20. Kapitel

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20. Kapitel

Wenn man sich seiner Gefühle einmal klargeworden ist, fällt es schwer sie wieder loszulassen.

-K.M.

„Was machen wir jetzt?" fragte Lil.

Wir lagen in ihrem Bett, unsere Eltern waren Mal wieder nicht da, schauten an die Decke, während meine Finger immer wieder zwischen ihre fuhren und nicht damit aufhören konnten sie zu halten.

„Ich weiß es nicht", meinte ich ehrlich.

Sie drehte sich auf die Seite und schaute mich an.

„Vielleicht sollten wir einfach davonlaufen. An einen Ort, an dem uns keiner kennt", schlug sie lächelnd vor. Ihr warmer Atem traf dabei meine Schulter und machte es mir schwer, mich zu konzentrieren. Verdammt, ihre ganze Anwesenheit machte es mir schwer auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Bei dem Gedanken an ihren Vorschlag musste auch ich lächeln, aber es hielt nicht lange an.

„Wie verrückt wir doch sind. Egal was wir auch empfinden oder auch nicht, es ändert nichts an den Tatsachen", stellte sie leise fest und schlug betrübt die Augen nieder.

Ich umfasste ihr Kinn und hauchte einen Kuss darauf. Dann erwiderte ich:

„Ich weiß. Deshalb hasse ich es so sehr."

Ich hatte nicht darüber nachgedacht bevor ich es sagte, doch kaum waren mir die Worte entwischt, wünschte ich, ich könnte sie zurücknehmen. Wer hörte schon gerne, dass man das hasste, was jemand für einen empfand?

„Da bin ich deiner Meinung", gestand sie zu meinem Erstaunen.

Überrascht sah ich sie an.

„Ich meine, normal ist das nicht. Und noch viel wichtiger, es ist gesetzlich verboten", fuhr sie leise fort.

„Was logisch ist, aber dennoch ...", murmelte sie mehr an sich, als an mich gewandt und fuhr dabei gedankenverloren über dir Haut über meinem Schlüsselbein.

„Gefühle folgen nun mal keiner Logik", sagte ich.

„Wenn sie es täten, wäre das hier erst gar nicht passiert", führte sie meinen Gedanken zu Ende.

Ich wusste, was sie meinte. Es fühlte sich so natürlich an, war aber sogar gesetzlich verboten. Meine Seele schmerzte davon und mein Herz brach jedes Mal ein Stück mehr, wenn ich sie ansah und Gefühle in mir aufkamen, die so überwältigend waren, dass ich sie am Liebsten nie wieder gehen lassen wollte. Ober selbst irgendwo hingehen wollte, schon gar nicht in ein stark umkämpftes Kriegsgebiet. Mir hatte es bis zu diesem Zeitpunkt nie etwas ausgemacht, aber Lil stand jedes Mal Höllenqualen aus. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr sie hatte leiden müssen. Allein die Vorstellung es könnte anders sein, jagte mir einen Schauer über den Rücken und ließ mich ihre Hand noch fester halten. Meine Schwester bemerkte es sofort und strich sacht mit dem Daumen über meine Haut, um mich zu beruhigen. Es funktionierte, doch ein unangenehmes Drücken breitete sich in meiner Brust aus. Es waren noch etwas mehr als zwei Wochen, dann musste ich wieder zurück. Vermutlich nicht in den Krieg, aber zumindest auf den Stützpunkt. Ein Gedanke reifte langsam in mir. Es war töricht, mehr als dass, es war absolut falsch, dennoch gefiel er mir mehr und mehr. Mein Blick glitt zu Lil. Ihre Augen musterten mit wachsam und nahmen sofort wahr, dass sich meine Verfassung änderte.

„Was ist?", fragte sie lächelnd.

„Du wirst in drei Tagen achtzehn", stellte ich fest.

„Ja, und?", fragte sie verwirrt.

„Danach ist es nur noch eine Woche bis ...", ich hielt inne.

Ich wollte es weder ein zweites Mal denken, noch ein einziges Mal aussprechen.

Traurig lächelnd, legte sie eine Hand an meine Wange.

„Ich weiß."

Keine Ahnung, ob es der Ausdruck in ihrem Gesicht oder die Trauer in ihrer Stimme war, doch etwas trieb mich dazu plötzlich ihr Kinn zu umfassen, es zur Seite zu drehen und ihren Hals zu küssen. Lil schloss die Augen und als ich sie wieder ansah, lächelte sie mich erneut an, dieses Mal war sie dabei glücklich.

„Lass uns die Zeit bis dahin genießen", flüsterte ich.

Statt etwas zu sagen, beugte sie sich zu nur herab und küsste mich federleicht leicht auf die Lippen. Es war kaum mehr, als ein Hauch, ein kurzes Streifen, doch es reichte aus, um mich etwas sehr Dummes tun zu lassen: Ich war weder vorsichtig noch bedacht, als ich eine Hand in ihren Nacken legte, sie in ihre Haare krallte und zu mir runterzog, als sie sich bereits zurückzog. Der Kuss war ungestüm und wild. Wir legten Beide sämtliches geheimes Verlangen hinein und den Frust darüber, dass es nie Wirklichkeit sein konnte. Ihre Finger fuhren meinen Kiefer entlang, ehe sich eine auf meine Brust legte, während die Andere durch meine Haare fuhr. Sie übertrugen den Kampf, der sich in ihrem Inneren abspielte nach außen. Die Vernunft in ihr sagte, dass sie mich auf Abstand halten sollte, aber ihr Verlangen wollte nichts mehr als bei mir zu sein. Sie spiegelte eins zu eins wieder was ich selbst spürte, doch ich bemühte mich es zu ignorieren.

Es kam mir vor wie eine kleine Ewigkeit, die wir dalagen, uns den Lippen des Anderen hingaben. Aber als Lil zwei Finger auf die Meinen legte, ihre Stirn noch immer an meine gelehnt, wollte ich frustriert seufzen. Es kostete mich einiges an Konzentration, aber ich beherrschte mich. Stattdessen lauschte ich ihrem schnellen Atem, fühlte ihren rasenden Puls unter meinen Finger, die an ihrem Hals lagen. Wartend biss ich nur auf die Unterlippe, was normalerweise sie tat und nicht ich. Sie quittierte es mit einem Zucken ihres Mundwinkels.

„Ich kann das nicht", flüsterte sie.

Die Trauer kehrte zurück auf ihr Gesicht, als ihre Lippen ein letztes Mal auf meine trafen. Sie wollte aufstehen, doch ich legte ihr eine Hand auf die Schulter, als sie es gerade geschafft hatte sich zu setzten. Lil hielt inne, schaute über ihre Schulter, jedoch nur in meine Richtung, nicht auf mich. Langsam richtete ich mich selbst auf und legte ihre vollen, langen Haare zur Seite. Ihre entblößte Schulte, die weiche Haut, war zu verlockend um sie nicht zu küssen. Es war ihr gegenüber weder fair noch recht, dennoch tat ich es. Sie legte den Kopf in den Nacken und griff nach meinem Hals.

„Es sind keine zwei Wochen", flüsterte ich über ihrer warmen Haut und senkte erneut meinen Kopf.

„Bitte", flehte ich schon fast.

Ihr Griff verstärkte sich. Sie fluchte leise, bevor sie sich zu mir umwandte und ihr Gesicht an meinem Hals vergrub.

„Zwei Wochen", murmelte sie recht bestimmend.

Ich lächelte und küsste sie auf die Stirn. Woher hätte ich auch wissen sollen, dass in zwei Wochen alles anders sein würde?


Forbidden Touch (TNM-#0.5)Where stories live. Discover now