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Ich ging in die Schulkantine und betete, dass sie das Geschirr dort besser wuschen, als in meiner alten Schule.

Das Essen sah jedenfalls fabelhaft aus. Ich nahm mir einen Teller und belud ihn mit einem Stück Lasagne und etwas Salat.

Die Frau hinter der Theke musterte mich auffällig. Sie hatte harte Gesichtszüge und blonde, kurze Haare. Sie kam mir gruselig vor, weshalb ich direkt zu den Tischen ging.

Das Essen hier war definitiv besser, als das an meiner alten Schule.

Die Schulkantine war riesig und ich hatte mit meiner Vermutung recht gehabt: Sie war hinter der verglasten Wand im zweiten Stock.

Wenn man es schaffte, einen Platz am Fenster zu ergattern, hatte man eine wunderschöne Aussicht über Hollywood. Ich schaffte es tatsächlich, einen dieser begehrten Plätze zu erwischen, da ich relativ früh da war.

Vom ganzen hinausschauen musste ich irgendwann wirklich raus an die frische Luft. Ich beschloss, ein Eis von dem Schulkiosk zu essen und machte mich auf den Weg vor die Tür.

Wie zu erwarten war wehte kein Lüftchen. Dort war nur die Sonne, die unentwegt schien und der wolkenlose, blaue Himmel.

Ich ging zu dem Kiosk, bei dem auch nicht gerade wenig los war.

Daneben standen mehrere Bänke auf grünem Rasen und viele Schüler gingen mit ihren Freunden an mir vorbei. Ich fühlte mich ein wenig armselig, da ich anscheinend als Einzige alleine hier war.

„Ein Himbeereis bitte", sagte ich zu dem Verkäufer und er nickte.

„Hier, junge Dame", er reichte es mir mit einem Lächeln und ich drehte mich wieder um, um zu gehen.

Doch kaum war ich einen Schritt gegangen, spürte ich einen Aufprall. Mein Eis fiel auf den Boden und ich tat es ihm leider gleich. Wer auch immer da gerade gegen mich gerannt war, konnte nun meinen Rücken bewundern.

Schnell setzte ich mich hin und wischte den Dreck von meinem Top.

Der Typ, der mich umgerannt hatte, reichte mir eine Hand und ich zog mich errötet hoch.

„Sorry, ich sollte mir vielleicht mal eine Brille besorgen", sagte er und ich hob die Augenbrauen.

Ich hatte mir nicht weh getan, aber mein Eis war weg und meine Hose war schmutzig.

„Ich bin übrigens Nate. Nate Maddison. Ich hoffe, es geht ihnen gut Mylady?". Er grinste mich an. Der Junge, der vor mir stand hatte ein schlichtes, schwarzes Shirt und eine Jeans an.

Außerdem trug er Sandalen mit Socken. Eww.

„Chloe Waldorf. Und ja, es ging mir gut, bis ich ihre Fußbekleidung in Augenschein genommen habe", antwortete ich und er schaute entrüstet an sich herunter.

„Was ist falsch an meinen Sandalen?".

Ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszuprusten. „Du trägst Socken darin!", erklärte ich ihm ungläubig. Er verdrehte gespielt genervt die Augen.

„Wenn sie nun aufhören würden über meinen unglaublich innovativen und bequemen Stil zu lästern, würde ich mich vielleicht sogar dazu überreden lassen, ihnen ein neues Eis zu kaufen", sagte er wichtigtuerisch und ich winkte ab.

„Oh, du musst mir kein neues Eis kaufen, ich habe selber noch Geld und..."
„Schon gut! Überredet! Ich kaufe dir eins", sagte er theatralisch und bestellte zwei neue Eis.

„Jetzt möchte ich auch eins", erklärte er und gab mir das Himbeereis.

„Außerdem kriegt man Rabatt, wenn man zwei kauft"

Ich sah ihn grinsend an. „Wow, wie überaus höflich, sie sind ja ein echter Gentleman", sagte ich und er verbeugte sich tief, was mich zum Lachen brachte.

Dann setzte er sich auf eine Bank und klopfte neben sich, als Aufforderung, mich zu ihm zu setzten.

„Erzähl mir etwas über dich", verlangte er, während wir beide unser Eis aßen.

„Ich liebe Mode. In meiner Freizeit entwerfe ich gerne Kleidungstücke und ich möchte mal Modedesignerin werden. Außerdem bin ich 16 Jahre alt", plapperte ich.

Er grinste schon wieder. „Wow, das hat sich gerade original so angehört, als wäre das dein Profil bei Tinder".

Ich wurde rot.

„Ich habe kein Profil bei Tinder", beschwerte ich mich. „Außerdem bist du jetzt dran mit erzählen."

Er nickte und sagte: „Ich bin 17 Jahre alt, meine Hobbys sind Lesen und Basketball und im Letzteren bin ich die totale Niete. Außerdem bin ich gutaussehend, noch zu haben und mag am liebsten Blondinen...". Ich knuffte ihn in die Seite, woraufhin er lachen musste.

Trotzdem dachte ich einen Moment lang, dass er es ernst gemeint hatte, und wirklich am liebsten Blondinen mochte. Aber selbst wenn - warum hätte es mich zu interessieren? Ich kannte ihn noch nicht einmal richtig. Außerdem hatte ich schon lange nicht mehr geflirtet und überlegte, ob dieses Gespräch überhaupt als Flirten durchging.

„Welchen Kurs hast du gewählt?", fragte Nate.

„Bisher noch gar keinen. Wo soll ich denn wählen?"
Ich runzelte die Stirn und malte mir verschiedene Situationen aus, in denen ich in irgendeinen Physikkurs musste, da keine anderen mehr übrig waren.

„Bei der Infotafel hängen Zettel, wo du dich eintragen kannst. Ich weiß aber nicht, ob sie noch da sind", sagte er schulterzuckend und ich erschrak.

„O Gott, ich muss mich sofort eintragen!", rief ich und sprang auf.

„Welchen Kurs möchtest du wählen?", fragte Nate, während ich schnellen Schrittes wieder in die Schule ging. „Hm... irgendetwas mit Mode?", schlug ich vor und er verzog das Gesicht.

„Gibt es nicht. Also in diesem Jahr zumindest nicht."
„Dann vermutlich Kunst."

Mittlerweile waren wir bei der Infotafel angekommen. „Das wäre dann wiederum gut für mich", sagte er.

Ich überflog die Liste der Schüler im Kunstkurs. Nate Maddison stand ganz oben. Entschlossen schrieb ich meinen Namen an das Ende der Liste.

„Wir kennen uns seit kaum 10 Minuten und schon verfolgst du mich? Respekt", sagte Nate, während er mir über die Schulter guckte. Obwohl ich wusste, dass er mich nur ärgern wollte, wurde ich rot.

„Bilde dir bloß nichts darauf ein! Ich hätte mich auch bei Kunst angemeldet, wenn du nicht dort gewesen wärst", verteidige ich mich.

Er lachte nur und ich sah ihn gespielt beleidigt an.

Erst jetzt fiel mir auf, dass er gut einen halben Kopf größer war als ich. Seine Haare waren unordentlich verstrubbelt. Eigentlich hasste ich das bei Jungs, doch ihm stand seine Frisur.

Seine grau-blauen Augen erstrahlten fast, wenn er lachte. Ich musste automatisch auch lächeln.

Da klingelte es zur letzten Stunde. Französisch.

„Okay. Wir sehen uns dann Morgen im Kunstkurs."

Nate zwinkerte mir zu und ich winkte ihm. Ja genau: Ich winkte ihm. Wie peinlich das war, kann man sich nicht vorstellen.

Er lachte, winkte dann jedoch zurück.

Auf dem Weg in den Klassenraum konnte ich nicht fassen, dass ich tatsächlich einen neuen Freund gefunden hatte. Irgendwie.

Es war zwar jemand der Sandalen mit Socken trug, aber irgendwie machte ihn das nur noch sympathischer.

Ich würde trotzdem bei Gelegenheit versuchen, ihm das auszureden.

Ich war ziemlich erleichtert darüber, dass es an dieser Schule anscheinend doch irgendwelche normalen Leute gab.

Manchmal trägt das Glück Socken in SandalenWhere stories live. Discover now