Kapitel 8

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Nachdem Elena gegangen war, musterte ich meine Verletzung noch einmal genauestens. Doch egal, was ich tat, ob ich im Raum herum sprang oder meinen Oberkörper so sehr streckte, wie ich konnte, es blieb dabei. Die Wunde war verheilt. "Faszinierend!", flüsterte ich leise vor mich hin. Grinsend ging ich zu der Truhe in der, wie mir Elena gesagt hatte, meine weiteren Sachen aufbewahrt wurden. Mit all meiner Kraft stemmte ich den schweren Deckel hoch und entnahm der Truhe meine Jacke und Schuhe. Zu meiner Zufriedenheit waren sowohl mein Handy, als auch mein Portmonee noch vertreten. Dann stand meiner Flucht ja nichts mehr im Wege. Ja Flucht. Es war schon schlimm genug, dass sie mir nicht verraten wollten, was hier eigentlich vor sich ging. Aber damit hätte ich leben können. Was mich am meisten störte, war dieses Ich-lösch-dein-Gedächtnis-Ding. Wer mag es schon, wenn irgendwelche Fremden an seinem Kopf rumspielen. Nachdem ich mich angezogen hatte, nahm ich das Fenster genauer unter die Lupe. Es führte zu einer kleinen, dunklen Gasse, wahrscheinlich in einem der ärmeren Viertel in London. Ich blickte hinunter. Erster Stock. Da sollte ein gut ausgeführter Sprung keine besonderen Schäden hinterlassen. Jetzt nur noch irgendwie das Fenster auf kriegen. Doch das erwies sich als schwerer, als gedacht. Nicht nur, dass das eigentliche Fenster mit einem großen Schloss gesichert war. Nein. Die zweite Hürde bestand zudem aus zwei daumendicken Eisenstangen, die senkrecht platziert, jeden Fluchtgedanken, als unnütz erschienen ließen. Ich überlegte. Das Schloss stellte kein Problem dar. Es war relativ simpel gebaut. Mithilfe einer Haarnadel  und das ausreichende Feingefühl zum Schlossknacken, was ich vor ein paar Jahren in einem Kurs in Birmingham erlernt hatte, würde ich es in ein paar Minuten geöffnet haben. Was mir mehr Sorgen machte, waren die Gitterstäbe. Nervös ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Ich musste mich beeilen, eine Lösung für das Problem zu finden. Wer weiß, wann sie wiederkommen. Mein Blick blieb an einer kleinen Dose Ringelbumensalbe hängen. Naja. Könnte funktionieren. Ich nahm mir eine Haarnadel aus der Hosentasche (Ich hatte immer welche dabei. Man kann ja nie wissen.), brach sie in der Mitte durch und steckte sie ins Schloss. Die ersten zwei Blockaden waren leicht zu überwinden. Doch die nächsten zwei waren schwieriger. Als endlich das letzte Klicken ertönte, stand mir der Schweiß auf der Stirn. Dann war das Schloss offen und die beiden Fensterflügel schwangen problemlos auf. Ich lächelte. Jetzt noch das Gitter. Dann bin ich frei. Mit einem Dauergrinsen im Gesicht schnappte ich mir die Salbe und schmierte damit die beiden Stäbe ein. Dann stellte ich sie wieder beiseite und schlängelte mich gekonnt nach draußen. Erst die Arme, dann der Kopf, danach der Oberkörper und ... Ich stöhnte auf. Der Hintern. Jetzt ja nicht stecken bleiben! Mit meinen Armen stemmte ich mich Milimeter um Milimeter weiter raus, den restlichen Körper dabei vollkommen entspannt. Geschafft! Ich seufzte erleichtert. Einen letzten Blick warf ich noch in die Kammer, dann stieß ich mich von der Wand ab und landete etwas unsanft auf der Straße. 

Begabte - Götter in AusbildungWhere stories live. Discover now