-6-

7.6K 523 71
                                    


*Quentin POV*


Wen mich irgendwer jetzt in diesem Moment fragen würde, wie es zu dieser Situation kam, könnte ich keine logische Antwort geben. Denn ich hatte schlichtweg keine Ahnung warum Phillip und ich gerade durch die dunklen Straßen irrten.

Oder doch, ich konnte es beantworten: Ich hatte einfach nicht die Eier gehabt nein zu sagen, als er fragte ob er mit mir gehen könnte, da er auch keinen Bock mehr auf die Party hatte und sein Haus anscheinend auf meinem Weg lag.

Wenn es jeder andere gewesen wäre, hätte ich einfach nein gesagt, so bin ich eben. Ich bin ein Nein-Sager, selbst wenn dieser jemand gleich neben meinem Haus gewohnt hätte, wäre meine Antwort ein ganz klares Nein gewesen, aber wenn dieser jemand dabei so verdammt süß aussah und so verlegen an seiner unteren Lippe kauen musste, wurde ich eben schwach.

Manchmal war ich selber von mir ziemlich angekotzt.

"Man, Ophelia und Adam werden so was von sauer auf mich sein", meinte ich glucksend. Adam würde toben, aber genauso wusste ich das er mir nicht mehr als 24 Stunden böse sein konnte. Und Ophelia ... der war das sowieso egal, sie war niemals nachtragend. Man konnte etwas von ihr kaputt machen und nächsten Moment war alles wieder gut. Ich hatte das mal aus Jux ausprobiert: Ich hatte mal, als ich bei ihr geschlafen hatte, ihre Lieblingstasse vom Tisch gefegt. Sie guckte nur kurz traurig, ist dann zum Schrank gegangen, nahm sich eine neue Tasse und hatte dann diese Tasse zu ihrer Lieblingstasse erkoren. Vielleicht aber hatte sie das Konzept eines Lieblings-Gegenstandes nicht ganz verstanden.

"Ja, das werden sie wohl sein. Oder auch nicht. Wer weiß das schon." Phillip lachte leise, trottete neben mir her. Oder ehe: neben meinem Fahrrad. Ich hatte das extra zwischen uns getan, das er mir nicht doch irgendwie zu nahe kam und ich womöglich, zum krönenden Abschluss einer wirklich miesen Party, einen Herzinfarkt bekam. Tinnitus und Herzrhythmusstörungen reichten vollkommen aus.

"Auf dich werden sie auch sauer sein", gab ich zu bedenken. Phillip schüttelte aber nur mit dem Kopf. "Nein, ich habe mich schließlich vorher abgemeldet." Er sah mich an, zog entschuldigend die Schultern hoch. Und fing dann tatsächlich an hämisch die Lippen zu verziehen.

"Hast du ja?", hakte ich nach. Meine Stirn hatte sich in Falten gelegt. Gut, dann werden Adam und Ophelia eben nur auf mich sauer sein, aber das lässt sich, wie gesagt, alles regeln. "Du entpuppst dich immer mehr als Spießer. Unglaublich." Ich lachte. Phillip wirkte plötzlich etwas gekränkt.

"Kann ja nicht jeder so risikofreudig sein wie du", meinte er dann. Er zog seine Schultern hoch, stopfte sich seine Hände in die Taschen seiner Jeans.

"Ja, ich stehe mega auf Risiko. Ich begebe mich wirklich gerne in Lebensgefahr." Ich schob mein Fahrrad weiter vorwärts. Bedachte Phillip immer wieder mit einem Seitenblick.

"Adam und Ophelia nicht zu sagen das du von der Party abhaust heißt sich in Lebensgefahr zu begeben?" Nun grinste Phillip wieder, seine Haltung entspannte sich sichtlich.

"Klar. Und nicht nur das war lebensgefährlich! Ich wäre vorhin doch glatt betrunken Fahrrad gefahren! Was bloß alles hätte passieren können .." Ich legte mir theatralisch die Hand auf die Brust.

"Das schlimmste was passiert wäre, ist das du von der Polizei angehalten worden wärst", sagte Phillip.

"Ich hätte in einen Straßengraben fallen können, okay? Oder ich wäre gegen einen Zaun gefahren, oder noch schlimmer: Gegen eine Laterne." Ich selber fand die Vorstellung gegen eine Straßenlaterne zu fahren ziemlich amüsant. Wäre sicher schmerzhaft, aber doch amüsant. Alleine die Vorstellung: Eine breite, leere Straße und ich Dussel fahre ausgerechnet gegen eine schmale Eisenstange.

"So viel hast du doch gar nicht getrunken!", meinte Phillip. Ja .. dass traurigste an der Sache jetzt war, das es mir wahrscheinlich trotzdem passiert wäre. Denn es ist mir schon mal passiert und ich hatte nicht mal einen Tropfen Alkohol intus, nur meinen Kopf in den Wolken. Und am Tag danach höllische Kopfschmerzen. War aber trotzdem ziemlich amüsant, ich sah aus als hätte ich mich geprügelt. Was auch irgendwie stimmte, wenn mein Gegner auch nur eine unbewegliche Eisenstange war.

