ihm die Hitze des Hochsommers entgegenschlug.

„Pass auf!" – „Arrgh! Mist!" – „Ja!" Unter lauten Rufen des österreichischen B-Kaders flog ein Ball ungebremst in den Wald. Die Nordamerikaner, die sich direkt gegenüber im Schatten einer riesigen Tanne erwärmten, verfolgten neugierig das Spektakel. Daniel tauschte ein kurzes Grinsen mit Kevin, als er an ihnen vorbeilief. Es war nicht das erste Mal, dass die jungen Österreicher dem Ball nachjagten.

Verschwitzt ließ er sich auf die Bank vor ihrem Container fallen, als die Tür neben ihm aufging und Joachim nach draußen trat. An diesem Wochenende würden sie beide die norwegische Fahne vertreten. „Was für eine Hitze!", stöhnte Joachim, als er sich neben ihm aufstellte und sehnsüchtig in die Kabine der Franzosen schielte, die einen Ventilator angeschlossen hatten.

„Es ist Sommer. Was hast du erwartet?", lachte Daniel vergnügt und schnappte sich eine Wasserflasche aus der Kühlbox und schüttete sie sich über den Kopf.

„Dass du, wie jeder andere Mensch auch, aus der Flasche trinkst, Mr. Wasserverschwender", schnaubte Joachim neben ihm. „Trinkwasser ist ein kostbares- Gupffft! Daniel!"

„Und du ein elendiger Miesmacher. Genieß die Sonne und lehn dich zurück!", forderte er Joachim verschmitzt auf, während er seinen Teamkollegen beobachtete, wie er sich das Wasser aus dem Gesicht wischte.

„Da ist aber jemand übermütig heute", grummelte Joachim und setzte sich zu ihm auf die Bank.

„Wieso auch nicht? Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und gleich dürfen wir endlich wieder springen. Was könnte es schöneres geben?", lehnte Daniel sich zurück und meinte es absolut ernst. Er war noch nie zuvor so zufrieden mit seinem Leben gewesen wie jetzt. Wenn es nach ihm ginge, konnte es bis in alle Ewigkeit so bleiben.

Hello HurricaneWhere stories live. Discover now