3. Kapitel

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3. Kapitel


Albträume sind Schatten unserer selbst. Sie sind weder Fantasie, noch Einbildung. Sie sind unsere tiefsten Ängste, die Ängste vor uns selbst und den Dingen zu denen wir fähig sind.

-K.M.


Ein lauter, qualvoller Schrei riss mich aus meinen Träumen. Ich schaute auf den Wecker. Halb fünf. Müde fuhr ich mir übers Gesicht, ehe ich mich zu Lilly umdrehte und sie in den Arm nahm. Sie wachte nicht auf. Sie weinte, schrie und schlug um sich, doch ich hielt sie weiter und wiegte sie leicht hin und her, bis sie langsam anfing sich zu beruhigen. Den Versuch sie zu wecken, unternahm ich erst gar nicht. Schon vor Jahren hatte ich gelernt, dass es nicht funktionieren würde. Wenn Lilly erst einmal in einem Albtraum gefangen war, wachte sie nicht daraus auf, bevor er vorbei war. Es war furchtbar und jedes Mal aufs Neue zum mitleiden, doch es war nun mal nicht zu ändern.

„Hey, wie geht es ihr?", flüsterte eine leise Stimme.

Hanna hatte das Zimmer betreten ohne dass ich es überhaupt mitbekommen hatte. Sie setzte sich zu uns und hielt die Hand ihrer Freundin.

„Die Träume hören einfach nicht auf", sagte ich leise.

Hanna wusste nicht, dass wir eine Schwester gehabt hatten. Alles was sie wusste, war das Lilly etwas widerfahren war, dass ihr die schlimmsten Nächte überhaupt bereitete. Sie fragte nicht nach den näheren Gründen, wofür Lilly und ich ihr dankbar waren. Wie hätten wir ihr auch etwas erklären sollen, dass wir selbst nicht verstanden? Aber es war trotzdem klar, dass Hanna etwas ahnte. Sie hatte mit Sicherheit einige Theorien darüber woher Lillys Verhalten kam auch wenn sie keine davon aussprach, mussten sie in ihr rumoren und einiges Kopfzerbrechen bereiten.

„Es tut mir so weh zusehen wie sie leidet", flüsterte Hanna und küsste Lilly auf die Stirn.

„Ich weiß", erwiderte ich und schloss meine Hand um Hannas, die noch immer die meiner Schwester hielt.

So saßen wir eine Weile da und beobachteten wie Lil endgültig zur Ruhe kam und scheinbar traumlos weiterschlief. Als wir uns sicher waren dass sie den Albtraum für heute Nacht hinter sich hatte, murmelte Hanna ein:

„Gute Nacht", und ging wieder ins Bett.

„Nacht", erwiderte ich und rutschte ein Stück tiefer.

Meine Schwester noch immer im Arm haltend wurde ich ein weiteres Mal vom Schlaf übermannt.


„Reicht mir mal jemand die Marmelade?", fragte Hanna und streckte fordernd die Hand aus.

„Welche denn?", hakte Lilly grinsend nach und deutete auf die fünf verschiedenen Gläser welche vor uns verteilt auf dem Tisch standen.

„Kirsch", erwiderte Hanna nach kurzem Überlegen.

Meine Schwester stieß mich an. Ich sah von der Zeitung auf und schaute zu ihr. Sie deutete mit dem Messer auf das Glas welches direkt vor mir stand und meinte:

„Wärst du so nett?"

„Klar", ich griff danach und reichte es Hanna, welche es dankend annahm.

Als ich damit fertig war die neusten Nachrichten aus aller Welt zu lesen, faltete ich die Zeitung zusammen und schob sie meiner Schwester zu. Ich tippte auf die Schlagzeile und fragte dann in die allgemeine Runde:

„Und was macht ihr heute alle so?"

Während Lilly den Artikel las, erklärten meine Eltern dass sie gleich Arbeiten würden und Hanna meinte dass sie sich mit ihrem neuen Freund treffen wolle.

Forbidden Touch (TNM-#0.5)Where stories live. Discover now