"Na und? Ich vertrage halt nichts", redete ich mich raus. Phillip musste ja nicht wirklich wissen, das ich manchmal zu dumm zum Fahrrad fahren war. Es reichte mir das Adam das wusste, und meine Familie natürlich.

"Wir sind gleich da", meinte Phillip, deute auf die Straßenbiegung, die uns nach links führen würde. "Nur noch da rum, und dann sind wir da." Er hatte seine Hände aus den Taschen geholt und strich sich damit übers Gesicht.

"Was sagen deine Eltern dazu dass du so spät nach Hause kommst?", fragte ich ganz nebenbei. Wir kam zu der Biegung und gingen der Straßenführung entsprechen nach links. Ich wusste fast überhaupt nichts von Phillip. Nur das er anscheinend hier mit seiner Familie in einem kleinen Haus wohnte. Ich sah mir die Häuser an. Es waren mehrere und zwischen drin prangte ein kleines Mehrfamilienhaus.

"Nichts? Und was heißt hier spät? Es ist noch nicht mal 2 Uhr!", gab er entgeistert von sich. "Aber sie werden nichts sagen. Die schlafen vermutlich schon. Der einzige der vielleicht noch wach sein wird ist mein Bruder."

Wir beide näherten uns dem Mehrfamilienhaus. Da war ich wohl nicht der einzige der sich mit mehreren Familien ein Gebäude teilen musste. Adam und Ophelia hatten es gut.

"Du hast einen Bruder?", fragte ich, als wir vor der Eingangstür Halt machten. "Ich habe zwei Brüder." Antwortete Phillip. "Au Backe, dann ist deine Mutter ja richtig gesegnet", lachte ich. Seine Mutter tat mir leid. 3 Jungs und wenn dann der Mann auch noch da ist, prost Mahlzeit. Da hatte meine Mutter ja noch wirklich Glück ...

"Ja, das ist sie wohl. Bei 3 Kerlen im Haushalt wird die Wohnung zum Schlachtfeld." Phillip drehte sich um, ging zur Haustür, fing an seinen Haustürschlüssel aus seiner Tasche zu wühlen. "War nett, bis Montag", verabschiedete er sich, als er die Tür geöffnet hatte. Er drehte sich nochmal um, ich hob die Hand und Phillip verschwand schließlich im Aufgang.

Ich stieg auf mein Fahrrad und radelte wieder in die entgegengesetzte Richtung. Man muss Phillip ja nicht sagen das ich einen Umweg gemacht hatte. Ging ihm ja auch schließlich nichts an.

Als ich schließlich zu Hause ankam, ohne Zwischenfälle und Zusammenstöße mit irgendwelchen Straßendekorationen fiel ich dann doch noch fast von meinem Fahrrad, konnte aber gerade so noch das Gleichgewicht finden. Ich stellte es in den Fahrradständer neben der Haustür, schloss es aber nicht an.

Ich ging sofort zu Tür, öffnete sie und stieg die Treppen bis zum fünften Stock des Wohnblocks hoch. Oben an der Wohnungstür angekommen, schnaufte ich wie als hätte ich gerade einen Marathon hinter mir, aber das war mir egal. Ich öffnete die Tür mit meinem Schlüssel und betrat so leise ich konnte die Wohnung, von dem Schnaufen mal abgesehen.

Ich wollte gerade in mein Zimmer als ich sah das die Zimmertür meiner Schwester noch offen war.

"Hey", begrüßte ich sie als ich das Zimmer betrat. Ich hatte eigentlich angenommen sie würde schon schlafen, sonst hätte ich ja nicht leise sein müssen. Weil unsere Mutter gerade eine Nachtschicht hinter sich brachte.

"Du bist noch wach?", fragte ich. "Was ist das für ne Frage, Q?", giftete meine Schwester gleich los, machte sich aber nicht die Mühe mich anzusehen. Sie lag bäuchlings auf ihren Bett und starrte auf ihr Handy.

"Kein Plan, eigentlich gehst du doch nach dem Sandmann gleich ins Bett", meinte ich dann sarkastisch. Sie sah immer noch nicht von ihrem Handy auf. "Ja, unter der Woche vielleicht, aber doch nicht am Wochenende", kam es staubtrocken von ihr. "Du störst, Brüderchen", fügte sie dann noch hinzu.

Ich warf die Arme in die Luft, drehte mich um und verließ ihr Zimmer, aber nicht ohne ein: "Jaja, du mich auch!"

Ich ging in mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir und ließ mich wie erschlagen in mein Bett fallen.

Rainbow Veins [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt