6. Kapitel

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6. Kapitel


Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird.

-Christian Morgenstern

Zuhause ist man, wo das Herz ohne Scheu lachen und in Ruhe seine Tränen trocknen lassen kann.

-Unbekannt


Lilly und ich verließen zwei Stunden später schweigend das Gebäude. Sie hatte es tatsächlich geschafft mit dem Major als Rückhalt neue Waffen zu organisieren und eine Richtigstellung in die Wege zu leiten. Sie war keine achtzehn Jahre alt und trotzdem in der Lage all diese Dinge zu tun. Manchmal fragte ich mich, ob Annas Tod der Grund dafür war. Danach schien sie schnell um einiges älter zu werden. Und auch jetzt, wirkte sie nicht wie siebzehn. Eher wie Anfang zwanzig. Hin und wieder vergaß ich, dass sie meine Schwester war und sah sie als Kameradin. Meine beste Freundin. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass wir in einem Haus lebten und sie mich schon immer kannte. Genau wie ich sie. Trotzdem, der Tod hatte sie altern lasen, auf eine Art die manchmal fast schon unheimlich war. Hanna sagte dann Lil hätte eine alte Seele, weil sie den wahren Grund nicht kannte, aber dann fragte ich mich dennoch ob an ihrer Behauptung nicht vielleicht etwas Wahres dran war.

„Leo?"

Aus meinen Gedanken gerissen blickte ich auf und schaute in ein vertrautes Gesicht.

„Was machst du denn hier?", fragte ich erstaunt und gab Melinda einen flüchtigen Kuss auf den Mund.

Im Augenwinkel erhaschte ich einen Blick auf meine Schwester, die zaghaft doch unecht lächelte. Was war denn jetzt los? Hatten Melinda oder ich etwas Falsches gesagt oder getan?

„Ich wollte dich sehen. Und außerdem hat deine Mum bei mir angerufen, damit ich dir etwas ausrichte. Warum dachte sie, dass du bei mir bist?", erkundigte sie sich.

„Hast du ihr gesagt, dass ich es nicht bin?", erkundigte ich mich, ohne dabei auf ihre Frage einzugehen.

Leicht schüttelte sie den Kopf und ich spürte, wie mir ein Stein vom Herzen fiel. Lil und ich waren nicht scharf darauf, dass unsere Eltern erfuhren dass Lilly auf dem Stützpunkt mehr trieb, als mich zu besuchen. Einmal davon Wind bekommen und unsere Mum würde ständig fragen was wir taten und Dad würde darauf bestehen dass sie aus verschiedenen Gründen öfter käme. Einerseits mochte er es sie auf dem Stützpunkt zu sehen und mit ihr Zeit zu verbringen, andererseits schien ihm die Idee sie ebenfalls beim Militär zu wissen mehr und mehr zu gefallen.

Meine Schwester trat auf Melinda zu, schaute sie ernst an und sagte:

„Danke."

Verwirrt schaute Melinda von mir zu ihr und wieder zurück.

„Was ist denn los?"

Obwohl Lilly von allem wusste und mitten drin steckte, nahm ich meine Freundin zur Seite und fing leise an zu erklären:

„Hast du heute schon einen Blick in die Zeitung geworfen?"

„Ja, das ist mit ein Grund warum ich hergekommen bin", meinte sie und verschränkte misstrauisch die Arme vor der Brust.

„Lilly hat uns in dieser Sache geholfen. Wir wollen nicht dass unsere Eltern oder unnötig viele Menschen davon erfahren."

Verwirrter als zuvor blickte sie mich an.

„Warum? Es ist doch nichts dabei. Ich meine, es ist ungewöhnlich und ich wundere mich schon wie das kommt, aber ..."

„Genau deshalb. Die Leute sollen sich nicht fragen warum sie es tut oder wie es sein kann dass man sie es tun lässt", fiel ich ihr rüde ins Wort.

Forbidden Touch (TNM-#0.5)Where stories live. Discover now