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Als ich die Haustür betrat erwarteten mich Dad und Catherine bereits. Catherine schaute mich erwartungsvoll an, während mein Vater telefonierte.

„Ja, das ist doch gut. Also abgemacht. Morgen Abend. Wir freuen uns, bis dann", sagte er und legte auf.

„Das war ein gewisser Nate Maddison."

Ich zog die Augenbrauen hoch.

„Er hat gefragt, ob du da bist, weil er sich wegen einem Referat mit dir treffen wollte. Ich hoffe ich habe jetzt keinen deiner Pläne zunichte gemacht, aber ich hab ihm gesagt, dass du morgen Zeit hast. Und er bleibt zum Essen."

Ich zog die Augenbrauen noch weiter hoch, sodass es mittlerweile ziemlich dämlich aussehen musste.

„Warum lädst du einfach irgendwen von meiner Schule ein? Du weißt doch nicht einmal, ob er vielleicht mein gehasster Feind ist!", wehrte ich mich. In Gedanken fragte ich mich, was Nate wirklich hier wollte. Ein Referat sollten wir definitiv nicht halten, das wüsste ich nämlich.

„Das Problem dabei ist, dass du keine gehassten Feinde hast, Schätzchen." Mein Dad lachte kurz auf und ich verdrehte kaum merkbar die Augen.

„Also kann es nur entweder ein Freund von dir sein, oder..."

Bevor mein, heute sehr vorlauter Vater weitersprechen konnte, unterbrach ich ihn.

„Vergiss es Dad. Wir sind nur Freunde!"

Meine Stimme klang eine Spur zu hektisch. Catherine bemerkte es und grinste mich augenzwinkernd an. Keine Ahnung, was das Zwinkern sollte. Vielleicht war es so ein wir können über alles reden, von Frau zu Frau Zwinkern. Doch abgesehen davon, dass es nichts zu bereden gab, würde ich nicht mit ihr über mein Liebesleben sprechen. Dafür war unsere Stiefmutter-Tochter Beziehung noch nicht fortgeschritten genug. Ich nahm sie immer noch nicht als Mutter wahr und sie mich wahrscheinlich auch nicht als Tochter. Doch das machte mir nichts aus.

Mein Dad sagt immer, Beziehungen bräuchten Zeit, um zu wachsen, bevor sie irgendwann anfangen zu blühen wie eine Blume. Doch der Haken daran ist: auch Blumen gehen nach einer Zeit ein und das war's dann. Tolle Metapher, Dad.

Mein Vater zuckte übertrieben mit den Schultern, wie es Erwachsene tun, wenn sie sagen wollen: Dann glaub mir halt nicht, aber ich habe recht.

Ich ging wortlos an den Beiden vorbei in mein Zimmer. Dort setzte ich mich mit meinem Laptop auf das Bett. Es war mittlerweile 20:40 Uhr und ich legte mir meinen Skizzenblock daneben. Dann öffnete ich meinen facebook Account und erschrak. Ich hatte über 100 neue Abonnenten und viele Kommentare unter meinem letzten Post. Ich las mir einige davon durch.

Stargirl: Oha wie cool!

xxEvelinx: Diente ich zu deiner Inspiration? Ich würde mich geehrt fühlen, die Zeichnung ist echt Hammer :)

HeldLeon: Selten so ein Talent gesehen! Mach auf jeden Fall weiter

TheRealSpiderman: Das hat mehr Aufmerksamkeit verdient! Ich sehe es schon vor mir: Chloe Waldorf - Mode für jedes Alter...ich werde deinen Werbespruch schon einmal nicht entwerfen

Ich musste schmunzeln. Der letzte Kommentar war von Nate. Ich öffnete unseren Chat, um ihn zu fragen, was der Anlass für unser morgiges Treffen war, doch dann schloss ich ihn wieder und rief Nate an. Während mein Handy seine Nummer wählte, zog ich mir schnell ein viel zu großes T-Shirt an. Bei diesen Temperaturen war es unmöglich, etwas Anderes anzuhaben.

