SIEBENUNDZWANZIG

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SIEBENUNDZWANZIG

Nervös stehe ich vor unserem Hotelzimmer, schaue auf meine Finger und überlege fieberhaft, was genau ich meinen Eltern erzählen soll. Dass ich meinen Schlüssel vergessen habe, ist ihnen bestimmt sowieso schon aufgefallen. Wahrscheinlich sollte ich ihnen einfach etwas wahrheitsnahes erzählen und ihnen nicht komplett Lügengeschichten auftischen, denn meine Schwindeleien fliegen immer auf.

Ich atme noch ein letztes Mal tief durch, bevor ich meine Hand hebe und an unsere Tür klopfe. Wenige Sekunden später öffnet mein Vater und schaut mich mit leicht skeptischen Blick an.

"Morgen! Sag mal wo kommst du jetzt eigentlich her?", fragt er mit einem undefinierbaren Unterton in der Stimme.

"Ich war bei Starbucks.. warum?"

Mittlerweile befinden wir uns in dem kleinen Hotelzimmer, meine Mutter scheint aber im Badezimmer zu sein, zumindest kann ich sie nicht sehen.

"Vielleicht, weil dein Schlüssel hier auf der Kommode liegt?"

"Ja.. Ich habe erst bemerkt, dass ich ihn vergessen habe, als ihr schon weg gefahren seid und ich wollte euch nicht eure Tour nach Cornwall kaputt machen! Aber ich konnte bei ähm Chace übernachten, also kein Problem."

"Das ist ja alles schön und gut, aber hältst du es nicht für nötig uns wenigstens Bescheid zu sagen?! Wir gehen davon aus, dass du sicher im Hotel bist und stattdessen schläfst du bei irgendeiner Bekanntschaft? Ich mein es ist ja beruhigend, dass dieser Chace wenigstens schwul ist. Aber was denkst du dir eigentlich?"

Unsicher, was ich antworten soll, kaue ich auf meiner Backe herum und denke darüber nach, was mein Vater gerade gesagt hat. Wenn der wüsste! "Es tut mir ja leid! Ich dachte nur, dass es nicht so wichtig wäre, wo genau ich schlafe.."

"Da hast du wohl falsch gedacht."

Genervt, aber auch etwas schuldbewusst, gehe ich zu meinem Bett und werfe meine Tasche darauf. Dann gehe ich zu meinem Koffer und überlege, was ich anziehen könnte. Allerdings komme ich bei meiner Kleidungsauswahl auf keinen grünen Zweig, weshalb ich wohl oder übel nochmal zu meinen Eltern gehen muss, um zu fragen, was wir heute vorhaben.

Nachdem sie mir mitgeteilt haben, dass wir zu Mme Tussaud's gehen werden, springe ich erstmal unter die Dusche. Während ich meine Haare wasche, ausspüle, mich abtrockne und meine Beine eincreme, denke ich ununterbrochen an Harry und daran, wie unberechenbar er ist. Gestern Abend hatte ich noch das Gefühl, als wären wir beinahe ein Paar, so fürsorglich, aufmerksam und sensibel wie er war und heute Morgen finde ich stattdessen nicht mehr als eine hingekritzelte Nachricht auf meinem Nachttisch. Ich weiß, ich sollte mich nicht so hineinsteigern, aber ich kann nicht anders.

Spielt er nur mit mir? -Herrgott, wie oft ich mich das schon gefragt habe!

Findet er mich interessant, geheimnisvoll, anziehend? -Als ob, sonst hätte er mich ja nicht allein gelassen.

Wird er sich nochmal melden? - Wer's glaubt wird selig!

Schnell schminke ich mich mit einem geschwungenen Lidstrich und Mascara, bevor ich in mein Zimmer hetze und mir Unterwäsche anziehe. Dann stehe ich wieder einmal unschlüssig vor meinem Koffer.

Letztendlich entscheide ich mich für ausgefranste Jeansshorts, ein halbtransparentes, schwarzes T-Shirt und meine weinroten Vans. Grinsend stelle ich fest, dass zu diesem Outfit Harrys Bandana perfekt passt und kann mir nicht verbieten, es um meine Stirn zu knoten. Ich flechte meine Haare locker seitlich zusammen und arbeite die Enden des Bandanas so mit ein, dass es wie eine Kordel in meinem Zopf wirkt.

Zufrieden mit dem Ergebnis, stapfe ich wieder zu meinen Eltern ins Zimmer, traue mich aber nicht aufzuschauen. Mein Vater würde mich zwar nie anschreien, dennoch hat er eine gewisse Art zu zeigen, wenn er mein Verhalten missachtet oder in irgendeiner Weise enttäuscht von mir ist.

Misgivings [Harry Styles]Where stories live. Discover now