Kapitel 13

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"Oh mein Gott!!!" Ich blickte mich erstaunt um. Nach dem Frühstück hatte mir Lodur eine kleine Rundführung angeboten, worauf ich natürlich mit ja geantwortet hatte. Wann hatte man schon mal die Gelegenheit, sich das Haus eines waschechten Gottes, wie er zu seien behauptete, anzuschauen. Und das gerade eben, war meine erste Reaktion auf die gigantische Bibliothek gewesen. Auch wenn sie so gar nicht meinen Vorstellungen einer Bibliothek entsprach. Allein der Saal war rießengroß. Einer groben Schätzung meinerseits eine ungefähre Fläche von dreißigtausend Quadratkilometern. Und dann war er auch noch in vier ringartige Stockwerke unterteilt. Sie zogen sich mit je etwa zwanzig Metern Breite an dem Rand des zylinderartigen Gebäudes entlang und ganz oben endete der Turm mit einer riesigen Kuppel aus Glas. Ich stellte mir vor, wie es wohl sein musste, wenn man nachts hier herein kam und die abertausenden Sterne den Saal mit ihrem Licht überfluteten. Träumerisch ließ ich meinen Blick durch die Halle treiben. "Das ist einfach unglaublich hier. Atemberaubend.", schwärmte ich, während ich mit meinen Fingern über die unendlich vielen Buchrücken strich. Lodur lächelte. "Das sagst du allein beim Anblick. Warte, bis du sie gelesen hast. Das sind nämlich keine normalen Bücher, Mädchen. Jedes von ihnen umfasst mehr Wissen als alle Bücher deiner Welt zusammen." Er nahm willkürlich eines der Bücher aus dem Regal und schlug es auf. "Jetzt leg deine Hand darauf und sag mir, was du spürst." Ich machte, was er von mir verlangte, doch zuckte fast sofort wieder zurück. Das Buch unter meinen Fingerspitzen pulsierte, bewegte sich, als ob es lebendig wäre. Meine Augen weideten sich fasziniert. "Es lebt!", hauchte ich nur und strich sacht über die Seiten. "Wie ist das möglich?" Der Gott lächelte und schüttelte den Kopf. "Das hier ist Magie, Mädchen.  Keiner weiß, wie sie genau funktioniert. Und das ist auch gut so. Denn so bleibt uns nur der Glaube. Und der Glaube erweckt die Magie erst zum Leben. Das unterscheidet normale Menschen von Begabten. Sie hätten die Bewegung nicht gespürt, weil sie sich weigern etwas zu glauben, dass sie sich nicht erklären können. Aber du hast es gespürt, weil du für alles offen bist. Das ist ein gutes Zeichen." Er schlug das Buch wieder zu und stellte es zurück ins Regal. "Gut, kommen wir zur nächsten Attraktion." Er grinste breit, nahm mich am Arm und zog mich aus der Bibliothek in den gegenüberliegenden Raum. Naja obwohl. Als Raum konnte man das eher weniger bezeichnen. Mehr als im Rechteck verlaufender Wandelgang. Zur äußeren Seite diese Ganges waren wie gewohnt Wände, doch zur inneren trennten einen nur einige mittelalterlich verzierte Säulen von dem sandigen Trainingsplatz in der Mitte. Lodur zog mich weiter durch einen der zwei Torbogen auf den Platz, dann ließ er mich  los und ich schaute mich begeistert um. In jeder der vier Ecken stand eine große Eiche, die ihre grün belaubten Äste über die dazwischen stehenden Steinbänke streckte und so gut tuenden Schatten spendete. An den Seiten, wo weder Eingang, noch Baum oder Bank war, standen Halterungen mit Dutzenden von unterschiedlichen Waffen geschmückt waren. Die Auswahl reichte von stinknormalen Schwertern und Speeren über Pfeil und Bogen bis hin zu Degen unterschiedlichster Form und Größe und viel, viel mehr. "Ich nehme an, dieses kleine Reich hier gehört Edna.", fragte ich mit einer leichten Spur von