Vertiefung: Projektion von Emotionen

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An dieser Stelle muss ich den Gedankengang kurz unterbrechen: Ich spreche hier von einer »Projektion von Emotionen«. Die Wortwahl ist etwas ungünstig: Zum einen bezeichnet man in der Psychoanalyse mit »Projektion« einen Abwehrmechanismus, bei dem eigene unerwünschte Impulse (Gefühle, Wünsche) einem anderen Menschen oder gar einem Gegenstand zugeschrieben werden. Dabei wäre die Übertragung eigener Frustration auf andere Menschen noch ein harmloses Beispiel.

Durch die Projektion vermindert man Konflikte, die man mit sich selber hat und erhält so eine übersichtliches, widerspruchsfreies Selbstbild. »Schuld ist natürlich der andere.« - Es kommt zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität und eine beschränkten Verarbeitung der gegeben Situationen.

Eine solche »Abwehr-Projektion« meine ich hier aber nicht, sondern es geht mir um das »Hineinfühlen« in den anderen auf Grundlage der eigenen Vorstellungen und Empfindungen.

Zum andern kann man »meine« Projektion (bzw. das Prinzip »Schluss von sich selbst auf andere«) um viele Bereiche erweitern: Gedanken, Motive, Bedürfnisse oder Persönlichkeitsmerkmale. Die Projektion bildet ein Baustein für unsere Fähigkeit der »Empathie«, also des »Erkennens« und »Mitfühlens« der Emotionen des anderen. Was natürlich nicht zu 100% gelingen kann! Manche verstehen unter Empathie das Spiegeln der Emotionen des anderen. Wenn wir z. B. einen lieben Menschen weinen sehnen, dann werden wir selber traurig. Ich finde die Bezeichnung Projektion jedoch besser. Ein Spiegelbild zeigt ein Abbild der Wirklichkeit. Wir empfinden aber das, was wir *meinen*, dass im Inneren des anderen vorgeht. Die Projektion kann zutreffend sein - sie muss es aber nicht. Ein einfaches Beispiel, ist das besagte Weinen. Wir können auch vor Glück weinen! Leider finde ich keine lizenzfreien Bilder, um dieses schön zu illustrieren. Wenn man aber z. B. nach Bildern von SOPHIE HOSKING sucht (https://www.google.de/search?q=crying+Sophie+Hosking) dann findet man Bilder, wo man nicht weiß, warum die Frau weint. Erst wenn man sieht, dass sie eine Goldmedaille trägt, wird der Sachverhalt klar. Natürlich ist es im Alltag oft so, dass wir die Situation bzw. den Kontext kennen und die Ursache des Weinens nicht verwechseln.

Eine unzutreffende Projektion führt zu einer »falschen Empathie«: Wir glauben zu erkennen, was der andere fühlt und liegen doch falsch. Wir empfinden sogar Gefühle, die der andere vermeintlich empfindet, und täuschen uns dabei.

Wie an der Formulierung dieser beiden Sätze deutlich wird, kann man Empathie in ein »Erkennen« (kognitive Empathie) und in ein »Fühlen« (emotionale Empathie) unterteilen. Beides kann in einem unterschiedlichen Grad der bewussten Wahrnehmung geschehen: Vom bewussten Abwägen und Grübeln über das Innenleben des anderen bis hin zur unwillkürlichen Reaktion bzw. zur plötzlichen »Erkenntnis«. Den Bereich der kognitiven Empathie könnte man auch der oben erwähnten Theorie des Geistes zuordnen.

Nicht ganz unbeteiligt an dieser Projektion (und insbesondere an der unbewussten Verarbeitung und den daraus resultierenden Reaktionen) sind wohlmöglich sogenannte Spiegelneuronen. Es handelt sich dabei um Nervenzellen, die im Gehirn beim Betrachten eines Vorgangs das gleiche Aktivitätsmuster zeigen wie bei dessen eigener Ausführung. Diese Spiegelneuronen wurden erst 1992 zufällig bei Rhesusaffen entdeckt. Eigentlich hätte man ihre Existenz schon länger vermuten können, denn das Prinzip »durch Anschauen werden wir verwandelt« war den ersten Christen und vermutlich den Menschen schon seit tausenden von Jahren bewusst. Dieses Prinzip ist natürlich recht allgemein aber spätestens seit dem man Gehirnaktivitäten untersuchen kann, hätte der Zusammenhang zwischen »beobachten« und »selbst ausführen« neurowissenschaftlich untersucht werden können. Immerhin ist allgemein bekannt, dass »Beobachtungen« (oder sogar allein das »sich Vorstellen«) von Handlungen körperliche Reaktionen hervorrufen können - ähnliche, wenn nicht sogar die gleichen wie bei der eigenen Ausführung! Seit der Entdeckung der Spiegelneuronen wird darüber diskutiert, welche Verbindung zur Fähigkeit der Empathie besteht. 

Die undurchdringliche Blase (Psychologie, Kommunikation)Where stories live. Discover now