„Hallo, hier ist Alexander van Goethe, was kann ich für sie tun?", meldete sich Nate am anderen Ende und ich setzte mich schnell wieder auf mein Bett. Ich verstellte meine Stimme ebenfalls: „Hier ist Elisabeth die Dritte, ist Nate Maddison vielleicht Zuhause?"

Nate räusperte sich.

„Nate? Den kenne ich nicht. Aber ich schätze mal, er ist hoch- intelligent und zudem noch unglaublich attraktiv", sagte er und ich musste grinsen.

„Oh, reden wir von demselben Nate? Ich glaube hier liegt eine Verwechslung vor."

„Das ist aber nicht sehr höflich, ich glaube ich sollte einfach auflegen"

„Nein, nein, die Beschreibung trifft doch ganz gut zu", beeilte ich mich zu sagen und schon ertönte Nates Stimme am anderen Ende der Leitung.

*

Nate: Das wollte ich hören. Was gibt's Prinzessin?

Chloe: Bilde dir ja nichts darauf ein. Ich wurde quasi grausam dazu gezwungen, das zu sagen. Warum hast du angerufen und meinem Dad erzählt, wir müssten ein Referat halten?

Nate: Freust du dich?

Chloe: Nein... also - ja, könntest du bitte aufhören, meine Fragen mit Fragen zu beantworten? Das ist verwirrend.

Nate: Ich möchte dir einen Ort zeigen. Einen geheimen Ort. Aber erst morgen Nachmittag

Chloe: Es gibt keine geheimen Orte. Du bist bestimmt nicht der Einzige der ihn kennt.

Nate: Da wäre ich mir nicht so sicher.

Chloe: Naja, wie du meinst. Aber wieso hast du die Einladung von meinem Dad angenommen?

Nate: Wieso nicht? Außerdem hast du mir mal erzählt, dass er gut kochen kann.

Chloe: Du lässt meinen Dad für dich kochen! Das wird ein Desaster. Was ist eigentlich mit deinen Eltern? Du erzählst mir nie etwas über sie.

Nate: Mein Dad ist verrückt nach seinem Beruf und meine Mom ist so gut wie nie Zuhause. Wie du siehst, gibt es da also gar nicht viel zu erzählen.

Nates Stimme klang verletzlich. Ich hörte aus diesen letzten Sätzen heraus, dass er ziemlich einsam sein musste. Klar, er hatte seine Freunde, aber das alleine reicht nicht. Jeder Mensch braucht eine Familie. Ich kann mich glücklich schätzen mit meiner Familie, auch, wenn sie keineswegs perfekt ist. Genau wie seine.

*

Nate: Hallo?

Chloe: Ja, bin noch da. Ich habe nur gerade darüber nachgedacht, wie ätzend Eltern manchmal sein können

Nate: Wem sagst du das?

*

Ich hörte Nate seufzen und wieder wurde ich das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.

*

Nate: Aber naja, egal was passiert, wir haben ja uns.

Chloe: Du kannst mir alles erzählen, das weißt du doch?

Nate: Genau wie du mir. Solange unsere Freundschaft nicht zu einer Art Selbsthilfegruppe ausartet.

*

Nate lachte und ich musste wieder automatisch lächeln.

*

Nate: Nein ernsthaft. Ich bin für dich da Prinzessin.

Chloe: Ich weiß.

Nate: Mein Dad ruft zum Abendessen. Wir sehen uns morgen in der Schule, ja?

Chloe: Bis morgen.

*

Ich legte mein Handy neben mich auf das Bett. Freundschaft ist verwirrend. Verwirrender als früher. Irgendwie. Meine Gedanken waren vom Tag benebelt. Vermutlich spann ich mir nur irgendeinen Unsinn zusammen. Nate und meine Freundschaft war normal. Normaler als normal. Meganormal. Was sollte eine unnormale Freundschaft überhaupt sein?

Eins war klar: Ich sollte besser schlafen.

Manchmal trägt das Glück Socken in SandalenTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon