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Das Haus der Kingsleys (So hieß die Familie des Regisseurs), war sehr groß. Ungefähr so groß wie unseres. Und sie mussten auch ungefähr so viel Geld haben. Im Garten hingen Laternen und alle Fenster waren hell erleuchtet.

Das Haus war ziemlich voll, überall waren Leute. Die meisten davon hatte ich noch nie gesehen und die anderen waren bekannte Schauspieler, die mit Champagnergläsern im Flur standen und sich unterhielten.

Mein Dad fing direkt ein Gespräch an, und so waren Catherine und ich auf uns alleine gestellt. Wir gingen in den Essenssaal zu dem Buffet.

„Ich hoffe es gibt Sushi. Ich liebe Sushi", raunte sie mir zu und ich verzog das Gesicht. Ich hasse Sushi. Ich kann einfach nichts an Fisch finden, schon gar nicht roh.

Das Buffet ging durch den ganzen Raum und ich war mir ziemlich sicher, dass es dort Alles gab. Ich nahm mir einen Teller und belud ihn mit Kartoffeln, Salat und Blumenkohl. Dann setzte ich mich zu Catherine an einen kleinen Tisch.

„Und Chloe, wie war dein Tag?", fragte sie nach ein paar Minuten. Ich war schlecht im Smalltalk. Smalltalk waren für mich völlig sinnlose Gespräche. „Gut und deiner?", fragte ich.
Und genau das meine ich: Im Prinzip musste Catherine mir nicht erzählen, wie ihr Tag war. Wenn es ihr schlecht ging, dann könnte sie mit mir sprechen. Aber ich fragte trotzdem, wie ihr Tag war. Einfach nur aus Höflichkeit.

„Gut. Ich habe Fotos für ein Magazin gemacht. Leider habe ich irgendwie einen bad-hair-day, aber der Friseur konnte sogar das Drama auf meinem Kopf in den Griff bekommen. Zumindest für das Shooting." Ich schielte auf ihre Haare. Sie sahen total normal aus. Nicht zerzaust oder verfilzt. Anscheinend verstanden wir Beide etwas völlig Unterschiedliches unter einem bad-hair-day.

Mein Pony war vermutlich schon wieder strähnig, das wusste ich, ohne in einen Spiegel gucken zu müssen. Außerdem war er mal wieder viel zu lang und versperrte mir fast die ganze Sicht.

Catherine und ich wandten uns wieder unseren Tellern zu und schwiegen. Als ich fertig war, ging ich wieder zu dem Buffet. Das Essen hatte mich durstig gemacht und dort stand ein Tablett voller Getränke. Das Meiste war Alkohol. Es dauerte eine Weile, bis ich zwischen den ganzen Gläsern eines mit Orangensaft gefunden hatte.

Ich versuchte, es geschickt herauszuziehen. Doch so unfair es auch sein mag: Die Worte „Chloe" und „Geschickt" passten nun einmal nicht zusammen. Ehe ich auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte, passierten mehrere Dinge kurz hintereinander.

1. Mein Glas rutschte mir aus der Hand und fiel auf den Boden
2. Es zersplitterte mitten auf dem Parkett
3. Ich machte einen winzigen Schritt und rutschte auf der Orangensaftpfütze aus
4. Ich fiel rittlings in das Buffet hinein und hörte mehrere erschrockene Aufschreie
5. Der gesamte Inhalt des Schokobrunnens traf einen älteren Herrn, der sehr, sehr reich aussah
6. Ich lag mitsamt dem Buffet auf dem Boden

Zum Glück funktionierten meine Reflexe noch schnell und ich sprang auf. Wenigstens hatte ich kein Essen an meinen Klamotten kleben. Doch die Erleichterung hielt nicht lange an. Nämlich nur genau bis zu dem Moment, in dem ich das gesamte Ausmaß meines Unfalls in Augenschein genommen hatte.

In dem großen Essensaal war es totenstill. Nur das leise Klimpern der Klaviermusik war noch zu hören. Alle Gäste standen mit ihren Champagnergläsern in den Händen da und starrten das Schlachtfeld vor mir mit offenen Mündern an. Ich hätte auf der Stelle im Boden versinken können. Warum musste so etwas immer mir passieren?!

Mein erster Instinkt war, auf die Toilette zu rennen, doch erstens wusste ich nicht, wo sich eben diese befand, und zweitens würde das vermutlich alles nur noch schlimmer machen. Ich atmete tief durch und da drängte sich jemand durch die Menschenmenge.

„Entschuldigung! Roger Maddison, ich bin von der Presse!", rief er ziemlich laut, was unnötig war, da immer noch alle still waren. Roger Maddison. Ich überlegte, wie viele Menschen es wohl mit dem Nachnamen Maddison gab. Es gab bestimmt einige, doch ich kannte niemanden außer Nate. Vielleicht war der Mann hier ja sein Vater oder so.

Als er sich erfolgreich nach vorne gedrängelt hatte, wurde meine Vermutung nur bestärkt. Er hatte dieselben Gesichtszüge wie Nate, nur kantiger. Ich beschloss, Nate morgen zu fragen.

„Chloe Waldorf, haben sie dieses Chaos verursacht?", fragte er und ich nickte kleinlaut. „Es tut mir leid, ich wollte nicht...", versuchte ich mich zu entschuldigen, doch da blitzte mir das Licht der Kamera entgegen. Roger machte noch Fotos von dem demolierten Buffet, während die anderen Gäste weiter miteinander redeten und ich unbeholfen in der Mitte des Dramas stand.

Der ältere Herr, der die Schokolade abbekommen hatte, sah sehr ärgerlich aus und ging schnellen Schrittes aus dem Raum. Da kam Dad auf mich zu. Endlich. Schön, dass er sich auch mal blicken ließ. „Da bist du ja", sagte ich und er betrachtete das Chaos. „Sollen wir fahren?", fragte er kommentarlos und ich nickte. Dad wandte sich an einen der Butler des Hauses und überreichte ihm einen Scheck. „Hier. Als Schadensersatz", sagte er lächelnd.

Keine Ahnung, wie Dad es immer hinbekam, ruhig zu bleiben. Ich hatte ihn noch nie richtig wütend gesehen. Catherine hatte bereits ihren Mantel in der Hand. Man sah ihr an, dass ihr die Situation wesentlich unangenehmer war als mir. Wie auch immer das möglich war. Ich hasste es, in der Öffentlichkeit bloßgestellt zu werden. Obwohl es nun wirklich keine große Sache war, traute ich dem Reporter von eben zu, dass er es in die Zeitung brachte. Bei dem Gedanken daran verdrehte ich die Augen.

Als Dad die Autotür schloss, erwartete ich, dass er mich anmotzte. Doch stattdessen lächelte er nur. „Danke Chloe! Diese Party war echt total langweilig. Nur eingebildete Schnösel. Es tut mir leid, dass ich euch da mit hingeschleppt habe", lachte er und ich zog die Augenbrauen hoch. Ja, das klang nach meinem Dad.

Catherine zuckte mit den Schultern. „Aber das Essen war gut", erwiderte sie und Dad legte ihr eine Hand auf den Oberschenkel. „Glaub mir Schatz: Ich werde etwas viel besseres Kochen. Nur für euch Beide", sagte er und ich sah in dem Autospiegel, wie Catherine schmunzelte.

Dann zog ich mein Handy aus der Hosentasche. Ich hatte eine neue Nachricht von Nate. Unweigerlich schlich sich ein Grinsen auf mein Gesicht, als ich sie las.
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Nate: Hey. Therealspiderman fragt, ob du heute Abend Zeit zum Telefonieren hast.
Chloe: Ich habe mich gerade vor so ungefähr jedem hohen Tier in der Filmbranche blamiert. Also ja, gerne - aber nur, wenn ich mir meinen Frust von der Seele reden darf!
Nate: Darfst du bei mir immer Prinzessin
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„Schreibst du mit einem Jungen, Schätzchen?", fragte Catherine, die mich durch den Spiegel betrachtete. Ertappt ließ ich das Handy sinken. „Was? Wie kommst du darauf?", fragte ich irritiert und Catherine grinste. „Du bist rot und lächelst ununterbrochen", stellte sie fest und ich schnaubte.

„Okay, es ist ein Junge. Aber wir sind nur Freunde, also regt euch ab."
Dad konzentrierte sich zwar darauf, starr auf die Fahrbahn zu blicken, aber trotzdem sah ich, wie er schmunzelte.

Manchmal trägt das Glück Socken in SandalenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt