Kapitel 7

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Mike

Unsanft werde ich von einem Rütteln geweckt. „Mike! Mike steh auf!", ruft die Stimme meiner besten Freundin. Im nächsten Moment spüre ich nur noch das mir etwas kaltes und nasses ins Gesicht klatscht. Ein Waschlappen. Widerwillig öffne ich die Augen und gucke in das intensive Grün von Vicky's Augen. Sie grinst mich herausfordernd an. „Hey musste das gerade sein? ", meckere ich. Doch ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Ja musste es. Aufstehen du Faulpelz. Otis muss in die Schule und Jojo und Abba in den Kindergarten. Zack zack Mister. Sonst hole ich den Eimer.", entgegnet sie und schenkt mir ihren strengsten Blick. Da ich ihr alles zutraue setze ich mich schnell auf und hebe ergeben die Hände. Ich stehe auf umarme sie kurz und gehe ins Bad. Dort gehe ich unter die Dusche und genieße das angenehme warme Wasser, dass sich gut auf meinen angespannten Muskel anfühlt. Denn ich schlafe immernoch nicht besonders gut.

Immer wieder träume ich von Anna. Anna und dem Unfall. Ich sitze im Auto neben ihr und versuche sie zu warnen doch es klappt nie. Ich wache immer auf, wenn der Autofahrer von vorne in das Auto fährt. Ich wache auf und mir geht es gut. Doch die andere Hälfte des Bettes bleibt leer. Mittlerweile sind schon 6 Monate vergangen. 6 Monate ohne Anna. Es kommt mir vor als wäre es gestern passiert.

Unser Hochzeitstag, der schöne zweisame Morgen und dann der Tag im Studio, der Unfall. Chester's Wohnzimmer und gelbe Tassen. Schon ironisch, dass wir an dem Tag die gelben Tassen benutzt haben.
Seit dem ist viel passiert. Zuerst die Beerdigung und dann eine lange Zeit in der ich niemanden sehen wollte. Niemanden außer meine Kinder.

In der Zeit ist Vicky zu uns gezogen um mir zu helfen. Seit dem hilft sie wo sie nur kann und ist für uns da. Ich bin ihr so dankbar. „Mike ist alles in Ordnung?", fragt sie auf einmal und ich bemerke dass ich schon seit einer halben Stunde unter der Dusche stehe. „Alles ok!", rufe ich ihr durch die Tür zu und stelle das Wasser ab. Ich greife nach einem Handtuch trockne mich ab und greife nach der Kleidung, die ich schon gestern bereit gelegt habe. Eine Jeans, ein T-Shirt. Als ich nach dem Flanellhemd greifen will zögere ich.

Ich dachte ich wäre soweit doch es erinnert mich zu sehr an Anna. Sie hat die Dinger geliebt. Egal ob an mir oder an sich selbst. Ich entscheide mich gegen das Hemd und verlasse das Bad.

Ich gehe ins Schlafzimmer und richte meine nassen Haare vor dem Spiegel. Als sie einigermaßen gut liegen mache ich mich auf den Weg nach unten in die Küche wo Otis, Jojo und Abba schon ihr Müsli essen. Victoria sitzt mit ihnen am Tisch und hört sich anscheinend eine lustige Geschichte aus dem Kindergarten an. „Da kommt ja unsere Schlafmütze. ", begrüßt sie mich erneut und lächelt mich an. Nun sind alle Augen auf mich gerichtet. „Daddy. Du bist endlich wach!", ruft Abba und kommt auf mich zugerannt. Ihre zierlichen Arme klammern sich an mein Bein. Dafür dass sie noch so klein ist hat sie eine enorme Kraft. Jojo ihre etwas ruhigere Zwillingsschwester kommt nun auch auf mich zugestürmt.

Ich hebe erst die eine dann die andere auf meinen Arm und bemerke, wie groß und schwer sie geworden sind. Nach dem ich sie wieder auf dem Boden abgesetzt habe knie ich mich auf dem Boden und drücke beide noch einmal fest an mich. Dann stehe ich auf und gehe auf den Esstisch zu an dem mein kleiner Doppelgänger sitzt. Ich schleiche mich von hinten an und wuschle ihm durch die Haare. Anschließend drücke ich ihm einen Kuss auf den Scheitel, so wie Anna es tun würde.

Dafür ernte ich nur ein genervtes Augenrollen meines Sohnes. Ich weiß, dass er das nicht mag, weil er cool sein möchte, aber ab und zu kann ich es nicht lassen. Vicky hat das ganze beobachtet und grinst mich Kopfschüttelnd an. „Mike Shinoda du kannst es einfach nicht lassen oder? Werde endlich erwachsen. ", kicherte sie.

Ich tue so als würde ich es nicht hören und tue so als würde ich normal an ihr vorbei gehen. Ich schiele auf ihre mühsam geglätteten, roten Haare und als ich hinter ihr stehe greife ich an. Ich greife in ihre Haare und wuschle so lange in ihnen herum bis ihre Locken wieder zum Vorschein kommen. Sie protestiert kreischend und kichernd aber es hat keinen Zweck. Ich lasse von ihr ab.

„Nein danke, aber erwachsen sein ist viel zu langweilig", entgegne ich. „Kommt Kinder wir müssen los.", füge ich hinzu. Nachdem alle Schuhe angezogen sind, winke ich Vicky zu die mit ihren zerzausten Haaren einfach zu komisch aussieht. „Mike Shinoda das schreit nach Rache.", ruft sie mir hinterher als ich die Tür hinter mir ins Schloss ziehe. Ich halte es nicht mehr aus ich breche in schallendes Gelächter aus, weil die Situation einfach zu witzig für mich ist. Meine Kinder schauen mich verwirrt an, aber ich kann einfach nicht mehr aufhören bis mir die Tränen laufen. Ich weiß nicht mehr wann ich das letzte mal so lachen musste.

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