30

11 1 0
                                    

„Danke für die Einladung, Herr Waldorf", begrüßte Nate meinen Vater und schüttelte ihm die Hand. Catherine begrüßte er ebenfalls freundlich. Ich hängte meine Jacke an den Haken, doch Nate ließ seine an. Ob ihm wohl kalt war? Im Wohnzimmer duftete es schon wunderbar nach Essen.

„Ich hoffe du magst Lachs, Nate", sagte mein Dad augenzwinkernd, während wir die Küche betraten. Auf dem Küchentisch stand eine dampfende Auflaufform. Daneben stand eine Schale mit Kartoffeln. Dazu gab es eine Lachssoße und Butter für die Kartoffeln. Es roch göttlich.

Wir setzten uns an den Tisch und Dad verteilte das Essen. Ich nahm nur ein kleines Stück Lachs und zwei Kartoffeln, da ich leider nicht besonders viel Hunger hatte.
„Und wo wart ihr eben?", fragte Dad und ich drehte den Kopf blitzschnell zu Nate.

„Wir mussten uns Notizen für das Referat machen. Eine Vogelart. Sehr interessant", antwortete Nate locker, ohne mich anzuschauen. Er konnte echt gut lügen.

„Welche Vogelart?", fragte Dad interessiert. Oder auch weniger interessiert. Wahrscheinlich fühlte er Nate nur auf den Zahn. „Einen einfachen Reiher."

Mein Dad nickte und hörte auf, weiter nachzuhaken.

„Und was machen sie momentan so?", fragte Nate und ich biss mir auf die Lippe. Obwohl ich keinen Grund dazu hatte. Das hier war kein Bewerbungsgespräch und Nate wollte auch nicht nach dem Essen um meine Hand anhalten. Also lief es doch eigentlich ganz gut. Obwohl es natürlich egal war, ob Catherine und mein Dad Nate mochten. Sie würden ihn ja eh nicht so oft zu Gesicht bekommen. Nate und mein Dad unterhielten sich über das ach-so-schwere und ungerechte, aber gleichzeitig auch total coole Berufsleben meines Dads. Er konnte Stunden darüber reden, ich kannte ihn. Also tat ich so, als wäre ich höchst beschäftigt mit meinem Essen und aß extra langsam, um nicht die erste zu sein, die fertig war.

„Hat jemand Lust auf Nachtisch?", fragte Dad und ich nickte.

Es gab Tiramisu. Ich schob mir langsam einen Löffel in den Mund. Mein Vater war einfach unglaublich, dachte ich, während mir die fluffige Mascarpone-Creme auf der Zunge schmolz. Im Kochen konnte ihm jedenfalls keiner die Stirn bieten. Nate schien es ebenfalls zu schmecken. Er war höflich und ziemlich nett zu meinem Dad. Die gesamte Veranstaltung zog sich trotzdem in die Länge. Selbst, als wir schon längst aufgegessen hatten, hatte Dad immer noch Fragen an Nate, was mir ziemlich unangenehm war.

Um halb Neun verabschiedete sich Nate von Catherine und meinem Dad und ich brachte ihn zur Tür. „Okay, vergiss nicht unsere Verabredung morgen Abend. Wann treffen wir uns?", fragte ich und Nate zuckte mit den Schultern.

„Um Acht? Dann hast du genug Zeit, die Sonne untergehen zu sehen."

„Und du, um mir eines deiner Gedichte vorzulesen", versuchte ich es, doch Nate wehrte ab.

„Das wird ganz sicher nicht passieren. Bis morgen Prinzessin", sagte er und ich schloss die Tür hinter ihm. War es normal, dass ich sie sofort wieder aufreißen und hinter ihm her rennen wollte, nur um noch ein bisschen Zeit mit ihm zu verbringen? Ich fasste mir an den Kopf. Die eine Woche, die ich nun schon in Los Angeles lebte, kam mir vor, wie eine halbe Ewigkeit.

 Ich ging nach oben in mein Zimmer und fotografierte eine meiner alten Zeichnungen. Wenn die anderen aus der Oakham Hill wollten, dass ich noch einen Entwurf postete, dann würde ich das tun. Ich lud das Bild bei Facebook hoch. Es war etwas vollkommen Neues für mich, meine Designs mit anderen Menschen zu teilen. Früher hatte ich sie immer stolz meiner Mutter gezeigt, aber da war ich erst höchstens sechs Jahre alt gewesen. Daraufhin zeigte ich sie niemandem mehr, außer gelegentlich meinem Dad, wenn er fragte. Dass nun so viele Leute meine Zeichnungen anschauen konnten, war irgendwie erschreckend, aber auch befreiend. Ich war nie der Typ gewesen, der Bestätigung oder so etwas suchte, doch es war schön, zu wissen, dass anderen Leuten meine Entwürfe gefielen. Es motivierte mich. 

Ich öffnete Netflix und ließ den Tag mit einer meiner Lieblingsserien ausklingen. Nach einiger Zeit schaute ich nach, ob ich irgendwelche Benachrichtigungen auf Instagram hatte. Ich scrollte durch mehrere Likes und Kommentare. Die meisten Kommentare waren ziemlich nett, doch ich konnte einen, von einer gewissen queen389 sehen, der negativ herausstach.

queen389: omg das ist doch nicht gut! Was haben alle hier für Geschmacksverirrungen?!

Ich verdrehte die Augen. Ich war mir zu 98,5% sicher, dass der Kommentar von Blondie oder Katzenauge stammte. Doch ich machte mir nichts daraus. 

Manchmal trägt das Glück Socken in SandalenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt