Sie saßen auf dem Gerüst im Innenhof und starrten auf die Menschen herab, die vereinzelt vorbei liefen. Jace sah die Gesichter seiner Nachbarn und beneidetet sie, denn eins verband sie alle, die Sorglosigkeit in ihrem Blick. Was hätte Jace nicht alles getan, um jetzt an ihrer Stelle zu sein?
Sein Blick wanderte zu seinen zwei Freunden. Nell hatte den Kopf an das Gelände gestützt und nestelte nervös an dem Saum ihres Pullis, während Will immer wieder auf sein Handy blickte. Sie waren alle besorgt und nervös, immerhin wusste keiner, wie dieser Tag enden würde. Jace hatte ein unglaublich schlechtes Gewissen, weil er die beiden in seine Angelegenheiten mit hereingezogen hatte. Wenn er nicht wäre, könnten sie jetzt irgendetwas unternehmen und einfach glücklich sein. Er seufzte, jetzt war es zu spät.
"Wartest du auf eine Nachricht?", fragte Jace und deutete auf das Gerät in Wills Händen, es war zwar nur ein sehr schwacher Versuch, sie alle auf andere Gedanken zu bringen, aber Jace brauchte jetzt Ablenkung. Unbedingt.
Will schien einen Moment mit sich zu hadern, aber dann hob er den Blick und nickte. "Ich habe Kat geschrieben und-"
"Warte." Jace setzte sich auf. "Kat hält zu Lou, warum sollte sie dir schreiben?"
"Ich bin nicht derjenige, der ihre beste Freundin hintergangen hat", meinte Will gereizt, aber Jace nahm es ihm nicht übel, er war nun einmal nicht der Einzige mit angespannten Nerven. "Wie auch immer, sie hat angeboten uns Geld zu leihen und jetzt warte ich auf eine Antwort mit einem Treffpunkt."
Jace sah seinen Freund an. Er spürte, wie sein Puls plötzlich deutlich anstieg, und presste die Hände fest zusammen, versuchte ruhig zu bleiben, doch dann platzte es einfach aus ihm heraus. "Spinnst du? Das kannst du doch nicht machen! Reicht es nicht schon, dass wir da mit drin hängen, willst du noch mehr Leute mit reinziehen?"
"Sie steckt doch schon mit drin! Und ganz abgesehen davon, sie könnte uns verdammt nochmal helfen!"
Das Blut rauschte ihm in den Ohren, er wurde immer wütender, dabei war ihm doch tief im Innern bewusst, dass Will ihm nur helfen wollte, doch das zählte in dem Moment nicht. Die ganze Anspannung der letzten Tage hatte sich zusammengebraut und jetzt machte sie sich bemerkbar. "Sie kann mir nicht helfen! Was bringt mir ihr Geld, Will? Mason will diesen bescheuerten Ring, denkst du er lässt sich mit ein paar Hundertern abspeisen, heh?"
"Es ist-"
"Jungs, hört auf!" Nell legte beiden eine Hand auf den Arm und sah sie eindringlich an. "Das hat doch keinen Sinn. Wollt ihr jetzt wirklich noch anfangen, euch zu streiten?"
Jaces Hände begannen unkontrolliert zu zittern, doch er versteckte sie unter seinen Beinen, sodass die beiden es nicht sahen. Es war ein Zeichen von Schwäche, Schwäche, die er sich jetzt einfach nicht erlauben konnte. Die anderen glaubten zu wissen, was in ihm vorging, aber sie hatte nicht einmal annähernd eine Ahnung von dem Chaos, das tief in seinem Herzen herrschte. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, kein Wunder also, dass er so wütend geworden war.
Er hörte Will seufzen. "Jace, ich weiß, dass du Angst hast, aber da bist du nicht der Einzige. Ich mache mir Sorgen um euch und wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass wir Mason irgendwie rumkriegen, dann sollten wir sie doch ergreifen oder nicht?"
Ja, vielleicht. Aber warum sollten sie jetzt noch damit anfangen, sich Hoffnung zu machen? War es nicht besser, realistisch zu bleiben? Dann würde es am Ende zumindest nicht so schlimm sein. Jace setzte gerade dazu an, etwas zu sagen, als er von Wills klingelndem Handy unterbrochen wurde. Will warf den beiden einen kurzen hoffnungsvollen Blick zu, bevor er tief durchatmete und den Anruf annahm.
"Kat? Ja, ich habe mit ihm gesprochen, er ist zwar nicht wirklich begeistert, aber..." Will sah ihn an und die Sorge, die er in seinen Augen sehen konnte, bereitete Jace Magenschmerzen. Er hatte nie gewollte, dass es den beiden so ging. "Aber im Moment müssen wir nach jedem Grashalm greifen."
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Das Glück des Zufalls | db ✔️
RomanceLou lebt in einer Welt, in der Geld alles ist. Die Menschen kennen keine Gefühle. Für sie sind Liebe, Familie und Freundschaft Fremdwörter. Jace hingegen lebt in einer Welt, in der das Geld knapp ist. Er erlebt Enttäuschungen, dafür hat er jedoch ei...
