Kapitel 14

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Doch diese Aussage nahm ich im Lauf des nächsten Tages zurück. Edna war um halb sechs schreiend in mein Zimmer gestürmt und hatte mich gefragt, warum zur Hölle ich um diese Uhrzeit noch schliefe. Es sei schließlich schon fast Mittag. Ich hatte sie daraufhin mit einem teils verstörten, teils verschlafenen Blick angestarrt, mich aber nicht vom Fleck gerührt. Jedenfalls nicht, bis sie mir einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schüttete. Danach war ich hellwach. "Schlafmützen können wir hier nicht gebrauchen!", erklärte sie sich dann, als ich vollkommen durchnässt und mit weit aufgerissenen Augen vor ihr stand. "Aber es ist erst halb sechs!", warf ich verzweifelt ein. Edna lachte laut auf und drehte sich um, bereit den Raum wieder zu verlassen. "Der frühe Vogel fängt den Worm. Und jetzt zieh dir was Trockenes an. Wir haben viel zu tun." Die Tür schlug zu und ich stand wieder allein in der Kammer. Was zur Hölle war das denn gewesen?! Verdutzt blieb ich für einige Sekunden stehen und starrte fassungslos auf die Tür, durch die Edna verschwunden war. Sie hat mir einfach einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet! Ich schüttelte die Starre von mir ab, nahm mir ein paar bequeme Sachen aus meinem Kleiderschrank und zog mich um. Als ich schließlich wenige Minuten später auf den Flur trat, war kein Mensch in Sicht. Und auch sonst kein Wesen. Verunsichert lief ich den Flur entlang und rief nach der Zwergin. Erst als ich an der Tür zum Innenhof angekommen war, bekam ich eine Antwort. "Ich bin hier draußen!", brüllte Edna, also stemmte ich die schwere Tür auf und trat nach draußen. Sofort wurde ich von einem kalten Wind erfasst und begann mit den Zähnen zu klappern. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Es würde sicher noch eine gute halbe Stunde dauern, bis sie ihre ersten Fühler über den Horizont strecken würde. "Was machen wir um die Uhrzeit hier draußen?", fragte ich Edna, als ich neben ihr ankam. Sie stemmte die Hände in die Hüften und erwiderte barsch: "Deine Kampffähigkeiten testen und verbessern." Mit diesen Worten nahm sie zwei Kurzschwerter aus einer der Halterungen. Eines davon gab sie mir und mit dem anderen begab sie sich in Kampfhaltung. "Na dann zeig mal, was du schon kannst!" Ich schaute sie verdutzt an. Will sie jetzt, dass ich gegen sie kämpfe?! Verwirrt blickte ich von dem Schwert in meiner Hand zu Edna und wieder zurück. Sie seufzte. "Na schön. Dann greif ich halt an." Mit diesen Worten schwang sie ihr Kurzschwert und hätte mir wahrscheinlich den rechten Arm abgetrennt, hätte ich den Schlag nicht rechtzeitig mit dem Schwert geblockt. Ein Klirren ertönte und hallte in meinen Ohren wieder. Edna grinste mich von unten her an. "Nicht schlecht." Wieder holte sie aus und schlug zu. Wieder blockte ich. So ging das eine gute Minute in der die Zwergin immer schneller wurde, bis sie mir schließlich einfach das Schwert aus der Hand schlug und mir ihre Klinge an die Kehle hielt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf das glänzende Metall und schluckte schwer. "Wirklich nicht schlecht.", wiederholte Edna. "Für eine Anfängerin natürlich." Sie hob mein Schwert vom sandigen Boden und drückte es mir in die Hand. "Nochmal!", fuhr sie mich an und begab sich wieder in Kampfstellung. Erschöpft wischte ich mir über die schweißnasse Stirn. Jetzt kam auch mir der Innenhof nicht mehr ganz so schön vor...

Etwa zwei Stunden später legten wir die die Waffen endlich beiseite und gingen in die Küche, wo Elena bereits das Frühstück vorbereitet hatte. Ich stopfte mir so viel von dem Essen in den Mund, wie ich konnte, ohne zu platzen. "Also Edna, wie ich sehe hast du unseren Gast schon eingewiesen.", meinte Lodur nach einer Weile belustigt. Ich warf ihm sofort einen wütenden Blick zu, doch er beachtete ihn gar nicht. Dagmar lachte glucksend und schlug mir im Vorbeigehen so hart auf die Schulter, dass ich mich verschluckte. "Was hast du denn gedacht?! Unsere Edna lässt keinen kalt!" Der ganze Raum lachte. Nur ich nicht. Ich hustete. "Ich hoffe doch aber, dass du noch genug Kraft für mich drinnen gelassen hast, meine Gutste.", warf Kastor in die Runde. Was soll das denn jetzt heißen?, dachte ich empört. Was zur Hölle hat der pummelige Mönch mit mir vor? "Da mach dir mal keine Sorgen. Die hält einiges aus.", lachte die Zwergin, während sie sich erneut Tee einschenkte. Ich schnaubte. "Ihr braucht von mir nicht zu reden, als wäre ich gar nicht hier! Ich höre nämlich alles, was ihr sagt. Falls das euch noch nicht aufgefallen ist!", schnauzte ich sie an und setzte ein grimmiges Gesicht auf. Doch das sah anscheinend mehr witzig als grimmig aus, denn es fingen wieder alle an zu lachen. Diesmal mir eingeschlossen. "Wofür brauchst du meine Kraft, Kastor. Bitte sag nicht, dass ich die ganzen Bücher lesen muss."mEin verzweifelter Unterton legte sich in meine Stimme. Dann würde ich die nächsten hundert Jahre noch dort sitzen. Doch zu meinem Glück schüttelte der alte Mann den Kopf. "Nein. Das dauert doch viel zu lange. Ich werde dir zeigen, wie du die Bücher dazu bringen kannst, dir zu sagen, was du wissen willst. Aber auch das erfordert, zumindest am Anfang, ziemlich viel Konzentration und Willensstärke." Ich lächelte still. Vor zwei Wochen hatte ich nicht mal daran gedacht, dass es so etwas, wie Kobolde oder Zwerge geben könnte und jetzt lerne ich, irgendwelchen magischen Büchern meinen Willen aufzuzwängen. Schon komisch, wie sich die Welt innerhalb so kurzer Zeit so sehr verändern kann. "Wie ist das eigentlich mit diesem Frieden-bringen-Ding? Heißt das dann, dass ich gegen diese bösen Götter kämpfen und sie töten muss? Wurde dann eine Art Krieg ausbrechen?", fragte ich zögerlich. Für einige Sekunden herrschte in dem Raum vollkommene Ruhe und jeder senkte betrübt den Kopf. Doch dann schaltete sich Elena ein. "Es stimmt schon, dass du dazu auserwählt bist, den Frieden über unsere Völker zu bringen, doch wie du das machst, ist dir überlassen." Ich nickte traurig. Dämliches Schicksal! Hätte das sich nicht jemand anderen suchen können, den es in den Hintern trat? Anscheinend nicht. Aber wie meine Mutter immer so schön gesagt hatte 'Egal was auf dich zukommt und egal wie unmöglich es erscheint, stell dich deinem Schicksal und halt immer das Leuchten in deinem Herzen aufrecht. "Na dann. Wann fangen wir an?"

Begabte - Götter in AusbildungWhere stories live. Discover now