Ironie in der Stimme. Lodur lachte leise auf. "Erkennt man das so leicht, ja?" Glücklich lächelnd blickte ich zu den raschelnden Baumkronen auf. "Ja. Aber es ist wunderschön." Wieder lachte er, doch diesmal lauter und befreiter. "Na warte mal ab, ob du das immer noch so siehst, wenn du hier mal fünf Stunden am Stück durch trainiert hast. Dann ist das einzige, was du noch wunderschön findest, ein schönes Bett und ein hundert Jahre währender Dornrösschenschlaf." Lachend verließ er den Trainingsplatz und ging wieder in den Korridor. Für einige Sekunden blieb ich noch dort stehen, dann seufzte ich schwer, drehte mich um und folgte ihm. Die schwere Holztür fiel hinter mir mit einem Krachen zu und ließ für einen Moment den Boden unter meinen Füßen beben. Jedenfalls kam es mir so vor. Nachdem ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, schaute ich mich nach Lodur um. "Ich denke viel mehr gibt es dir hier fürs Erste nicht zu zeigen. Und das, was du noch nicht gesehen hast, wirst du wohl oder übel selbst erkunden müssen. Ach ja, ich habe Elena gesagt, sie solle dir ein paar frische Kleidungsstücke bereit legen, also wunder dich nicht, wenn du Sachen findest, die nicht dir gehören. Ich wünsche dir noch einen entspannten Tag. Ab morgen gehts mit dem Training los." Und mit diesen Worten verschwand er um die nächste Ecke und ließ mich ganz allein im Korridor zurück. Dabei war er mir gerade noch so nett vorgekommen. Aber manche Menschen bzw. manche Götter ändern sich eben nie. Ich seufzte und drehte mich in die entgegen gesetzte Richtung, in der meines Erachtens nach mein Zimmer lag. In diesem angekommen, fand ich dann tatsächlich einen Stapel mit unterschiedlichen Kleidungsstücken, erstaunlicherweise sogar alle in meiner Größe. Ich nahm mir frische Unterwäsche, ein lockeres T-shirt und eine bequeme Jogginghose und warf sie schon einmal vorsorglich aufs Bett. Die restlichen Sachen sortierte ich, vorbildlich wie ich war (ja natürlich!), in den Kleiderschrank ein. Dann nahm ich mir die Sachen vom Bett und überlegte. Ein Badezimmer haben die hier nicht irgendwo, oder? Ich hatte zumindest noch keins gesehen. Verzweifelt blickte ich mich im Zimmer um, auf der Suche nach einem Waschbecken oder zumindest einer Schüssel voll Wasser, um wenigstens eine Katzenwäsche durchführen zu können. Doch stattdessen entdeckte ich eine zweite Tür direkt neben meinem Kleiderschrank. Erstaunt blickte ich von der einen zur anderen. "Du warst aber gerade eben noch nicht da!" Ich sah die neue Tür anklagend an. Was fällt der ein, einfach hier aufzutauchen und mich zu Tode zu erschrecken. Eigentlich hatte ich nicht erwartet, dass die Tür darauf antwortete, doch sie tat es trotzdem. Mit großen schwarzen Buchstaben schrieb sie sich 'BAD' auf das Holz. "Ach so ist das!" Ich lachte laut los. So einer zuvor kommenden Tür war ich auch noch nicht begegnet. Grinsend trat ich auf sie zu und öffnete sie. Dahinter lag das mit Abstand prächtigste Bad, dass ich je in meinem Leben gesehen hatte. Die Decke befand sich gute drei Meter über dem Boden und wurde von wunderschönen, weißen Mamorsäulen gestützt. Die Badewanne stand in der Mitte des Raumes auf einer Plattform aus Holz, war so groß, dass ich sicher dreimal darin Platz gefunden hätte und bereits mit warmen Wasser gefüllt. Also ich habe das Gefühl, dass ich mich hier sehr gut einleben werde. Grinsend legte ich meine Kleidung ab und stieg in die Wanne. 

Begabte - Götter in AusbildungWhere stories live. Discover now