4. Kapitel

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Als mein 'Vater' dies sagte, war ich für einen Augenblick unaufmerksam und achtete nicht auf meine Umgebung. So kam es, dass ich über eine Wurzel solperte und hinfiel.
Kennst du dieses Gefühl der Verzweiflung? Dieses Gefühl, wenn du einfach alles um dich herum vergessen und nur die Augen schließen willst? Wenn es dir egal ist, ob du jetzt die Augen für immer schließt, oder nur für einen einzigen Moment? Wenn du einfach keine Kraft und keine Motivation hast, nochmal aufzustehen? Wenn dein ganzes altes Leben zusammenbricht und, egal wie beschissen es war, du dir einfach wünschst, es wieder zu haben, weil du Angst vor deinem neuen Leben hast? Angst, dass es noch schlimmer wird. Angst vor einer großen Enttäuschung, weil du was Anderes erwartet hast. Angst, dass du in deinem neuen Leben nochmal so tief fällst, wenn nicht sogar noch tiefer.
Genau dieses Gefühl hatte ich gerade. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich lag da und weinte.
Ich sah zurück in die Richtung, aus der jetzt tausende Flüche von den Todessern auf mich zukamen. Wie ein großes buntes Freuerwerk rasten sie zu mir und mir war es egal. Ja, ich empfand dieses Feuerwerk einfach nur als schön und wollte sehen, was es mit mir vorhatte. Doch plötzlich lief alles wie in Zeitlupe ab. Die Flüche waren nicht mehr weit von mir entfernt, als sich auf einmal ganz klar das Gesicht meiner Mutter in meinen Gedanken abspielte. Ich sah nicht mehr das Feuerwerk, sondern die strohblonden Locken und eisblauen Augen meiner Mutter, um die ich sie schon immer beneidet hatte. Ich konnte ihr wunderschönes Lächeln sehen und die kleinen Grübchen neben ihrem Mund. Sie sah trotz ihres Alters noch so jung aus. Meine Mutter sah aus wie ein Engel. Sie war ein Engel.
Doch langsam änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Aus ihrem wunderschönen Lächeln und den süßen Grübchen wurde eine ernste Miene und ihr Mund glich einer geraden Linie, einem Strich. Auf ihrer sonst so reinen Stirn entstand nun eine große Sorgenfalte. Über irgendetwas oder irgendwen machte sie sich Sorgen. Ich wusste nur nicht über was oder wen. Dann fiel es mir wie auf einen Schlag wieder ein. Ich kannte diesen Gesichtsausdruck. Ich hatte ihn schoneinmal gesehen. Dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht war eine Erinnerung.
Flashback:

Ich saß auf unserer schwarzen, teuren Couch vor dem Kamin, in dem ein kleines Feuer fröhlich vor sich hinknisterte. Ich dachte nach. Heute war mein sechster Geburtstag. Nichts Besonderes. Wo es bei anderen Familien vielleicht heißt 'man wird nicht alle Tage sechs, das muss man feiern', hieß es bei mir in der Familie 'sei ruhig und stell keinen Blödsinn an, nur weil du Geburtstag hast'. Ja, bei uns wurde der Geburtstag nie wirklich gefeiert. Meine Mutter konnte meinen Vater zwar jedes Jahr auf's Neue überreden, mir wenigstens ein Geschenk kaufen zu dürfen, aber das war's dann auch schon. Man gewöhnte sich aber dran, es war nicht so schlimm. Ganz ehrlich? Ich war mir auch nicht so sicher, ob ich mit einem Vater wie diesem überhaupt meinen Geburtstag feiern wollte. Nur dieses Jahr war es anders. Dieses Jahr hatte mein Vater mich angesprochen und gemeint:" Du hast heute die ganz große Ehre, den Dunklen Lord kennenzulernen. Vermassel es nicht, hast du verstanden?!" Daraufhin hatte ich nur genickt und nichts mehr gesagt. Den Dunklen Lord kennenzulernen war bei meinem Vater eine große Sache. Er vergötterte Voldemort schon fast. Dementsprechend wollte er, dass ich genauso dachte und mir bloß keinen Fehltritt erlaubte.
Meine Mutter weckte mich schließlich aus meinen Gedanken. "Hier ist dein Geschenk, mein kleiner Engel.", sagte sie und übergab mir ein großes Päckchen. Doch ich öffnete es nicht. Ich schaute nur meine Mutter an und meinte:" Ich hab Angst, Mama. Was ist, wenn ich was falsch mache?" Meine Mutter lächelte ihr schönes Engel-Lächeln, wie ich es heimlich getauft hatte, doch diesmal erreichte es nicht ihre Augen. Ich merkte, dass auch sie ein bisschen Angst hatte, dass etwas schieflaufen konnte und dennoch antwortete sie:" Ach mein Engelchen. Weißt du, Dinge ändern sich nunmal, so ist das Leben. Aber wenn du immer nur Angst hast, dann verpasst du die schönen Dinge im Leben. Alles wird gut."

Ein kleines Lächeln setzte sich auf mein Gesicht, als ich daran dachte. Dieser Spruch, ihre Stimme und ihr Lächeln hatten mir schon so oft Kraft gegeben.
Plötzlich verschwand das Gesicht meiner Mutter aus meinen Gedanken und ich hatte einen freien Blick auf die Flüche, die nurnoch einige Zentimeter von mir entfernt waren. Erschrocken wurde mir bewusst, dass sie mich töten würden und ich riss instinktiv die Arme hoch. Ich schloss fest die Augen als ich hörte, wie sie niederprasselten. Jedoch spürte ich keinen Schmerz. Langsam öffnete ich die Augen und sah ein riesiges Schutzschild aus Eis, das mich umhüllte. Ein Lächeln des Triumphes setzte sich auf mein Gesicht. Tja, dachte ich, meine Magie lässt mich nicht im Stich.

Snowangel ( HP ff - Rumtreiberzeit )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt