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„Ich hab mir gedacht, zur Feier des Tages gehen wir heute Abend essen. Alle zusammen", verkündete Catherine strahlend und ich zuckte mit den Schultern. Ich war zwar todmüde und sah vermutlich aus wie ein Zombie, doch mein Magen knurrte ziemlich.

„Ich hatte an Italienisch gedacht", sagte sie und schaute verunsichert zu meinem Dad. Als sie sah, dass dieser begeistert nickte, strahlte sie mich an.

„Hört sich gut an", meinte ich mit einem schwachen lächeln auf dem Gesicht und sie klatschte vor Begeisterung in die Hände, ließ sie aber sofort wieder sinken.

„Prima! Ich kenne einen guten Italiener. Ich werde sofort anrufen und einen Tisch bestellen. Hoffentlich ist es nicht zu spät!", rief sie und eilte wieder nach unten. Mein Dad und sie könnten vermutlich um neun Uhr Abends ein ganzes Restaurant mieten und die Leitung würde umgehend alle Gäste rausschmeißen.

„Zieh dir was Schickes an", raunte mein Dad mir zu, bevor er ihr folgte.

Tja, leichter gesagt als getan, da sich meine gesamten Klamotten noch in dem Koffer befanden. Der Koffer war mindestens so groß wie ich und ich hatte Zwei davon.

Ich fing also mit dem Klamottenkoffer an und klappte ihn seufzend auf. Das erste, was mir ins Auge fiel, war ein Jeansrock und ich beschloss, ihn heute Abend zusammen mit einer Bluse anzuziehen. Keine Ahnung, ob das in meinem jetzigen Leben als schick galt. Wohl eher nicht.

Mein Kleiderschrank war ungefähr doppelt so groß, wie der in meinem alten Zimmer. In diesem Schrank könnte ein Mörder bestimmt mehrere Leichen verstecken. Ich muss zugeben, dass ich bei diesem Gedanken über mich selbst schmunzeln musste.

Meinen Dad hatte diese paranoide Art immer genervt, während meine Mom die Ängste mit mir geteilt hätte. Auch, wenn es dann eigentlich keine richtigen Ängste mehr waren und die Situationen meistens damit endeten, dass meine Mom und ich zusammen auf dem Sofa saßen und Schokolade aßen, weil wir so „tapfer" waren. Diese Abende wiederum mochte mein Dad ebenfalls.

Ich musste schmunzeln, als ich daran dachte, wie er jeden Abend in Mom und meinen Schränken nach Einbrechern suchen musste. Diese Tradition hatte sich sogar noch über Jahre fortgesetzt, doch irgendwann waren Mom und ich uns dann einig, dass wir nun beide zu alt für die abendliche Zimmerkontrolle waren.

Das war das Jahr, in dem Mom starb.

„Bist du fertig, Liebling?", rief mein Dad von unten und ich blickte auf den halb ausgepackten Koffer vor mir.

„Nein, aber wir können los!", entschied ich schließlich und schlüpfte schnell in mein Outfit.

Nachdem ich die Bluse umständlich in den Rock gestopft hatte und mir einen schwarzen Gürtel umgebunden hatte - ich hatte den Jeansrock gerade erst gekauft und musste noch reinwachsen- beeilte ich mich, nach unten zu kommen. Auf den Treppenstufen lag ein langer grauer Teppich. Im Wohnzimmer standen bereits Catherine und mein Dad. Sie hatten beide schon ihre Mäntel an und musterten mich eindringlich.

Ich machte mich auf einen spitzen Kommentar zu meinem Outfit gefasst. Nachdem ich mich selber noch einmal im Spiegel betrachtet hatte, befand ich, dass ich kläglich versagt hätte, wenn ich bei einer Fashionshow mit dem Motto „Schick" gewesen wäre.

Doch ich wartete vergeblich.

Als mein Dad endlich den Mund aufbekam, sagte er nur: „Kommt ihr zum Auto?", und schwang voller Vorfreude die Autoschlüssel in der Luft. „Jep", sagte ich und wir gingen zu dem Auto. Das Auto gehörte Catherine und war mehr eine Limousine. Okay, eine kleine Limousine. Sie hatte fünf Plätze, war von außen jedoch glänzend Schwarz.

Mein Dad trug einen dunkelblauen Anzug, der ihm sehr gut stand, wie ungefähr alles, was er in die Finger bekam und Catherine trug ein ebenfalls dunkelblaues, enganliegendes Kleid. Hätten die beiden mir nicht etwas von dem anscheinend vorhandenen Dresscode erzählen können? So kam ich mir mal wieder vor, wie ein Papagei im Löwenkäfig.

Die Fahrt dauerte 20 Minuten, und da wir an ungefähr 16 Italienern vorbeifuhren und mein Magen immer noch knurrte, hoffte ich inständig, dass die Fahrt sich auch lohnen würde.

Manchmal trägt das Glück Socken in SandalenWhere stories live. Discover now