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Ich ließ mich auf mein Bett fallen. Nach einem leckeren Auflauf von Dad musste ich mich erst einmal ausruhen. Ich guckte auf die Uhr. Halb 10. Da morgen Schule war, sollte ich mich wohl eh besser schlafen legen. Gerade, als ich das Licht ausmachen wollte, klingelte mein Handy.

Wer rief mich denn bitte so spät noch an? Genervt holte ich es vom Nachttisch und meine Laune wurde schlagartig besser. Nate. Stimmt, er hatte ja angekündigt, noch anzurufen. Ich ging ran und lauschte.
*
Nate: Hallo? Chloe?
Chloe: Jep. Höchstpersönlich.
Nate: Du hast mich einfach neugierig gemacht und dann meine Anrufe ignoriert. Wo hast du dich blamiert??
Chloe: Och, das tut mir aber leid. Und ich habe deine Anrufe nicht ignoriert, sondern nur mit meiner  -sozusagen- Familie Abendbrot gegessen.
Nate: Sozusagen Familie?
Chloe: Ja, mit meinem Dad und seiner Freundin Catherine.
Nate: Ach so, das macht Sinn, aber willst du mir jetzt noch erzählen, was dir heute passiert ist?
Chloe: Ich war mit Catherine und meinem Dad bei so einem Essen, wo Dad eingeladen war, weil er bei „Silbergeschirr und Leichen" mitspielt. Und rate mal, wer es geschafft hat, das Buffet umzuwerfen? Genau: Ich. Du kannst dir nicht vorstellen, wie das da aussah!
Nate: Ich kann es mir lebhaft vorstellen.
Chloe: Kann es sein, dass dein Vater ein Reporter ist?
Nate: Ähm... ja... ist er. Wieso?

*
Nate klang plötzlich so unsicher. Ich runzelte die Stirn.
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Chloe: Er war auch dort. Ist was?
Nate: Nein, alles gut. Lass uns über etwas Angenehmeres reden, als über meinen Dad... wie zum Beispiel Kunst! Hast du schon einmal überlegt, dich bei einer Kunsthochschule anzumelden?

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Die Erleichterung in seiner Stimme irritierte mich, doch ich beschloss, das Gespräch nicht zu vertiefen.
*
Chloe: Ja, aber ich denke, sie würden mich nicht nehmen.
Nate: Soll das ein Witz sein? Natürlich würden sie dich nehmen! Ich kenne keine Schule, die sich selbst schaden möchte, und das würden sie, wenn sie dich nicht nehmen würden!
Chloe: Ich bin nicht die einzige in Hollywood die gerne zeichnet.
Nate: Aber die, die es am besten kann.
Chloe: Es ist unmöglich, dir zu widersprechen, oder? Naja, ich bleibe dabei: Sie würden mich nicht nehmen. Aber ich kann es meinetwegen versuchen.
Nate: Würdest du denn gerne hingehen?
Chloe: Natürlich! Das wäre ein Traum, o mein Gott!
Nate: Wer ist da? Und wo ist Chloe?

*
Bei dem Klang seines Lachens musste ich ebenfalls lächeln. Auch wenn es durch die Lautsprecher des Handys ein wenig verzerrt klang, war es wunderschön.
*
Chloe: Ach ja, wegen der Sache mit dem Glücklichsein: Was fühle ich denn dann, wenn ich halt nicht traurig bin?
Nate: Vielleicht ist das einfach eine neutrale Stimmung. Ich meine, vielleicht denkst du dir nur einfach zu viel dabei.
Chloe: Okaaay... das verwirrt mich immer noch. Hast du noch mehr solcher Theorien?
Nate: Ja, ein Paar. Die möchtest du jetzt aber nicht hören. Wäre bestimmt langweilig.
Chloe: Nein nein, erklär sie mir. Zumindest Eine. Das interessiert mich echt.

*
Wir redeten noch lange weiter. Ich habe keine Ahnung, wie lange. Minuten, Stunden? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es angenehm war, und dass ich ignorierte, dass ich langsam müde wurde. Wir sprachen über verschiedene Themen, wie den Kunstunterricht, die Ungerechtigkeit und alte Geschichten aus unserer Vergangenheit.

Ich wachte von einem lauten Gähnen auf. Erschrocken hob ich meinen Kopf von dem Kissen und erblickte mein Handy, welches neben mir auf dem Bett lag. „Guten Morgen Prinzessin", sagte Nate verschlafen und ich riss die Augen auf. Wir hatten den ganzen Abend lang telefoniert und waren dabei anscheinend irgendwann eingeschlafen.

„Guten Morgen", nuschelte ich. Meine Stimme war kratzig, wie immer, wenn ich nicht viel geschlafen hatte. „Ich bin noch nie so schön aufgewacht", sagte Nate und lachte leise am anderen Ende der Leitung. „Dann erinnere ich dich mal daran, dass du gleich zur Schule musst", erwiderte ich und er stöhnte genervt. „Na schön. Bis dann, Prinzessin", sagte er und ich lächelte. „Bis dann", mit diesen Worten legte ich auf und streckte mich.

Ich hatte definitiv zu wenig geschlafen. Viel zu wenig. Ein kurzer Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich Augenringe hatte, die fast so dunkel wie Zartbitterschokolade waren. Ich rollte mit den Augen und ging in das Badezimmer.

Ich brauchte dringend etwas, um die Ringe unter meinen Augen zu verdecken. Ansonsten würden mich die Leute vermutlich für den Häuptling eines Indianerstammes halten. Ich öffnete verschiedene Schubladen, bis ich Catherines Schminke fand. Leider war es nicht so einfach, wie gedacht, einen Concealer zu finden. Ich wühlte mich durch Hunderte von Lippenstiften und Mascaras. Catherine benutzte doch höchstens ein Drittel des ganzen Zeugs, das hier herumlag. Meiner Meinung nach völlig unnötiger Konsum.

Als ich endlich einen Concealer gefunden hatte, malte ich mir ungefähr drei Schichten unter mein Augenlid, um das Desaster zumindest ein wenig zu verbergen. Ich warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. 7 Uhr. Ich putzte mir meine Zähne und band meine Haare zu einem, mehr schlecht als rechtem, Pferdeschwanz.

Unten in der Küche stand Catherine und machte sich einen Kaffee. Sie sah ziemlich gelassen aus. „Hey Schätzchen. Daniel ist schon zur Arbeit gefahren und ich habe heute frei. Ich fühle mich nicht so gut." Ich nickte ihr zu und packte meine Schultasche. Zeit zum Frühstücken war heute nicht mehr.

„Sag mal, hast du dich geschminkt?", fragte Catherine und musterte mich fachmännisch. Reflexartig senkte ich den Kopf. „Ja, ich habe heute Nacht nicht viel geschlafen", sagte ich.

„Warum?"
„Ich habe mit Nate geschlafen. Also, er war am Telefon und wir haben telefoniert. Sehr lange", druckste ich und wurde rot. Catherine zog grinsend die Augenbrauen hoch. „Ach", sagte sie. Es war so ein „Ach" was danach klang, als wüsste sie etwas besser als ich. Als wäre sie mir irgendwie überlegen.

Ich machte mir keine Gedanken darüber, da es mir vollkommen irrelevant erschien. „Ich fahre jetzt los", sagte ich und streifte mir meine Jacke über. „Okay, bis später", sagte Catherine und ich verließ das Haus.


                                        

Manchmal trägt das Glück Socken in SandalenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt